Geht es um Migration, drehen Politiker:innen frei. Drittstaatenregelungen, Aufnahmelager, Frontex, Zurückweisungen, Grenzkontrollen, alles "Lösungsansätze", die selbst mit viel Wohlwollen kaum mit den Genfer Flüchtlingskonventionen harmonieren. Darauf weisen Aktivist:innen, Journalist:innen und Jurist:innen regelmäßig hin.
EU-Staaten arbeiten stets an Wegen, Asylsuchende auf Distanz zu halten. So auch in Kopenhagen. Dort kamen die Innenminister:innen zu einem internationalen Stell-dich-ein zusammen, um über Abschottungsmaßnahmen zu sprechen.
Kernthema war eine Veränderung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Das soll 2026 eingeführt werden und umfasst unter anderem Drittstaatenregelungen, beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und eine Migrationsdatenbank. Ziel der Veränderungen ist aber nicht die Aufbesserung im Sinne humanitärer Standards.
"Es geht darum, die allerletzten Schutzmechanismen, die im GEAS verankert sind, zu kippen", sagt Migrationsforscherin Valeria Hänsel zu watson. Sie ist Referentin für Flucht und Migration bei der Menschenrechtsorganisation Medico.
Einer dieser Schutzmechanismen ist das Verbot von Willkürabschiebungen. "Noch ist es nicht rechtens, Menschen einfach in Staaten abzuschieben, zu denen sie keinerlei Bezug haben."
Die EU-Kommission hatte bereits im Mai vorgeschlagen, diese Regel zu kippen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt schloss sich dem bei der Konferenz in Kopenhagen an. Doch nur unter der Bedingung eines EU-weiten, gemeinsamen Vorgehens. "Dobrindt befindet sich gegenwärtig auf einem Zerstörungskurs der regelbasierten Europäischen Union", sagt Hänsel.
Verwunderlich ist das für sie nicht. Die rechtswidrigen Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hätten längst ein Signal gesetzt. Und zwar, dass eines der einflussreichsten deutschen Länder bereit sei, Europarecht und Völkerrecht zu brechen. "Weitere Regierungen fühlen sich dadurch animiert, ebenfalls das Asylrecht auszusetzen."
Das spiegelt sich auch in abermals formulierten Idee sogenannter "Return Hubs" wider. Dabei handelt es sich um Abschiebelager in Drittstaaten. Eigentlich ein alter Hut. Geplant waren welche in Ruanda, in Albanien und Libyen. Eine Umsetzung hat bisher nicht geklappt. Es scheiterte an Kosten, Gerichten und Komplexität.
"Leider wird es die rechtsgerichteten Kräfte der EU kaum davon abhalten, weiter hochgerüstete und menschenunwürdige Abschiebelager zu bauen, selbst, wenn die Abschiebungen daraus nicht funktionieren." Für Hänsel ist das Vorhaben ein Kniefall vor den Rechtsaußen-Politiker:innen, die etwa in Italien und Ungarn in Regierungsverantwortung stehen.
Was bleibt also zur Konferenz der EU-Innenminister:innen zu sagen? Liberale Positionen finden kaum noch Platz, Menschenrechte verlieren ihre universale Gültigkeit und die Flüchtlingskonventionen werden weiter ausgehöhlt.
Das verdeutlichte auch Frankreichs Innenminister Bruno Retailleau, als er forderte, härter gegen Asylbewerber:innen ohne gültigen Pass vorzugehen. Behörden sollen seiner Meinung nach etwa ihre Handys sicherstellen und durchschauen dürfen.
Beschlüsse aus der Konferenz müssen aber ohnehin dann verschiedene Instanzen durchlaufen, bis sie umgesetzt werden. Ganz unrealistisch dürfte das nach aktuellem Stand aber nicht sein. Ist das Fall, wäre das fatal.
"Mit Riesenschritten bewegt sich Europa dann weiter weg von einer einst als politisch liberal gedachten Europäischen Union hin zum autoritären und rechten Konzept des Europas der Nationen", sagt Hänsel. Das Selbstverständnis eines wertebasierten Bündnisses stünde damit weiter auf der Kippe. Wobei sich hier die Frage aufdrängt, um was für Werte es sich genau handelt.