Die SPD hat ein Problem. Sie sitzt in der
Spahn-Seehofer-Falle. Die beiden hatten, kaum war die neue Regierung am Start,
ein paar Duftmarken gesetzt:
Jens Spahn:
"Hartz IV bedeutet nicht Armut. (...) Damit hat jeder das, was er zum Leben braucht.“
Horst Seehofer:
"Der Islam gehört nicht zu Deutschland.“
Jens Spahn:
"Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht."
Es scheint so, als spielten da einige in Reihen der Union gerade so eine Art Bullshit-Bingo:
Verteilungsdebatte in der Tradition "Spätrömischer
Dekadenz" (Guido Westerwelle). Check. Abtreibung. Check. Islam. Check.
So macht man Quote. Im Eiltempo stecken Unionisten ihr konservatives
Terrain ab. Dahinter steckt Kalkül, gilt es Merkels Union der Mitte für Ultrakonservative
und Abtrünnige wieder attraktiv zu machen. Denn 2017 holte die CDU mit knappen
33 Prozent der Stimmen das zweitschlechteste Wahlergebnis ihrer Geschichte
(gleiches gilt für die CSU in Bayern mit knappen 38 Prozent). Gut eine Million Wähler
verlor die Union an die selbsternannte Alternative für Deutschland (AfD).
Und was macht die SPD?
Die übt sich in großkoalitionärer
Zurückhaltung. Zuckt kurz und guckt genervt zur Kanzlerin. Moment, das hatten
wir anders besprochen.
Merkel soll bitteschön ein Machtwort sprechen. Doch mit
dieser Strategie hat die SPD ein Problem im doppelten Sinne: Weil sie
Provokation und Mäßigung CDU/CSU überlässt.
Dabei wollte die SPD doch aus den letzten Groko-Jahren lernen: Sie
hatte es versäumt, als Juniorpartner der CDU ihre Themen zu setzen. Und den
Kompromiss viel zu oft als sozialdemokratische Position verkauft. Fleißig,
seriös, strebsam stand die SPD im Maschinenraum der GroKo – der Preis: Unkenntlichkeit.
An Deck winken andere.
Die Zeilen bestimmen andere.
Denn: Was die SPD thematisch da gerade liegen lässt, ließe sich an 4 Schlagzeilen ablesen, die es so nie gegeben hat.
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Wie hätte die Antwort einer selbstbewussten alten Dame auf
Jens Spahns Hartz-Polemik lauten können? In etwa so: Arbeitsmarktreform.
Im Kleinen hat die SPD reagiert.
Der Berliner Bürgermeister Michael Müller forderte in einem Interview mit der
"Berliner Morgenpost“ ein solidarisches Grundeinkommen. Mit dem
Hartz-IV-System müsse Schluss sein. Gehör findet das kaum.
Das Resultat: Die Union bestimmt Tempo und Debatte. Und Jens
Spahn trifft sich mit der Hartz-IV-Empfängerin Sandra S., die in einer Petition
forderte, Spahn solle einen Monat von Hartz-IV leben.
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Horst Seehofers Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" war ähnlich am Thema vorbei, wie die Vorlage des damaligen Bundespräsidenten Christian Wulf. Seehofer setzte ein Signal der Abgrenzung: Heimat vs. Islam. "Wir" gegen "Die". Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Wer auf dem Boden des Grundgesetzes steht, gehört zu Deutschland.
Doch wo steht die SPD in der Diskussion? Wie wäre es mit einer nach vorne gerichteten Debatte statt markiger
Sätze, ob und welcher Islam denn jetzt eigentlich zu Deutschland gehört. Eine Debatte über den Stellenwert und Anstrengung von Integration, über Diversität jenseits von Religionszugehörigkeit. Eine, die Zuwanderung nicht allein unter dem Vorzeichen von "Verlust" diskutiert. Eine Debatte adressiert an hier lebende Menschen, weder von Heimatministern noch von konservativen Islamverbänden dominiert.
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Und dieses Recht setzt Information voraus, die gut zugänglich sein muss. Und darum geht es in der Diskussion um den Paragraphen 219a.
Auslöser für die Debatte war ein Gerichtsurteil aus dem Jahr
2017. Die Gießener Ärztin Kristina Hänel hatte auf ihrer Homepage via Link über Schwangerschaftsabbrüche informiert und wurde zu einer Geldstrafe von 6000 Euro
verurteilt.
Dieser Fall zeigt das Dilemma der SPD exemplarisch:
Denn eigentlich gibt es im Bundestag eine Mehrheit jenseits der Unionsfraktionen für die
Reformierung des Strafrechtsparagraphen. Ärzte hätten dann
Rechtssicherheit und mehr Mittel, über Schwangerschaftsabbrüche zu
informieren.
Aus Rücksicht auf die Koalitionsverhandlungen mit der Union hatte
die SPD allerdings im Februar darauf verzichtet, einen eigenen Antrag
einzubringen. Man wollte keinen vorkoalitionären Bruch riskieren. Stattdessen sollte Justizministerin Katarina Barley einen Gesetzentwurf zur Reform des Strafrechtsparagrafen
219a vorlegen, der auch in der Union Zustimmung findet.
Zehntausende Menschen sind seit
Beginn der türkischen Offensive in Afrin gegen die Kurdenmiliz YPG auf der Flucht. Merkel schwieg. Die Regierung schwieg. In der Regierungserklärung von Mittwoch übte Angela Merkel dann erstmals Kritik. Gleichzeitig hat die Regierung gerade erst Rüstungslieferungen in Millionenhöhe an den Nato-Partner Türkei genehmigt. In Afrin rollen bereits heute deutsche Panzer.
Was sagt die SPD dazu? Nach der Kritik der Kanzlerin am Mittwoch, warnte auch Außenminister Heiko Maas die Türkei vor einem Verbleib in Afrin. Für die deutlichen Worte ist aber auch hier die zweite Reihe zuständig: Rolf Mützenich,
Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, sprach gegenüber der "Frankfurter Rundschau" von einer "völkerrechtswidrigen Aggression".
Immerhin.
Welche Schlagzeilen über die SPD würdet ihr gerne lesen? Schreibt sie in die Kommentare.
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