Den Empfang in Köln dürfte sich der türkische Präsident Erdogan anders vorgestellt haben. Denn statt in einem Schloss begrüßt ihn NRW-Regierungschef Laschet mit kritischen Worten in einem kleinen Zimmer am Flughafen.
Tausende Türken dagegen feierten Erdogan, der mehr Respekt für die türkische Justiz fordert und anklagt, dass "Hunderte, Tausende" von Terroristen in Deutschland frei herumliefen (Journalisten zum Beispiel). In seiner Rede zur Eröffnung der Ditib-Moschee äußerte sich Erdogan auch zu Mesut Özil und sprach im Zusammenhang mit dem Fall um den ehemaligen Nationalspieler von Rassismus.
Erdogans Staatsbesuch im Überblick:
Erdogan an der Ditib Moschee empfangen
Die Ditib-MoscheeBild: imago stock&people
Vor der Eröffnung der Ditib-Moschee fand ein Gespräch mit dem
nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU)
geplant. Für das Treffen, das ursprünglich auf Schloss Wahn
stattfinden sollte, musste eilig ein neuer Ort gefunden werden, weil
die Schlossbesitzer einen Empfang Erdogans aus politischer
Überzeugung abgelehnt hatten. Nun fand das Treffen auf dem
militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn statt – Laschet sparte dabei nicht mit Kritik.
Er habe in dem etwa einstündigen Gespräch am Flughafen Köln/Bonn Rechtsstaatlichkeit in der Türkei angemahnt, sagte Laschet. Die Beziehungen der beiden Länder seien aktuell "überschattet". Das betreffe vor allem Verhaftungswellen, die Presse- und Religionsfreiheit. Er habe daher bei Erdogan
"deutlich gemacht, dass wenn die Beziehungen sich normalisieren sollen in der Zukunft, wenn die wirtschaftlichen Beziehungen vertieft werden sollen, dass dafür Rechtsstaatlichkeit eine ganz wichtige Voraussetzung ist."
Und das sagte Erdogan in seiner Rede:
Zu Özil: "Er ist Türke." Und weiter: "Nur weil ich mit unserem Mesut und unserem Ilkay (Gündogan, Anm.) ein Foto gemacht habe, wurden sie von der Bevölkerung ausgegrenzt. Diese Ausgrenzung konnte ich als deren Präsident nicht akzeptieren". Erdogan sprach von Rassismus.
"Es war ein erfolgreicher Besuch".
Die Reise habe die deutsch-türkische Freundschaft vertieft.
Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe er "wichtige Themen ehrlich besprochen", unter anderem wirtschaftliche Investitionen und wie man "effektiv gegen Rassismus und Islamophobie ankämpfen" könne.
Gegen die Gülen-Bewegung solle weiter vorgegangen werden. Deren Anhänger dürften "keinen Unterschlupf finden", weder in Europa noch in den USA. Die türkische Führung macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.
Insgesamt forderte Erdogan einen "stärkeren Kampf" gegen den Terrorismus in Europa, auch gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK.
Bereits Stunden vor Erdogans Ankunft hatten Hunderte von Polizisten die Straßen rund um die Moschee abgesperrt und Anwohner ebenso wie Besucher streng kontrolliert.
Rund um die Moschee ist ein großer Sicherheitsbereich festgelegt
worden. Von der Ditib sei kein ausreichendes Sicherheitskonzept
vorgelegt worden, deshalb könne die geplante Außenveranstaltung nicht
stattfinden, hatte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker am
Freitagabend erklärt.
"Das ist sehr bedauerlich, aber eine unüberschaubare Menschenansammlung dürfen wir einfach nicht akzeptieren."
Henriette Reker
Die Ditib hatte auf Facebook zu der Veranstaltung eingeladen und mit
bis zu 25.000 Besuchern gerechnet. Neben der Moschee-Eröffnung sind
in Köln mehrere Kundgebungen angemeldet. Viele Tausend Anhänger und
Gegner Erdogans aus allen Teilen Deutschlands werden erwartet.
Mehrere Tausend Polizisten sind deshalb in Köln in Einsatz. In der
Großstadt herrscht die höchste Sicherheitsstufe.
Kontroverse um die Ditib
Die Kölner Zentralmoschee der Türkisch Islamischen Union Ditib – sie ist der Religionsbehörde Diyanet in Ankara direkt unterstellt – wird zwar schon seit einiger Zeit genutzt. Die offizielle Eröffnung hatte sich nach Streit der Ditib mit Architekten und einem Bauunternehmen aber immer wieder verzögert. Der größte Dachverband in Deutschland steht unter anderem wegen seiner großen Nähe zu Erdogan, Spitzelaffären einiger Ditib-Imame und zunehmender Abschottung in der Kritik.
An der Moschee-Eröffnung nahm der Ministerpräsident nicht teil. Weder Bund noch Land oder die Stadt Köln waren vertreten.
Polizei löste friedliche Samstagsmütter-Demo auf
Türkische Sicherheitskräfte haben am Samstag abermals eine friedliche Demonstration der sogenannten Samstagsmütter in Istanbul aufgelöst.
Die Samstagsmütter gehen seit mehr als 700 Wochen auf die Straße, hier Anfang September.Bild: AP
Auf Videos in sozialen Medien war Samstagvormittag zu sehen, wie Polizisten eine kleine Gruppe von Demonstranten umringten und Journalisten zurückdrängten. Auf der großen Istiklal-Einkaufsstraße fuhren Polizeipanzer auf. Dort haben die teils schon recht betagten Samstagsmütter und ihre Unterstützer bis Ende August mehr als 700 Wochen ungestört demonstriert und Gerechtigkeit für verschwundene Verwandte gefordert.
Auf Twitter richtete die Gruppe eine Botschaft an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Recep Tayyip Erdogan, der zu einem Staatsbesuch in Deutschland ist. Während die beiden in Berlin gemeinsam frühstückten, habe man ihnen Gewalt angetan. "Wir protestieren gegen die heuchlerische Politik von Merkel und Erdogan."
Wer sind die Samstagsmütter?
Die Samstagsmütter waren seit 1995 bis Ende August jeden Samstag auf den Galatasaray-Platz auf der Istiklal-Straße gekommen. Sie machten auf das Schicksal von in den 1980er und 90er Jahren verschleppten und verschwundenen Menschen, vor allem aus den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei, aufmerksam. Ende August hatte die Polizei die Samstagsveranstaltung zum ersten Mal aufgelöst. Sie hatten Tränengas und Plastikgeschosse auf die Teilnehmer gefeuert. Innenminister Süleyman Soylu rechtfertigte das international scharf kritisierte Vorgehen mit dem Argument, dass die Mütter von "der Terrororganisation" ausgenutzt würden. Gemeint ist die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei, der EU und den USA als Terrororganisation gilt.
In Deutschland wurde ebenfalls demonstriert
Bei einer der größten Kundgebungen gegen den Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln hatten sich am Samstagvormittag zunächst deutlich weniger Menschen versammelt als im Vorhinein vermutet. Statt der erwarteten 10.000 Teilnehmer kamen nach dpa-Schätzungen rund 2000 Menschen zusammen. Die Polizei hielt sich mit Angaben zu den Teilnehmerzahlen zurück.
Ein Protestschild in KölnBild: X00960
Unter dem Titel "Erdogan not welcome" hatten kurdische und linke Erdogan-Gegner zum Protest am Rheinufer aufgerufen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte am Freitag allerdings die Vorgabe der Polizei bestätigt, die Teilnehmer nicht wie von den Organisatoren gewünscht durch die Stadt ziehen zu lassen. Sie dürfen die Kundgebung auf der Deutzer Werft abhalten – weit weg von der Moschee-Eröffnung. Vor dem Hintergrund des Trubels in der Stadt sei eine Sicherung der Demo ansonsten nicht möglich.
So läuft Erdogans Staatsbesuch:
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan setzt am
Samstag seinen Staatsbesuch in Deutschland fort.
Am letzten Tag der Reise steht zunächst ein Frühstück mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dem Programm.
Danach reist Erdogan weiter nach Köln, wo er an der Eröffnung der Ditib-Zentralmoschee teilnehmen will.
Die geplante Veranstaltung vor der Moschee, zu der viele tausend Anhänger Erdogans erwartet wurden, wurde am Freitagabend kurzfristig aus Sicherheitsgründen untersagt.
Die Eröffnungszeremonie könne stattfinden, aber nur mit geladenen Gästen, erklärte die Stadt Köln.
Am Freitag war die Stimmung eher eisig
Zum Auftakt des Staatsbesuches hatte es am Freitag kaum Anzeichen für
eine Wiederannäherung im deutsch-türkischen Verhältnis gegeben.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundespräsident Frank-Walter
Steinmeier mahnten die Einhaltung der Pressefreiheit und der
Menschenrechte an. Merkel sprach von weiterhin "tiefgreifenden
Differenzen". Erdogan wies die deutschen Vorwürfe am Abend bei einem
Staatsbankett nochmals in aller Deutlichkeit zurück.
Steinmeier sagte am Abend in Schloss Bellevue:
"Ich sorge mich als Präsident dieses Landes um deutsche Staatsangehörige, die aus politischen Gründen in der Türkei inhaftiert sind."
Frank-Walter Steinmeier
Steinmeier (l.) und ErdoganBild: imago stock&people
Erdogan wich
daraufhin von seinem Redemanuskript ab. Er forderte nachdrücklich
Respekt für die türkische Justiz und damit für das
Auslieferungsersuchen für den in der Türkei verurteilten Journalisten
Can Dündar. "Hunderte, Tausende" von Terroristen liefen in
Deutschland frei herum, sagte Erdogan.
Hier kannst du die Ereignisse vom Freitag nachlesen:
"Sollen wir darüber etwa nicht sprechen? Sollen wir dazu nichts sagen?"
Recep Tayyip Erdogan
Dündar, ehemals Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet", war wegen eines Artikels zu Waffenlieferungen des
türkischen Geheimdiensts nach Syrien verurteilt worden und lebt in
Deutschland im Exil. Erdogan besteht auf der Auslieferung Dündars. "Eigentlich hätte ich an diesem Abend nicht über so etwas reden
wollen", sagte er in seiner Rede.
"Aber da der Herr Präsident das angesprochen hat, war ich gezwungen, darüber zu sprechen."
Recep Tayyip Erdogan
Trotzdem schien die türkische Seite zunächst nicht unzufrieden mit
dem Besuch. "Man war ehrlich zueinander. Ich denke, es ist ein
Fundament geschaffen worden, auf dem man vieles aufbauen kann", hieß
es am späten Abend aus dem Umfeld des Präsidenten. Auch türkische
Medien – die meisten auf Regierungslinie – berichteten wohlwollend.
"Merkel betont gemeinsame strategische Interessen mit der Türkei."
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