EU verbietet "Veggie-Wurst" – Grüne und SPD sprechen von Kulturkampf und Ablenkungsmanöver
Während auf der Welt zahlreiche geopolitische Krisenherde grassieren, spricht das EU-Parlament über die Wurst. Nach einem Votum am Mittwoch sollen künftig nur noch Produkte aus Fleisch Begriffe wie "Schnitzel", "Wurst" oder "Burger" tragen dürfen. Für pflanzliche Alternativen wären solche Namen tabu. So soll angebliche "Irreführung" vermieden werden.
355 Abgeordnete stimmten in Straßburg für die Änderung, 247 dagegen. Der Antrag kam aus der konservativen EVP-Fraktion, unterstützt von CDU, CSU und Teilen der Rechtsaußenfraktionen.
Die ganze Debatte darum wird von Kritiker:innen als Symbolpolitik gewertet, sowie als Angriff auf eine Branche, die längst mitten in der Gesellschaft angekommen ist.
Bevor das Verbot tatsächlich gilt, müssen noch die EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Doch schon jetzt sorgt die Entscheidung für Empörung – im Handel, bei Verbraucherschützer:innen und in der Politik.
Juso-Chef Türmer: Veggie-Verbot ist "besonders abstruser Kulturkampf"
Philipp Türmer, Bundesvorsitzender der Jusos und SPD-Europaabgeordneter, sieht in der Abstimmung ein Beispiel dafür, wie sich konservative Kräfte an Nebenschauplätzen abarbeiten. "Konservative führen hier mal wieder einen besonders abstrusen Kulturkampf. Nur weil sie es nicht schaffen, Kuh- und Hafermilch auseinanderzuhalten, sollen sie damit nicht 450 Millionen Menschen in der EU belästigen", sagte Türmer gegenüber watson.
Er fügte hinzu:
Für Türmer lenkt die Debatte vor allem von drängenderen Themen ab: "Wir hätten deutlich wichtigere Themen auf europäischer Ebene zu bearbeiten. Zum Beispiel, dass die Chatkontrolle verhindert werden muss!" Er findet, dass der Aufschrei "viel größer" sein sollte, "dass Konservative wieder einmal Bürger:innenrechte einschränken wollen und ihre Nase in unser aller Chatverläufe stecken wollen."
"Sprachpolizei": Grünen-Politiker Bloss kritisiert Friedrich Merz
Friedrich Merz hatte das Verbot verteidigt. "Eine Wurst ist eine Wurst. Wurst ist nicht vegan", sagte er in der ARD-Sendung "Caren Miosga". Kritik dafür kommt vom grünen Europaabgeordneten Michael Bloss: "Beim Thema Sprachpolizei ist der Kanzler ganz vorne mit dabei. Es gibt wirklich viel Wichtigeres als das 'Veggie-Wurst-Verbot' der Konservativen", sagte er zu watson.
Für ihn ist das Verbot ein "grober Unfug". Der Grünen-Politiker fordert, die Politik solle sich lieber um faire Bedingungen für die Landwirtschaft kümmern: "Dass Bäuerinnen und Bauern endlich verbindliche Verträge über Preise bekommen und nicht nur mündliche Zusagen. Darauf sollte sich die CDU konzentrieren. Stattdessen schmuggeln sie Sprachverbote in wichtige Gesetzestexte."
Er warnt davor, dass das Verbot "klima- und tierwohlbewusste Konsument:innen in die Irre" führe und europäische Unternehmen, "die pflanzliche Alternativen anbieten, auf die Verliererseite" stelle. Wer sich freiwillig für pflanzliche Produkte entscheide, solle das "tun können, ohne politische Gängelung".
Die ganze Debatte verdecke, dass diese Entwicklung Teil einer größeren Dynamik ist. "Denn solche Symboldebatten sind Ablenkungsmanöver."
Während konservative Kräfte über "Fantasieprobleme" bei Produktnamen reden, würden im Hintergrund die europäischen Klimaziele abgeschafft. "Das ist die eigentliche Täuschung – und sie trifft uns alle."