Uneitel, unaufgeregt, sachlich, schlicht. Mit Adjektiven wie diesen beschreiben Bundestagsabgeordnete die scheidende Kanzlerin. Zum Abschied hat watson nachgefragt, was die Politikerinnen und Politiker an Angela Merkel vermissen werden.
Das sind ihre Antworten:
"Angela Merkel hat Deutschland als erste Bundeskanzlerin 16 Jahre lang geprägt. Sie hat stets Politik mit großer Ernsthaftigkeit gemacht und sich damit viel Vertrauen in der Bevölkerung erarbeitet.
An Frau Merkel schätze ich ihren wunderbar trockenen Humor und ihren Pragmatismus."
"Ihre unaufgeregte Art hat unserer Demokratie gutgetan, gerade in einer Zeit, in der Populisten im In- und Ausland stärker wurden."
"Frauen in der ersten Reihe der Politik – das ist auch heute noch nicht selbstverständlich. Allein die Tatsache einer weiblichen Kanzlerin hat da nach 16 Jahren vielleicht zu einem Bewusstseinswandel beigetragen. Und sei es allein, weil gerade jüngere Menschen es gar nicht anders kennen, als dass eine Frau das Spitzenamt bekleidet.
Gerade weil es nicht selbstverständlich ist, gibt es eine sehr menschliche Empathie füreinander, die ich insbesondere bei Angela Merkel sehr schätze.
Ein Beispiel: Als 2005 die Union stärkste Kraft wurde und die rot-grüne Regierung zu Ende ging, stellte sich auch die Grüne Bundestagsfraktion neu auf.
Ich wäre damals sehr gern Fraktionsvorsitzende geblieben, verlor die Wahl aber gegen Renate Künast und Fritz Kuhn. Ich hatte mich geärgert, wohl am meisten über mich selbst und war bereit, ein neues Kapitel aufzuschlagen und der Politik den Rücken zu kehren. Ich hatte ein sehr gutes Angebot, außerhalb der Politik, Leitung einer Akademie, und war schon in Gesprächen.
In dieser Phase aus Wandel, Ärger, Besinnung und Neuorientierung erhielt ich eines Tages eine SMS von Angela Merkel – sie war ja damals schon fast berühmt für ihre SMS-Nutzung – in der sie sinngemäß sagte: "Sie steigen doch jetzt hoffentlich nicht aus der Politik aus. Sie werden noch gebraucht."
Das war direkt, empathisch und sehr persönlich und hat dadurch etwas bewegt, meine Entscheidung beeinflusst. Später fragte ich sie mal nach dieser SMS und sie kommentierte nur: "Ich hatte so ein Gefühl, ich sollte das mal sagen."
Diese Empathie, dieses menschliche Füreinander, selbst wenn man nicht auf der gleichen Seite spielt – ich hoffe, das ist etwas, das bleibt."
"Nach Angela Merkel werde ich eine ostdeutsche, uneitle, materiell nicht interessierte Frau als Regierungschefin vermissen. Andererseits hoffe ich auf mehr Inhalt."
"Mit Angela Merkel verliert Deutschland eine Kanzlerin mit der Fähigkeit, ihre Positionen auf gesellschaftlichen Stimmungen anzupassen; beispielhaft hierfür steht der Atomausstieg.
Persönlich werde ich eine CDU-Politikerin vermissen, die erfolgreich den Anschein vermieden hat, es ginge in der Politik zuvorderst um die persönliche Bereicherung – eine Eigenschaft, die sie von vielen ihrer Parteifreundinnen und -freunden unterscheidet."
"Was Deutschland an ihr vermissen wird, wage ich nicht zu beurteilen. Für mich persönlich kann ich sagen: Wenn es etwas gibt, das ich vermissen würde, dann ihre Zuverlässigkeit im unmittelbaren Kontakt.
Grundsätzlich denke ich aber, dass es jetzt mit einem neuen Kanzler an der Zeit für einen wirklichen Aufbruch in Europa ist."
"Besonders werde ich Angela Merkels extrem tiefgründigen und trockenen Humor vermissen, der sogar in ihren SMS Einklang fand und ihre bescheidene Art.
Aber mir bleiben viele Eigenschaften von Angela Merkel in guter Erinnerung: Sie ist nicht nur bereit, Argumente anzuhören, sondern auch zu berücksichtigen; sie will die Themen bis ins letzte Detail verstehen; und sie ist sehr verlässlich, weit über das Politikgeschäft hinaus."
"Ihre unaufgeregte Art, auch auf die polemischsten Fragen cool zu reagieren und Regierungschefs, mit stark machistischer Attitüde, geradezu amüsiert an sich abtropfen zu lassen.”
"Wenn jemand fast 16 Jahre als Kanzlerin im Amt ist, ist es selbstverständlich, dass ein Gewöhnungseffekt eingetreten ist. Für die Jugendlichen ist sie die einzige Regierungschefin, die sie bislang erlebt haben.
Ich werde Frau Merkel nicht vermissen. Ihre Amtszeit ist mit eklatanten Fehlentscheidungen und Rechtsbrüchen verbunden. Die vertragswidrige Euro-Rettung, die verheerende Grenzöffnung 2015, die katastrophale Energie- und Autowende sowie die völlig überzogenen Freiheitseinschränkungen in der Lockdown-Krise."