"Viele junge Menschen kennen keine andere Bundeskanzlerin als Angela Merkel. Trotz aller politischer Differenzen habe ich viel Respekt für ihre Arbeit und die sachliche und unaufgeregte Art, mit der sie unser Land 16 Jahre lang regiert hat.
Ich hatte das Privileg, die Kanzlerin bei den Jamaika Sondierungen vor vier Jahren auch im kleinen Kreis zu erleben. Neben ihrem immensen Wissen und echtem Pokerface hat Angela Merkel aber auch einen coolen, sehr trockenen Humor.
Richtig und ehrlich fand ich ihre Kurskorrektur angesichts der Atomkatastrophe in Fukushima und die Rückkehr zum Atomausstieg. Besonders stark auch, als sie in der Pandemie mit den ideologischen Dogmen ihrer Partei in der Europapolitik gebrochen hat und gemeinsam mit Emmanuel Macron einen großen Wiederaufbaufond ermöglicht hat.
Während ihrer Kanzlerinnenschaft wurden zugleich verantwortungslose Rüstungsexporte in Rekordhöhe an Diktaturen und in Krisengebiete genehmigt und gerade das Desaster im Umgang mit Afghanistan und den Ortskräften haben ihre Bilanz für mich auch sehr getrübt. Angela Merkel hat selbst eingeräumt, dass sie nicht genug für den Klimaschutz getan hat. In diesen 16 Jahren sind viele wichtige Fragen zu lange liegen geblieben, das hat aber auch viel mit der Union und SPD zu tun."
"Der sachliche Stil hat die Jahre ihrer Amtszeit geprägt. Das wird in der sonst häufig Testosteron geladenen Politik-Arena fehlen.
Sie hat darüber hinaus jedoch geradezu vermieden, offen und aktiv eine politische Idee zu vertreten und damit in der Folge eben auch zu polarisieren. Dennoch oder gerade deswegen ist die Gesellschaft heute so polarisiert wie selten zuvor."
"Es war bewundernswert, wie sie als Frau vermeintlich starken Männern und Autokraten ihre Grenzen aufgezeigt hat."
"Ich werde die unprätentiöse und uneitle Art von Angela Merkel vermissen. In der Politik tummeln sich viele sehr eitle Menschen. Angela Merkel hat Politik gemacht – ohne viel Aufsehens um ihre Person.
Davon könnten sich manch andere eine ordentliche Schnitte abschneiden. Außerdem wird mir ihr trockener Humor fehlen."
"Was Deutschland an Angela Merkel vermissen wird, hängt auch maßgeblich davon ab, wie ihr Nachfolger/ihre Nachfolgerin das Amt ausführen und ausfüllen wird.
Ich selbst werde ihre ruhige, zurückhaltende, bescheidene Art vermissen, die aus meiner Sicht auch wesentlich dazu beigetragen hat, dass ein sehr hoher gesellschaftlicher Anteil großes Vertrauen in sie als Person und als Kanzlerin hatte."
"Angela Merkel war immer ein Garant dafür, dass ihre eigene Partei, die CDU, die AfD nicht rechtsaußen überholt. Ohne sie hätte so manch ein CDU-Landesverband eine Koalition mit der AfD ernsthaft in Erwägung gezogen.
Dafür bin ich ihr persönlich dankbar, und unserer Demokratie hat sie damit einen großen Gefallen getan."
"Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, war ich gerade erstmals in den Bundestag gewählt worden. Als grüner Bundestagsabgeordneter habe ich Merkels Kanzlerschaft aus der Opposition heraus kritisch begleitet.
Ihren Politikstil empfinde ich als ambivalent: Einerseits habe ich Respekt für ihren nüchternen, sachlichen und wissenschaftsbasierten Regierungsstil, andererseits hat ihr Stil politische Diskurskultur eingeschläfert, Agilität gedrosselt und unserem Land nicht immer gutgetan: Durch Abwarten, Reagieren und auf Sicht-Fahren statt beherztem, vorsorgendem und pro-aktivem Handeln stehen wir im Inland vor einem gewaltigen Modernisierungsstau, vor allem bei Klimaschutz, Digitalisierung und sozialer Spaltung.
Die neue Bundesregierung wird diesen Reformstau auflösen, viel nachholen und erneuern müssen – ähnlich wie es am Ende der ebenso langen Ära Kohl 1998 gewesen ist. Gerade auf dem internationalen Paket hinterlässt Merkel eine Lücke, ihre – gerade auch im Vergleich zu vielen anderen Staatschef*innen – besonnene, abwägende Art werden wir vermissen."
"Dass sie das Wort 'Kanzlerinnenamt' mit Leben gefüllt hat."
"Ich habe Bundeskanzlerin Angela Merkel fachlich als sehr stark wahrgenommen – im Gegensatz zu ihren Ministern.
Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich im Bereich Klimapolitik genauso durchgesetzt hätte, wie sie es in der Flüchtlingspolitik 2015 getan hat."
"Angela Merkel hat das Amt der Bundeskanzlerin mit ihrem naturwissenschaftlichen Sachverstand, ihrer Intelligenz und ihrer Uneitelkeit geprägt."
"In der Sache hat Angela Merkel wenig bewegt. Ihre Koalitionen waren Stillstandskoalitionen, die keine der großen Herausforderungen wie die Klimakrise oder die langfristige Sicherung der Sozialversicherungen angepackt haben.
Ich schätze sie aber als überzeugte Europäerin, für ihre liberale Grundhaltung und weil sie sich als standhaft gegenüber beispielsweise antieuropäischem Populismus gezeigt hat.
Was man an ihren Charakterstärken vermissen wird, das werden wir womöglich erst spüren, wenn ein neuer Kanzler im Amt ist. Doch eines ist sicher: Ihr Nachfolger wird eine Koalition führen, die vieles wird nachholen müssen, was unter Angela Merkel nicht angepackt wurde."
"Was wir oder ich vermissen werden, lässt sich erst in der Zukunft sagen.
Aber an Frau Merkel habe ich immer geschätzt, dass sie sich stets auf den sachlichen Kern von Problemen und Debatten fokussiert und versucht entsprechende Lösungen zu finden."