Wer in Deutschland links denkt, hat sein neues Feindbild in der Bundesegierung schon gefunden. Keine Woche arbeitet das Kabinett unter Angela Merkel, da hat es ihr Gesundheitsminister Jens Spahn schon zweimal die Schlagzeilen geschafft:
Die Reaktionen fielen heftig aus. Hunderttausende Unterschriften hat eine Petition gesammelt, die Jens Spahn zu einem Monat mit Hartz IV zwingen will. Kritik hagelt es von Kommentatoren, Parteien, Frauenrechtlerinnen und Verbänden. SPD-Vize Ralf Stegner sagte, Spahn bemühe sich, das konservative Profil seiner Parteien zu schärfen und schiene wohl „nicht ganz ausgelastet zu sein“ (Spiegel).
Dazu muss man wissen, Jens Spahn profiliert sich schon lange als konservativer Hardliner - jetzt geht es aber auch im Kabinett weiter. Wohin das führen könnte? Drei Szenarien:
Es ist eine Frage, die CDU-Wähler beschäftigt: „Wann werden Sie Bundeskanzler, Herr Spahn?“ möchte eine ältere Dame auf einem Bürgertreffen in Westfalen vom 37-Jährigen wissen ("WiWo"). Das war sogar noch vor der Bundestagswahl. Spahn antwortet damals jovial: „Das ist in der Politik nicht planbar“.
Dennoch scheinen seine Provokationen sehr geplant. In den vergangenen zwei Jahren kritisierte Spahn:
Um
ihren innenpolitischen Widersacher und rechten Kronprinzen zu zähmen, holte Angela Merkel Spahn ins
Kabinett.
Mit
seinem Ministeramt kann Spahn jetzt aber mehr, als nur politisch Enttäuschte abholen, wie Donald Trump und die AfD es tun.
Er kann seinen rechten Populismus mit einem Regierungsamt verbinden. Dazu gehören:
Je mehr Widerspruch Spahn erntet, desto besser. Der Fall Donald Trump hat es gezeigt: Wer ständig mit rechten Äußerungen in den Medien auftaucht, kann Wähler hinter sich bringen. Dreht sich so eine Spirale weiter, ist Spahn alles zuzutrauen. Gleichzeitig läuft der Gesundheitsminister in seinem eigenen Ressort nur wenig Gefahr, über politische Affären zu stolpern.
Wenn Angela Merkel geht, könnte Jens Spahn soviel öffentliche Unterstützung gesammelt haben, dass der CDU nicht viel anderes übrig bleiben wird, als ihn zum Kanzlerkandidaten aufzustellen.
Die Warnung von Annegret Kramp-Karrenbauer in Richtung Jens Spahn war deutlich:
Auch in Bezug auf die Debatte um die Strafbarkeit von Abtreibung und den Strafrechtsparagrafen 219a will Kramp-Karrenbauer demonstrativ vermitteln statt wie Spahn zu polarisieren.
Das ist wichtig, denn auf diese Weise degradiert AKK ihren Konkurrenten Spahn. Sie gilt als Merkel-Nachfolgerin und wird dem rechten Flügel der Partei nicht einfach so das Feld überlassen.
Kramp-Karrenbauer kommt als Wahlgewinnerin aus dem Saarland; sie gab den Posten der Landesministerin auf, um ihrer Partei als Generalsekretärin zu dienen. Bei ihrer Wahl bekam sie knapp 99 Prozent der Deligierten-Stimmen. Das ist historisch.
Sie wird zur Stimme in der konservativen Öffentlichkeit werden, die gegen Spahn steht. Gegen Ende der Ära von Angela Merkel könnte ein lange bestehender Flügelkampf in der Union ausbrechen. Mit einer gemäßigt konservativen AKK auf der einen und einem Hardliner Jens Spahn auf der anderen Seite.
Jens Spahn kann provozieren. Aber er kann auch zurückrudern.
Wer den CDU-Politiker in den vergangenen Jahren beobachtet hat, hat auch einen
Spahn erlebt, der es versteht, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Spahn ist jung und kann auf Zeit spielen:
Mit einer guten Basis bei den Rechtsaußen-Wählern und mit einer guten Reputation bei der gemäßigteren Basis hat Spahn in acht Jahren vielleicht noch bessere Chancen.
Genug Arbeit gibt es bis dahin. Der Pflegenotstand und die Situation an Krankenhäusern macht Bürgern im ganzen Land zu schaffen. Wenn Spahn diese Baustellen anpacken kann, dann hat er gleich doppelt gepunktet und kann auf das leidige Rennen in der „Merkel-Folge“ verzichten.