In seiner neuen Podcastfolge spricht Christian Lindner mit dem Extremismusexperten Ahmad Mansour.Bild: dpa / Kay Nietfeld
Deutschland
Die Ausschreitungen in der Silvesternacht beschäftigen die deutsche Politik auch über den Jahresstart hinaus. In einer Aktuellen Stunde hatte die Union in der ersten Sitzungswoche nach dem Jahreswechsel schnelle Aufklärung gefordert. Und auch in der neuen Podcastfolge von Christian Lindner (FDP), "CL+", ist die Silvesternacht Thema.
Gemeinsam mit seinem Gast, der selbst aus Israel eingewandert ist, spricht der Finanzminister über Integrationswillen und Hindernisse – aber auch über die Integrationsfähigkeit der deutschen Gesellschaft. Dabei stellt Lindner eine kritische These auf. Auch sein Gast findet deutliche Worte für den Umgang der Berliner Politik mit Migrant:innen.
Lindner-Gast: Freiheit ist keine Floskel
Der Gast des Tages ist Ahmad Mansour. Der Psychologe und Autor beschäftigt sich mit Islamismus und Antisemitismus. Er selbst ist als arabischer Israeli nach Deutschland eingewandert. Was ihn überzeugt hat? "Freiheit, Sicherheit, Wohlstand", erklärt er. Und genau diese Werte würden durch zu enge Identitätspolitik in Frage gestellt. Sauer aufgestoßen sei Mansour die Floskel des Jahres. 2022 wurde der Begriff Freiheit gewählt.
Mansour sagt: "Etwas, das sich Millionen Menschen auf der Welt wünschen, bezeichnen wir als Floskel? Das halte ich für eine Entwicklung, die sehr bedenklich ist."
Ein Punkt, den der Finanzminister bejahen kann.
Ahmad Mansour ist Experte für Extremismus.Bild: IMAGO/serienlicht
Der Finanzminister geht sogar so weit, das deutsche Selbstverständnis in Frage zu stellen. Er führt aus: "Das unterstreicht, dass wir selbst ein Identitätsproblem haben, wenn wir den zentralen Wert, auf dem unsere Gesellschaft beruht, herabwürdigen." Viele in der Gesellschaft würden den Begriff außerdem umdeuten.
Freiheit, erklärt Lindner, habe mit der Entfaltung des einzelnen Menschen zu tun. Was der Minister aber beobachte, sei, dass der Begriff neu geframet würde. Freiheit würde nun oft mit Egoismus gleichgesetzt. "Ich glaube, dass wir auch andere Werte finden, bei denen die Gesellschaft nicht mehr mit sich im Reinen ist", überlegt Lindner. Und stellt daraufhin die Frage: In welche Gesellschaft Zugewanderte sich integrieren sollen, wenn die Deutschen über die eigenen Werte streiten.
Neben der Integrationsfähigkeit der deutschen Mehrheitsgesellschaft will Lindner mit seinem Gast aber auch über die Silvesternacht sprechen – über die Ausschreitungen und über Lösungen.
Silvester-Debatte: Kein Platz für falsch verstandene Solidarität
Die Debatte, meint Mansour, ist komplex. Er stelle sich aber die Frage: "Welche Debatte haben wir geführt, wenn wir nicht bereit sind, einander zuzuhören?" Für ihn ist klar: Es geht nicht nur um Integration und Migration. Aber es werde der Sache auch nicht gerecht, wenn Politiker:innen aus dem linken Spektrum Migranten als schützenswerte Gruppe verstehen. Er sagt: "Das bedeutet, wir sind nicht auf Augenhöhe."
Mansour wird deutlich: "Es herrscht ein Integrationsproblem, aber nur bei denen, die teilgenommen haben." Für ihn ist die Debatte zu eindimensional – und zwar auf beiden Seiten. Die einen wollten nur über Migration reden, die anderen überhaupt nicht. Um Lösungen zu finden, ist er sich sicher, müsse über Ursachen gesprochen werden. Und die haben aus Sicht des Experten mit Jugendkultur zu tun, und damit, wie wir Polizei und Staat wahrnehmen.
In Berlin und in anderen Städten ist die Lage an Silvester außer Kontrolle geraten.Bild: TNN/dpa / Julius-Christian Schreiner
Um dem entgegenzuwirken, helfe es nicht, kritische Debatten im Keim zu ersticken. Vielmehr, ist sich Mansour sicher, brauche es eine Bildungsoffensive. "Ein zentraler Ort, um junge Menschen zu erreichen, ist die Schule. Und dort müssen sie nicht nur Deutsch und Englisch lernen, sondern auch Demokratie", sagt Mansour. Wenn es darum gehe, gleiche Bildung für alle zu gewährleisten, versage der Berliner Senat komplett, meint er.
In der Hauptstadt hänge gute Bildung zu stark mit der Postleitzahl zusammen. "Es gibt hier Schulen, in denen Kinder keine Möglichkeit auf Bildung haben, aufgrund der Zustände", sagt Mansour. Das sei ein Zustand, den ein Land wie Deutschland nicht akzeptieren dürfe. Denn dort entstehe sozialer Sprengstoff.
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.