Deutschland
13.09.2018, 10:4414.09.2018, 06:52
Die Groko ist in Aufruhr. Mal wieder. Wer durch die Parteien und Ministerien in Berlin telefoniert, der stößt auf Verwunderung. "Das wissen wir selbst nicht", heißt es dann. "Das müssen wir selbst in Erfahrung bringen".
Es geht um eine Meldung, nach der noch heute ein Krisentreffen in Berlin ansteht zwischen den Koalitionären SPD, CDU und CSU. Es geht um die Weitergabe von sensiblen Informationen des obersten deutschen Verfassungsschützers Hans-Georg Maaßen.
20:18 Uhr: AfD-Abgeordneter Brandner widerruft belastende Aussagen
Es war ein aufregender Tag in Berlin, selbst über das Ende der großen Koalition wurde spekuliert. Es ging um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner hatte im ARD-Magazin Kontraste über ein geheimes Treffen mit Maaßen berichtet und diesen dadurch wegen seiner Kontakte zur AfD weiter belastet. Am Abend dann eine teilweise Wende. Brandner, der auch Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestages ist, korrigierte seine Angaben in einem Detail zu möglichen Vorabinformationen zum Etat des Verfassungsschutzes . Dem Nachrichtenportal t-online.de teilte er mit:
"Über den Haushalt des Bundesamtes wurde – entgegen meinen gestrigen Äußerungen KONTRASTE gegenüber – nicht gesprochen, lediglich allgemein über die Arbeit des VerfSchutz. Anders war es im Gespräch mit dem ThürVerfSchutz, da ging es ums Personal."
Stephan Brandner, AfD, Bundestagsabgeordneter, Belastungszeuge gegen Hans-Georg Maaßen
Auf Nachfrage, warum er "Kontraste" gegenüber etwas anderes gesagt habe, schreibt er: "Es bezog sich auf den allgemeinen, öffentlichen Haushaltsansatz und meine übliche Frage, ob der ausreichend sei. Es wurde weder über einzelne Positionen, noch Stellen gesprochen."
Offen bleibt damit aber ein zentraler Punkt, nämlich die Frage, ob Maaßen den AfD-Mann Brandner vorab über Details aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 informierte. Unter anderem aus diesem Grund hatte die SPD die Entlassung von Maaßen gefordert.
17:07 Uhr: Krisentreffen im Kanzleramt beendet – neue Runde am Dienstag
Die Parteichefs der großen Koalition haben ihr Krisentreffen wegen des Streits um den Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, beendet.
SPD-Chefin Andrea Nahles und der CSU-Chef, Bundesinnenminister Horst Seehofer, verließen am Donnerstag nach etwa eineinhalb Stunden das Bundeskanzleramt. Ergebnisse der Beratung mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wurden zunächst nicht bekannt. Nach Informationen der Funke-Mediengruppe soll die Runde am Dienstag erneut zusammenkommen.
Die SPD fordert von Merkel, für Maaßens Ablösung zu sorgen. Auslöser waren dessen umstrittene Aussagen zu den Ereignissen in Chemnitz. Seehofer hat sich hinter Maaßen gestellt. In Koalitionskreisen wurde nicht ausgeschlossen, dass der Verfassungsschutz-Präsident am Ende selbst die Konsequenzen aus dem Wirbel um sich ziehen und sein Amt zur Verfügung stellen könnte.
Die SPD hatte sich am Mittwoch von der großen Koalition abgesetzt und nach Maaßens im Anhörung zusammen mit der Opposition von Linken und Grünen für eine Ablösung des Verfassungsschützers plädiert.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt twitterte zu der Verlängerung für Maaßen:
15:30 Uhr: Krisenrunde im Kanzleramt
Im Kanzleramt treffen die Spitzen von CDU, CSU und SPD zusammen, um über die Zukunft von Hans-Georg Maaßen zu beraten. Am Vorabend hatte Juso-Chef Kevin Kuehner im ZDF die Entlassung Maaßens gefordert oder mit dem Aus der Koalition gedroht. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hatte dies am Donnerstag wiederholt.
Der Generalsekretär macht auf Attacke
Die Stimmung in der SPD ist gedrückt. Nicht allein wegen der schlechten Umfragewerte. Auch die Strategie der Parteiführung um die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles und Vize-Kanzler Olaf Scholz wackelt: Sie wollten die Partei in der Regierung erneuern und durch eine starke Sozialpolitik das Thema Sicherheit besetzen und traditionelle Wähler zurückgewinnen.
Hallo, SPD? Wir hören nix!
Schon in der vergangenen Legislaturperiode war die SPD mit dieser Strategie gescheitert. Trotz Mindestlohns und Rentenpaket hatte die Partei 2017 ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis erzielt.
14:54 Uhr: SPD-Abgeordneter Post dringt auf Maaßens Rücktritt
Im ZDF drohte der Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post mit dem Bruch der Koalition, falls Maaßen nicht zurücktritt.
Maaßen und seine Kontakte zur AfD
Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat zurückgewiesen, dass er unrechtmäßig Informationen oder Unterlagen an einen AfD-Bundestagsabgeordneten weitergegeben habe.
"Das ist selbstverständlich nicht der Fall", teilte der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz am Donnerstag mit. Inhalt der auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministeriums geführten Gespräche mit Abgeordneten aller Bundestagsparteien sei regelmäßig die Information über die aktuelle Sicherheitslage etwa im Bereich des islamistischen Terrorismus.
Die 3 Problemzonen des Präsidenten
Die Forderungen der SPD
Die SPD-Spitze fordert nun von Kanzlerin Angela Merkel, dass sie für die Ablösung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sorgt.
"Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss. Merkel muss jetzt handeln."
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil
Damit droht direkt nach Ende der Sommerpause die nächste Zerreißprobe für die erst ein halbes Jahr amtierende Große Koalition. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte am Montag von Maaßen klare Belege für seine Aussagen in der "Bild"-Zeitung eingefordert:
"Sollte er dazu nicht in der Lage sein, dann ist er in seinem Amt nicht länger tragbar."
SPD-Chefin Andrea Nahles
Nach Recherchen des ARD-Magazins "Kontraste" soll Maaßen Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht 2017 bereits Wochen vor dessen Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben.
Dies habe der AfD-Politiker Stephan Brandner bestätigt, berichtet die ARD. Maaßen habe ihm bei einem persönlichen Treffen "Zahlen aus dem Verfassungsschutzbericht" genannt, der "noch nicht veröffentlicht" gewesen sei.
Der Streit über den Verfassungsschutzpräsidenten treibt weiter einen Keil in die große Koalition. Die SPD stellte sich am Donnerstag gemeinsam mit der Opposition gegen die Entscheidung von Innenminister Horst Seehofer (CSU), an Maaßen festzuhalten. Die SPD-Innenexpertin Eva Högl forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Bundestagsdebatte über den Haushalt des Innenministeriums auf, für Maaßens Entlassung zu sorgen.
Maaßen als Konfliktfall für die Groko
Merkel müsse für Klarheit sorgen: "Denn nirgendwo ist Vertrauen wichtiger als beim Verfassungsschutz." Zuvor hatte Seehofer Maaßen auch im Bundestagsplenum demonstrativ sein Vertrauen ausgesprochen. Der CDU-Innenexperte Mathias Middelberg stellte sich ebenfalls eindeutig hinter den Verfassungsschutzchef.
Maaßen war wegen umstrittener Äußerungen im Zusammenhang mit fremdenfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz in die Kritik geraten. Högl sagte, die SPD-Fraktion halte Maaßen "nicht mehr für den Richtigen an der Spitze des Verfassungsschutzes". Sie bat Seehofer, über seine Entscheidung nachzudenken.
Maaßen hatte in einem Interview gesagt, es lägen keine Belege dafür vor, dass ein im Internet kursierendes Video mit Angriffen auf Ausländer authentisch sei. Später relativierte er dies. Nach einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestags hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch Maaßen dennoch sein Vertrauen ausgesprochen.
Maaßen hatte auch Merkel widersprochen, wonach es Hetzjagden in Chemnitz gegeben habe. Zudem betrachtet die SPD ihn mit Argwohn, weil er sich mehrfach mit AfD-Vertretern getroffen hatte. In der SPD wird angezweifelt, ob er noch der richtige Mann an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes ist, gerade in Zeiten, wo es enorme Herausforderungen für die Demokratie und einen erstarkenden Rechtsextremismus gibt.
(sg/pbl/dpa)
"Das Zentrum ist gesäubert" – WhatsApp-Leak aus Chemnitz
Video: watson/Felix Huesmann, Lia Haubner
Anfang des Jahres führte Günther Felßner noch als Vorsitzender des Bayerischen Bauernverbands die Proteste der Landwirte gegen die Ampel-Regierung in Berlin an. Mit gelber Warnweste stand er an der Spitze von Traktor-Kolonnen und protestierte unter anderem gegen die Politik von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).