Hunderte Schüler stehen am Freitagmorgen vor dem Bundestag. Es ist kalt, die Wintersonne blendet. Die Kinder und Jugendlichen hüpfen, aber nicht, damit ihnen warm wird. "Wer nicht hüpft, der ist für Kohle", rufen sie. Eigentlich müssten sie jetzt in den Klassenzimmern ihrer Schule sitzen. Um die Politik aufzufordern, mehr gegen den Klimawandel zu unternehmen, streiken sie jedoch. Nicht nur in Berlin, sondern in mehr als 50 Städten in ganz Deutschland. Das Motto: "Fridays for Future."
Um ihre, um unsere Zukunft geht es ihnen. Sie schwänzen die Schule, um die größtmögliche Aufmerksamkeit dafür zu bekommen. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut", heißt es in Sprechchören und auf Pappschildern.
Die 16-jährige Emma sagt: "Ich halte es einfach nicht aus, dass der Klimawandel stattfindet und die Politik augenscheinlich nichts dagegen macht", sagt Emma.
Der 19-jährige Louis Motaal hat die Schulstreik-Kundgebung in Berlin mitorganisiert. Er ist kein Schüler mehr, sondern arbeitet für die Organisation "Plant for the Planet", die "Bäume für eine bessere Welt" pflanzen will. "Ich halte schon seit ich elf Jahre alt war Vorträge über die Klimakrise", erzählt er. Wie es auf einmal zu Kundgebungen in mehr als 50 Städten kam, kann er sich jedoch selbst nicht ganz erklären.
Vorbild für die Aktion ist die schwedische Schülerin Greta Thunberg. Sie hatte auf der Weltklimakonferenz 2018 eine beeindruckende Rede gehalten – und erklärt, dass sie jeden Freitag die Schule schwänzt, um vor dem Parlament in Schweden zu sitzen und für mehr Klimaschutz zu demonstrieren.
"Wenn wir nachmittags 'streiken' hört uns niemand zu", sagt Louis Motaal. Trotzdem sind nicht alle Fans von streikenden Schülern. In Baden-Württemberg machten etwa die Junge Union und die Schüler Union gegen die Kundgebungen mobil. Wer für das Klima demonstrieren will, solle das außerhalb der Schulzeit tun, schrieben die CDU-Jugendverbände. Und: "Um den Lehrkräften ein effektives Vorgehen zu ermöglichen, fordern wir, solche Fehlzeiten zukünftig im Zeugnis festzuhalten."
Viele der Schülerinnen und Schüler, die am Freitag vor dem Bundestag stehen, nehmen ganz bewusst in Kauf, dass das längst passiert. Die 16-jährige Emma etwa ist mit etwa 30 Mitschülern zur Kundgebung gekommen. Auf ihrem Zeugnis werden die verpassten Schulstunden als unentschuldigt eingetragen werden.
Manche ihrer Lehrer hätten Verständnis fürs politisch motivierte "Schwänzen", andere würden die Notwendigkeit eines Schulstreiks hingegen nicht sehen. So ist es auch bundesweit: Einige Schulleiter hatten ihren Schülern die Teilnahme im Vorfeld verboten und mit Strafen gedroht. In Würzburg hingegen wollte ein Grundschul-Direktor gemeinsam mit seinen Schülern zur Schulstreik-Demo gehen – bis die Schulaufsicht seine Pläne durchkreuzte und den Ausflug verbot.
In Berlin wird das nicht überall so streng gehandhabt: Vor dem Bundestag steht auch eine Grundschulklasse versammelt. Die Neun- und Zehnjährigen rufen im Chor "Der Wald bleibt hier, sonst streiken wir", manche von ihnen haben Protestschilder gebastelt. Nachdem sie mit ihrem Lehrer über den Klimawandel gesprochen haben, hat der kurzerhand eine gemeinsame Exkursion organisiert.
"Ich bin hier, weil der Klimawandel scheiße ist", sagt Linus, neun Jahre jung. "Der Klimawandel zerstört Lebensräume von Tieren. Es wird viel wärmer und zum Beispiel in Afrika müssen die Menschen dann flüchten", erklärt er.
Seine Mitschülerin Bela ist zehn und findet den Klimawandel "auch nicht toll". "Tiere sterben, so wie der Eisbär, der auf seinen Eisschollen versinkt und nicht mehr an Land kann."
Anstatt Mathe und Deutsch zu büffeln, lernen sie die Demokratie an diesem Freitagmorgen ein bisschen besser kennen. "Ich finde es cool, hier demonstrieren zu können", sagt Bela.
Wenn die Politik ihnen jetzt auch noch zuhört, wäre das doch eine erfolgreiche Unterrichtseinheit.