Der Richtungsstreit in der AfD ist zurück: Wer geht als nächster?
16.10.2018, 15:3816.10.2018, 16:09
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Innerparteiliche Machtkämpfe sind kein Alleinstellungsmerkmal der
AfD. Doch gegen das, was bei den Rechtspopulisten zur Zeit los ist,
wirkt selbst der Dauerstreit zwischen Katja Kipping und Sahra
Wagenknecht wie eine Neckerei unter Freundinnen.
Ihren Parteigründer Bernd Lucke jagt die AfD 2015
davon. Seine Nachfolgerin Frauke Petry verabschiedet sich zwei Jahre
später mit großem Knall. Seither sind Tausende Mitglieder
abgewandert, noch mehr Neu-Mitglieder sind in die AfD eingetreten. Wo
die Neuen politisch genau verortet sind, weiß niemand so genau. Doch
vielleicht zeigt sich jetzt, da der Richtungsstreit in der Partei auf
einen neuen Höhepunkt zusteuert, wer die Mehrheit hinter sich
vereint. Der rechtsnationale "Flügel" um den Thüringer Landeschef Björn
Höcke? Oder die Gemäßigten, von denen einige in der
Interessengemeinschaft Alternative Mitte organisiert sind.
Die AfD wird selbst AfDlern zu rechtsextrem
Unter der Oberfläche schwelt der Streit schon lange. In den
vergangenen Tagen haben sich die Kontrahenten jetzt auch öffentlich
attackiert. Beim Thüringer Parteitag, wo Höcke zum Spitzenkandidaten
für die 2019 anstehende Landtagswahl gekürt wird, fordert der "Flügel"-Gründer Vertreter der "Alternativen Mitte" auf:
"Werdet konstruktiv oder haut endlich ab."
Björn Höcke
Doch kampflos gehen wird wohl keiner. Um den Wahlkämpfern in Bayern
keinen Knüppel zwischen die Beine zu werfen, wartet die "Alternative
Mitte" am Sonntag noch, bis die Wahllokale schließen. Dann
veröffentlicht sie eine Pressemitteilung, die sich gewaschen hat. Sie
schreibt: "Höcke wirkt immer mehr wie ein
Größenwahnsinniger". Und:
"Es mag Teil des Größenwahns sein, zu glauben, in Deutschland gäbe es nun wieder ausreichend fruchtbaren Boden für eine rechtsextreme Partei und die AfD sei schon viel zu groß, um sie wieder klein kriegen zu können. Und eines muss man schon sagen. Eine Höcke-AfD wäre eine rechtsextreme Partei."
"Alternative Mitte"
Teile der Partei haben Angst vor dem Verfassungsschutz
Zusätzlich befeuert wird dieser Konflikt, aus dem sich die
Parteichefs Jörg Meuthen und Alexander Gauland bislang
heraushalten, durch eine möglicherweise drohende Beobachtung der AfD
durch den Verfassungsschutz. Zwei Landesverbände der Parteijugend
sind schon betroffen. Thüringens Verfassungsschutz hat den dortigen
Landesverband zum "Prüffall" erklärt. Gauland betont zwar, "dass der
Versuch, den Verfassungsschutz zu instrumentalisieren, eher nützt als
schadet". Doch das sehen nicht alle in der Partei so entspannt wie
Gauland, der seine Karriere als hessischer CDU-Staatssekretär und
Herausgeber einer Tageszeitung schon hinter sich hat.
Alice Weidel, die gemeinsam mit Gauland die Bundestagsfraktion
leitet, betont zwar, sie halte eine Beobachtung für ungerechtfertigt
und die Partei würde sich dagegen auch juristisch zur Wehr setzen.
Weidel befürchtet aber dennoch, dass eine Beobachtung
etliche bürgerliche Mitglieder aus der Partei treiben könnte.
Sie sagt:
"Mitglieder, die verbeamtet sind oder anderweitig im Staatsdienst arbeiten, wären die ersten, die massiv unter Druck geraten würden."
Die AfD ist mittlerweile so rechts, dass es die "Patriotische Plattform" nicht mehr braucht
Eine mögliche Flanke will die AfD jetzt dichtmachen: Der Vorstand
der als Verein organisierten "Patriotischen Plattform" in der AfD hat
im September beschlossen, bei seiner nächsten Sitzung die
Selbstauflösung zu beantragen. Zur Begründung führt die am rechten
Parteirand angesiedelte Vereinigung an, die heutige AfD sei anders
als die Partei, die Lucke und Petry einst geführt hätten. Heute
gelte:
"Wir können alles, was wir sagen wollen, auch in der AfD sagen."
Zu Höcke, der die AfD als Teil einer Bewegung sieht, hält Weidel
keinen Kontakt. Seine Vorliebe für Straßenprotest teilt sie
nicht. Demonstrationen, bei denen man vorher nicht weiß, wer
hinterher neben einem marschiert, sind Weidel suspekt. Brandenburgs
AfD-Landesschef Andreas Kalbitz – ein weiterer Flügel-Mann mit einer
Vorliebe für Protestaktionen auf der Straße – trifft Weidel
regelmäßig bei den Sitzungen des Parteivorstandes. Auch Kalbitz
findet, die AfD solle sich von Bürgerbewegungen wie Pegida, Pro
Chemnitz oder Zukunft Heimat nicht abgrenzen.
Straßen-Bewegung oder Parlaments-Partei?
Höcke ruft im Sommer
2018 seinen Anhängern in dem Dorf Mödlareuth an der ehemaligen
innerdeutschen Grenze zu:
"Wir als staatstreue Bürger, wir haben jetzt bis hierher nur immer geredet. Die Zeit des Redens ist jetzt vorbei."
Die Zuhörer antworteten im Sprechchor: "Widerstand, Widerstand". Was nach dem "Reden" kommen soll, sagt
Höcke nicht. Jeder kann diese Leerstelle so füllen, wie es ihm
beliebt. So ist das oft bei ihm.
"Unser Platz ist in den Parlamenten, nicht auf der Straße", sagt Uwe
Witt. Der Bundestagsabgeordnete aus Nordrhein-Westfalen ist einer von
fünf Sprechern der Alternativen Mitte, die seinen Angaben zufolge
knapp 4000 Unterstützer hat.
Dass der AfD-Bundesvorstand den rund 33.000 Parteimitgliedern
kürzlich empfohlen hat, nur an solchen Kundgebungen teilzunehmen, die
ausschließlich von der Partei angemeldet und organisiert werden,
findet Witt gut. Höcke sieht das anders. In seinem jüngst
erschienenen Interview-Band "Nie zweimal in denselben Fluss" rät der
ehemalige Geschichtslehrer davon ab, im Verhältnis zur "protestierenden Bürgerbasis" eine "peinliche Abgrenzeritis" zu
betreiben.
Höcke erklärt in dem Buch außerdem, er wünsche sich für den
Widerstand gegen "die Festung der Etablierten" noch eine "weitere
Front aus den frustrierten Teilen des Staats- und
Sicherheitsapparates heraus". Die Staatsdiener sollten dabei auf das Remonstrationsrecht zurückgreifen. Dieses sieht vor, dass ein Beamter
eine dienstliche Anordnung, die ihm unrechtmäßig erscheint, zunächst
nicht ausführt und seine Bedenken gegenüber seinem Vorgesetzten
geltend macht.
Warum Grenzkontrollen nicht nur moralisch, sondern auch wirtschaftlich ein Fehler sind
Selten war Konsens trauriger. Alle Spitzenparteien sind sich einig, dass die Migrationspolitik noch ein paar Zähne mehr vertragen könnte. Die CDU setzt für den merz'schen Fünf-Punkte-Plan auf Unterstützung von Rechtsaußen, die Grünen mit ihrem habeck'schen Zehn-Punkte-Pendant versuchen es ganz demokratisch, frei nach dem Motto: Solange die AfD nicht mitmacht, ist es schon okay.