Kaum ein politisches Thema polarisiert in Deutschland aktuell so stark wie die Frage nach ständigen Grenzkontrollen. Immer wieder entbrannte in der Vergangenheit die öffentliche Debatte darüber, wie viel Kontrolle ein Staat an seinen Außengrenzen ausüben sollte.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte unter dem Ziel der "Migrationswende" im Mai die Verschärfungen der Grenzkontrollen durchgesetzt. Am vergangenen Mittwoch jedoch gab das Berliner Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang drei Menschen aus Somalia recht, die sich gegen ihre Zurückweisung ohne Dublin-Verfahren gewehrt hatten. Das Gericht befand den Prozess der Zurückweisung für rechtswidrig.
"Wir halten an unserem Kurs und den verstärkten Grenzkontrollen fest", bestätigt Dobrindt allerdings im Interview mit der "Berliner Morgenpost" erneut. Sein Ministerium wolle dem Gericht demnach eine ausreichende Begründung für die Ausnahmeregelung liefern.
Seit Wochen merken Kritiker:innen an, dass die Maßnahmen der "Migrationswende" wahrscheinlich nicht europarechtskonform sind. Die Verordnung regelt, welcher EU-Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens verantwortlich ist.
Darin ist auch festgelegt, dass asylsuchende Geflüchtete nicht ohne Weiteres zurückgewiesen werden dürfen – selbst dann nicht, wenn der betreffende Staat nicht für das Verfahren zuständig ist.
"Ich bin der Überzeugung, dass wir uns mit unseren Maßnahmen innerhalb des europäischen Rechts bewegen", betonte der Bundesinnenminister. Dobrindt beruft sich dabei auf eine vermeintliche Notlage, die die Verordnung vorübergehend außer Kraft setzt.
Beim Koalitionspartner SPD hält man sich zu den verschärften Grenzkontrollen bisher eher bedeckt. Nur vereinzelt gab es Kritik, ansonsten setzt man seit Eintritt in die Regierung auf Versöhnlichkeit.
Auf vielleicht dennoch bestehende Aversionen gegen die Unionspolitik hat Dobrindt allerdings eine eben so klare Antwort wie auf die Migrationsdebatte. "Im Koalitionsvertrag kann man nachlesen, dass wir mit der SPD vereinbart haben, auch Asylbegehren an der Grenze zurückzuweisen", betonte er gegenüber der "Berliner Morgenpost".
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hatte ihm noch in den Koalitionsverhandlungen attestiert, kein Gewissen zu haben. "Ich habe Boris Pistorius freundlich angesprochen, mit dem Hinweis, dass die Bürger sehr genau wahrnehmen, wie die Regierungspartner miteinander umgehen", erklärte Dobrindt hierzu.
Der CSU-Politiker verwies in diesem Zusammenhang auf die Ampel-Koalition und den vermeintlich durch Streitereien herbeigeführten Zusammenbruch der Regierung. Er wolle es mit der jetzigen Koalition besser machen. "Ich weiß, dass Boris Pistorius dazu die gleiche Meinung hat", sagte er knapp.
Zum Thema Migration bestätigte Dobrindt, keinen Anlass für die Abschaffung des allgemeinen Grundrechts auf Asyl zu sehen. Eine Reform des europäischen Asylrechts halte er aber für sinnvoll. "Politik muss handlungsfähig bleiben, und wer nicht handelt, der wird behandelt – spätestens bei der nächsten Bundestagswahl", sagte er der "Berliner Morgenpost".