Lange war über Annalena Baerbocks künftigen Posten spekuliert worden. Nach der Wahlflaute der Grünen verkündete die amtierende Außenministerin erst kürzlich, keinen führenden Posten mehr in der Grünen-Fraktion einnehmen zu wollen.
Interne Kreise ließen verlauten, dass die Politikerin einen internationalen Posten im Ausland anstrebt. Welcher, das blieb offen. Nun ist er wohl da, der passende Posten.
Denn Baerbock steht vor einem bedeutenden Karriereschritt: Sie soll Präsidentin der UN-Generalversammlung werden. Die Bundesregierung plant, die Grünen-Politikerin für die Sitzungsperiode 2025/26 als deutsche Kandidatin zu nominieren. Doch das Vorhaben kommt nicht ohne Kritik.
Die Wahl der Präsidentin der UN-Vollversammlung erfolgt Anfang Juni. Doch große Spannung gibt es dabei nicht: Die 80. Sitzungsperiode wird turnusgemäß von einem Vertreter der westeuropäischen und anderen Staaten geleitet – und in dieser Gruppe liegt das Vorschlagsrecht bei Deutschland. Baerbock wäre damit faktisch gesetzt.
Sie wäre nach Rüdiger von Wechmar (1980) und Peter Florin (1987) die dritte deutsche Person, die dieses Amt übernimmt.
Als Präsidentin der UN-Generalversammlung kämen viele, weitgehend zeremonielle, Aufgaben auf Baerbock zu. Sie würde die Sitzungen des Gremiums leiten, Redner:innen das Wort erteilen und Abstimmungsergebnisse verkünden.
Zudem könnte sie Stellungsnahmen abgeben, UN-Mitgliedsstaaten besuchen und an internationalen Konferenzen teilnehmen, also vor allem zeremonielle Aufgaben. Ein Job, der zu ihren Plänen passen dürfte.
Allerdings sind die Resolutionen der Generalversammlung nicht völkerrechtlich bindend und haben keinen Anspruch auf Befolgung durch die Mitgliedstaaten. Ganz im Gegensatz zu dem mächtigsten UN-Hauptorgan, dem Sicherheitsrat, der weitaus publikumswirksamer agiert.
Dementsprechend stünde Baerbock als Präsidentin der Vollversammlung eindeutig im Schatten des UN-Generalsekretärs. Der Generalsekretär gilt als das Gesicht und als Chefdiplomat der Vereinten Nationen. Von dem aktuellen Präsidenten der Vollversammlung nehmen Politiker:innen außerhalb der UN, Medien und Expert:innen hingegen kaum Notiz: Sein Name ist Philémon Yang, ein früherer Premierminister von Kamerun.
Für Baerbock selbst könnte die neue Aufgabe auch eine willkommene Veränderung bedeuten. Erst kürzlich hatte sie angekündigt, keine Führungsrolle in der Grünen-Bundestagsfraktion übernehmen zu wollen. Nach den intensiven Jahren als Außenministerin, die sie stark gefordert hätten, wolle sie sich anders orientieren.
Privat zahlte sie ebenfalls einen Preis: Ihre Ehe scheiterte im vergangenen Jahr, zudem muss sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Blick behalten – Baerbock hat zwei Kinder. Ein Job bei den Vereinten Nationen könnte ihr eine neue, aber weniger aufreibende Rolle ermöglichen.
Ein weiteres Detail: Präsidentinnen und Präsidenten der UN-Vollversammlung erhalten kein reguläres UN-Gehalt. Ihnen steht ein Budget zur Verfügung, um die Kosten und Spesen ihres Büros zu decken. Ein finanzieller Anreiz ist das Amt für Baerbock also nicht.
Die Entscheidung, Baerbock für dieses Amt vorzuschlagen, stößt nicht überall auf Zustimmung. Der Plan kommt also zumindest mit einem bitteren Beigeschmack. Christoph Heusgen, ehemaliger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, kritisierte etwa den Wechsel von der erfahrenen Diplomatin Helga Schmid zu Baerbock scharf.
Schmid ist aktuell die Generalsekretärin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und war eigentlich für den Posten vorgesehen. Es sei "eine Unverschämtheit, die beste und international erfahrenste deutsche Diplomatin durch ein Auslaufmodell zu ersetzen", sagte Heusgen dem "Tagesspiegel".
Die Nominierung Baerbocks ist trotz der Kritik ein politischer Schachzug: Damit will Deutschland ein starkes Signal für sein Engagement in den Vereinten Nationen setzen. Die Bundesregierung strebt 2027/28 einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an – eine erfahrene Vertreterin an der Spitze der UN-Vollversammlung könnte dieses Vorhaben stärken.