Nach der Bundestagswahl geht es in der deutschen Politik derzeit Schlag auf Schlag: Die Union und die SPD entschieden sich während gemeinsamer Sondierungen dazu, noch mit dem alten Bundestag ein Schuldenpaket für Investitionen in Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz zu verabschieden.
Durch harte Verhandlungen mit den Grünen sieht es für die Pläne von Union und SPD, angeführt vom CDU-Chef und wohl kommenden Kanzler Friedrich Merz, gut aus. Nun geht es an die Koalitionsverhandlungen, mit zunächst gleich 16 Arbeitsgruppen und 256 Verhandler:innen. Teil dieses Teams ist auch der Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß.
Ihm wurde bereits vor Jahren eine Nähe zum autokratisch regierten Aserbaidschan nachgesagt. Nun sieht er sich nach Aussagen zur Pipeline Nordstream 2 neuen harten Vorwürfen ausgesetzt. Auch aus der eigenen Partei gibt es starken Gegenwind.
Ausgang des Trubels um Bareiß ist ein Post auf LinkedIn von ihm. In diesem äußerte er sich offen gegenüber einer Wiederaufnahme der Nutzung von Nordstream 2, der Pipeline, durch die Deutschland große Mengen russisches Gas importierte, bevor der Kreml die Ukraine im Februar 2022 angriff.
Die Nutzung wurde zurückgefahren und die Pipeline durch einen Angriff beschädigt, wobei noch immer nicht klar ist, von wem. Die Sanktionen gegen Russland und russisches Gas jedenfalls, das ist mittlerweile weitgehender Konsens unter Demokrat:innen in Deutschland und der EU, sind richtig und wichtig, um Kreml-Chef Wladimir Putin den Geldhahn für seine Kriegsmaschinerie so gut wie möglich zuzudrehen.
Doch Bareiß befürwortet anscheinend, die Pipeline wieder ans Netz zu nehmen, falls beziehungsweise wenn eine Waffenruhe zwischen der Ukraine und Russland ausgehandelt ist. So schrieb er in besagtem LinkedIn-Post:
Bareiß geht davon aus, dass Nordstream 2 Teil eines Deals zwischen den USA, Russland und der Ukraine bei den Verhandlungen für eine Waffenruhe sein könnte und zeigt sich demgegenüber offen. "Ein US-Investor will die Pipeline jetzt sogar kaufen. Möglich wäre das, denn genauso wie damals gilt auch heute: 'Die Nordstream 2 ist ist ein privates Projekt und die Privatwirtschaft entscheidet.'"
Bareiß' Post ist bereits einige Tage alt, bekam aber vor allem Aufmerksamkeit, nachdem er in einem Artikel der "FAZ" erwähnt wurde. Anschließend erntete der Politiker Kritik von gleich mehreren Seiten, sogar aus der CDU. Der Bundesvorsitzende des CDU-Sozialflügels und Europaabgeordnete Dennis Radtke, ebenfalls Mitglied der Koalitions-Verhandler:innen, schrieb auf X:
Noch drastischere Worte nutzte "Bild"-Reporter und Außenpolitik-Experte Paul Ronzheimer. Er schrieb auf X: "Unfassbar, wie ein CDU-Politiker sich schon jetzt an den Hals eines Kriegsverbrechers wirft. Und natürlich werden sofort Erinnerungen an die Baku-Verstrickungen von Bareiß wach." Später legte er nach und fragte, ob Bareiß in den Koalitionsverhandlungen wohl Kreml-Interessen vertrete.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sebastian Schäfer warf Bareiß vor, als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium "die Energiewende sabotiert" zu haben, "jetzt will er schnell zurück zum russischen Gas". Die CDU Baden-Württemberg sei "bis heute tief verstrickt in Aserbaidschan- und Moskau-Connections". Auch Grünen-Urgestein Jürgen Trittin schrieb von der "CDU Baku-Württemberg".
Tatsächlich gibt es bereits seit Jahren Vorwürfe gegen einige CDU-Politiker aus Baden-Württemberg, dass sie dem autokratischen Regime in Aserbaidschan nahestehen. Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer steht seit Januar 2025 deshalb sogar vor Gericht.
Bareiß wurde 2021 in Bezug auf Aserbaidschan unter anderem von "Lobbycontrol" ebenfalls vorgeworfen, er hätte Verbindungen zu einem Lobbyverband gehabt, "der das Image des autokratisch geführten Staats aufpoliert". Bareiß selbst räumte laut einem "Spiegel"-Artikel von damals eigene Compliance-Fehler ein, betonte jedoch etwa in einem eigenen Live-Video auf Facebook: "Ich war nie korrupt oder habe mich einkaufen lassen."