2021 ist Annalena Baerbock angetreten, um Kanzlerin zu werden. Die Grünen waren auf dem besten Weg, Volkspartei zu werden, mit Umfragen um die 20 Prozent. Dann kam der Einbruch.
Der berüchtigte Plagiatsjäger Stefan Weber deckte Unsauberkeiten bei Baerbocks kurz zuvor erschienenem Buch auf. Sie bestritt die Vorwürfe – räumte später aber den Fehler ein, kein Quellenverzeichnis erstellt zu haben. Fortan ging es im Wahlkampf nur noch um die Plagiatsvorwürfe, die Grünen stürzten in den Umfragen ab und mussten sich am Ende mit einem Ergebnis von 14,7 Prozent zufriedengeben.
Vier Jahre später stehen die Grünen mit Blick auf die Umfragen nicht besser da. Und Baerbock, die erste Außenministerin der Geschichte der Bundesrepublik, bestreitet ihre letzten Tage im Amt. Vier Jahre später, Ukraine und Gaza, russische Trolle und gefakte Nacktbilder, eine Scheidung und eine geplatzte Regierung liegen hinter ihr.
Im Podcast "G-Spot" von Model Stefanie Giesinger hat die scheidende Außenministerin nun über diese turbulente Zeit geredet, über ihren Weg in die Politik, die feministische Außenpolitik, die Doppelrolle als Mutter und Ministerin. Über MeToo und sexuelle Belästigung.
So erzählt Baerbock, wie sie das erste Mal selbst darüber nachgedacht hat, wann sie in ihrem Leben sexuell belästigt worden ist, als die MeToo-Debatte aufgekommen war. "Da ist mir eine Szene in den Sinn gekommen, die habe ich nicht einmal meiner Mutter erzählt", sagt Baerbock.
Sie habe auf dem Dorf gewohnt und sei immer mit dem Bus zur Schule gefahren, "da saß irgendwann ein Mann neben mir, ein älterer Herr, der anfing, seine Hand auf mein Bein zu legen. Ich habe das noch bildlich vor Augen, obwohl ich das eigentlich vergessen hatte."
Fünf Stationen habe sie gebraucht, um sich zu trauen, sich wegzusetzen, sei immer weiter weggerutscht, wollte eigentlich aussteigen, habe sich dann aber gedacht, dass sie zu spät zur Schule gekommen wäre. Das und "viele, viele andere Vorfälle" seien ihr erst in der MeToo-Debatte wieder ins Gedächtnis gekommen, sagt Baerbock.
In manchen Momenten sei es aber auch von Vorteil gewesen, eine Frau zu sein. Weil man als Frau immer noch häufig unterschätzt wird. "Play it smart", sagt Baerbock.
Als junge Bundestagsabgeordnete sei sie oft für eine Praktikantin gehalten worden. "In dem Moment hat mich das natürlich total geärgert, weil ich dachte, dass ein Mann anders angesehen worden wäre", erklärt sie.
Auf einer Reise mit dem Wirtschaftsausschuss nach Russland habe es sich durch Zufall so ergeben, dass sie allein mit dem Ausschussvorsitzenden Peter Ramsauer unterwegs gewesen ist. Dort seien unter anderem Vertreter des Erdgasförderunternehmens Gazprom gewesen.
Baerbock erinnert sich: "Hier passieren gerade lauter Dinge, bei denen es vielleicht ganz gut ist, dass man nicht weiß, dass ich die Abgeordnete der Grünen bin."
In manchen Momenten habe sie deswegen einfach nur dagesessen und zugehört. "Damit habe ich Erkenntnisse gewonnen, die mir Jahre später als Außenministerin so viel genutzt haben. Als Mann wäre es in so einer Situation vielleicht ganz anders gewesen."