Dass die Grünen bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen nicht gerade um den ersten oder zweiten Platz mitspielen würden, war schon vorher zu erwarten. Generell ist bei solchen Wahlen das Gesamtergebnis weniger wichtig als das einzelne Abschneiden vor Ort.
Und doch ist klar, dass der Abstieg von 20 Prozent bei der Wahl 2020 auf jetzt 13,5 Prozent auch bedeutet, dass die Partei in vielen Stadträten und anderen kommunalen Parlamenten in NRW bald nur noch mit deutlich weniger Sitzen vertreten sein wird. Außerdem hat das landesweite Ergebnis einen symbolischen Wert – auch die nur etwa 13 Prozent, die bei Wähler:innen zwischen 16 und 24 Jahren erzielt wurden.
Doch woran lag es, dass die Partei erneut nicht bei den ihnen jahrelang so wohlgesonnen Jungwähler:innen punkten konnten?
Die Grüne Jugend, Jugendorganisation der Partei, sieht die Schuld auch in den eigenen Reihen, wie verschiedene Sprecher:innen gegenüber watson erklärten.
Die Grüne Jugend fordert eine klarere Fokussierung auf junge Themen, wie gleich mehrere Mitglieder nach den Kommunalwahlen erklären. Besonders das Thema soziale Gerechtigkeit spielt dabei eine Rolle.
Luis Bobga, der nach seiner zuletzt öffentlich gemachten Kandidatur als voraussichtlich künftiger Bundesvorsitzender der Grünen Jugend gilt, findet deutliche Worte:
Als Beispiel nennt er die steigenden Kosten für WG-Zimmer und die fehlende Unterstützung für einen bundesweiten Mietendeckel in der Partei. "Wenn die Grünen es nicht schaffen, den Mut für linke Politik aufzubringen, dann wird man auch bundesweit bei solchen Zahlen verharren", befürchtet Bobga, der selbst aus NRW stammt.
Die Landessprecher:innen der Grünen Jugend NRW, Aslı Baskas und Björn Maue, betonen hingegen, "wie schwer kommunalpolitisches Handeln durch die strukturelle Unterfinanzierung der Städte und Gemeinden geworden ist". Diese Unterfinanzierung sei auch ein Grund, warum die AfD auf lokaler Ebene erstarken könne: "Wenn das Geld fehlt, um die Probleme hier anzugehen, ist es klar, dass Rechtsextreme leichtes Spiel haben."
Baskas und Maue bezeichnen die Kommunalwahlen in NRW somit auch als "ein Signal an die Bundesebene", um sich für eine bessere Unterstützung der Kommunen einzusetzen.
Timon Dzienus, Bundesabgeordneter der Grünen und ehemaliger Bundessprecher der Grünen Jugend, "schmerzen die eigenen Verluste und auch das Erstarken der gesichert rechtsextremistischen AfD", wie er watson erklärte.
Gleichzeitig betont er, dass soziale Unsicherheit ein zentraler Faktor sei, der Menschen in die Arme extremer Parteien treibe. Die Kommunalwahl zeige, "dass wir mehr soziale Sicherheit brauchen und keinen Abbau des Sozialstaats".
Dzienus fordert, dass die Grünen stärker für soziale Themen kämpfen: "Mieten runter, Löhne rauf. Demokratie muss sich für Menschen lohnen, und das spürt man am schnellsten im eigenen Alltag."
Als positives Beispiel nannte er Berivan Aymaz, die bei der Wahl zur Oberbürgermeisterin Kölns mit 28,1 Prozent klar vor SPD-Kandidat Torsten Burmester lag. Die beiden gehen nun in eine Stichwahl. Aymaz Erfolg zeige, so Dzienus, "dass es belohnt wird, für ein bezahlbares und gutes Leben einzustehen".
Abschließend wünscht er sich von seiner Partei, dass die Grünen "mutig, laut und links" sein müssen und mit ihrer Politik "junge und migrantisierte Menschen adressieren".
Die Botschaft der Grünen Jugend ist damit klar: Ohne eine stärkere Fokussierung auf soziale Gerechtigkeit und junge linke Politik droht die Partei, gerade bei Jungwähler:innen weiter an Rückhalt zu verlieren.