Es war ein historischer Tag. Am 29. Januar hat zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Antrag im Bundestag die nötige Mehrheit mithilfe von Stimmen der AfD erhalten. Bei dem "Fünf-Punkte-Plan" zur Migration könne er keine Kompromisse machen, verteidigte CDU-Chef Friedrich Merz sich im Vorfeld. Es sei eine Gewissensfrage. Stimmen der AfD nahm er willentlich in Kauf.
Zwei Tage später könnte sich der Vorgang nun wiederholen. Die CDU hat das "Zustrombegrenzungsgesetz" zur Abstimmung in den Bundestag gegeben. Anders als bei dem rein symbolischen Entschließungsantrag geht es jetzt also um ein Gesetz – bei dem die AfD abermals das Zünglein an der Waage werden könnte.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat Friedrich Merz für sein Vorpreschen in der Regierungserklärung am Mittwoch heftig kritisiert. "Sie nehmen die Unterstützung der AfD für Ihre rechtswidrigen Vorschläge offen in Kauf", sagte Scholz in Richtung der Union. "Die Unterstützung derer, die unsere Demokratie bekämpfen, die unser vereintes Europa verachten, die das Klima in unserem Land seit Jahren immer weiter vergiften." Dies sei ein "schwerer" und "unverzeihlicher Fehler".
Scholz erinnerte auch daran, dass Merz noch Mitte November wiederholt habe, nicht mit der AfD zu arbeiten und nichts in den Bundestag einzubringen, wofür er auf Stimmen der AfD angewiesen sei. "Was sind diese Worte jetzt noch wert?". Es dürfe nach der Bundestagswahl keine Mehrheit für CDU, CSU und AfD geben, "sonst droht uns eine schwarz-blaue Regierung in Deutschland."
Obwohl Friedrich Merz immer wieder beteuert, mit der AfD nicht zusammenzuarbeiten, hält Scholz es jetzt für möglich, dass der CDU-Vorsitzende eine Koalition mit der in weiten Teilen rechtsextremen AfD eingeht. "Nach Pro-forma-Koalitionsgesprächen" mit anderen Parteien könne dies passieren, sagte Scholz nun im "Zeit"-Podcast "Alles gesagt?". Auf die Frage, wann er das für denkbar halte, antwortete er: "Im Oktober zum Beispiel."
Dabei verwies er auf Österreich, wo aktuell die konservative ÖVP mit der rechtspopulistischen FPÖ über eine Koalition verhandelt – was die ÖVP noch vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen hatte: "Alle haben gesagt, sie würden nicht mit der FPÖ koalieren. Und dann kommt jetzt eben doch möglicherweise eine Koalition mit denen und sogar ein FPÖ-Kanzler", sagte Scholz.
Merz habe bereits einmal sein Versprechen gebrochen. Jenes, keinen Anträgen mit Stimmen der AfD zu einer Mehrheit zu verhelfen. Deshalb müsse er sich nun vorwerfen lassen, dass man ihm nicht trauen kann, sagte Scholz. Das sei eine wichtige Information für die Bürger:innen Deutschland, die Ende Februar entscheiden müssten, von wem sie regiert werden wollen:
Auf den Einwand, Merz habe ausgeschlossen, mit der AfD zu koalieren, sagte Scholz, erneut nach Österreich blickend: "Auch die ÖVP, also die konservative Partei, hat gesagt: kein Kickl als Kanzler, nicht die FPÖ als regierungsführende Partei, keine Koalition mit denen."