Krieg bedeutet unweigerlich Tod. Auch im Ukraine-Krieg sterben sinnloserweise Tausende Menschen und Soldaten infolge der Kampfhandlungen. Obwohl es grotesk anmutet, gibt es genaue Regeln dazu, welche Arten von Tötungen im Krieg im rechtlichen Rahmen liegen und welche als Kriegsverbrechen gelten.
Russland hat einige der wichtigsten internationalen Abkommen zum Kriegsrecht – etwa die Genfer Konvention und das Haager Abkommen – unterzeichnet und müsste sich dementsprechend auch daran halten. Seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 wurden jedoch bereits zahlreiche mutmaßliche Kriegsverbrechen durch Russland dokumentiert.
Dazu gehören gezielte Bombardierungen von Wohngebieten, Krankenhäusern oder Schulen sowie Vergewaltigung, Massenhinrichtungen und Folter von Zivilist:innen in besetzten Gebieten, vor allem in Butscha und anderen Kiewer Vororten.
Auch die Tötung von Kriegsgefangenen oder Soldaten, die sich bereits ergeben haben, ist strikt verboten. Dies gilt als schwerer Verstoß gegen das internationale Kriegsrecht. Ein online zirkulierendes Video aber soll genau das zeigen. Der Mann sei in der ukrainischen Region Donezk getötet worden, als er vollkommen wehrlos war.
Wie die Generalstaatsanwaltschaft auf seinem Telegram-Kanal mitteilt, läuft bereits eine Untersuchung wegen des Videos. Der Clip zeigt demnach angeblich die Ermordung eines verwundeten Kriegsgefangenen. Es soll auf mehreren Telegram-Kanälen verbreitet worden sein. Die Staatsanwaltschaft schreibt dazu in der Erklärung:
Die Ermittlungen werden aktuell auf der Grundlage des ukrainischen Kriegsrechts von der Regionalstaatsanwaltschaft durchgeführt. Die Behörde stellt auch klar, dass die Ermordung eines Kriegsgefangenen auch international als schweres Verbrechen eingestuft wird.
Auch Dmitry Lubinets, Kommissar für Menschenrechte der Werchowna Rada der Ukraine, äußerte sich laut dem unabhängigen russischen Medium "Meduza" zum aufgetauchten Video.
Er werde das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und die UN über den Vorfall informieren: "Dies ist ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen, das humanitäre Völkerrecht sowie die Gesetze und Gebräuche des Krieges. Wenn Sie darauf nicht reagieren, werden sich die Straftaten wiederholen. Das ungestrafte Böse kehrt immer wieder zurück."
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der russische Machthaber Wladimir Putin derzeit zwar angeklagt werden kann. Dass er aber hinter Gittern landet, ist zumindest zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Schließlich müsste er dafür erst vor Gericht erscheinen und verurteilt werden.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, etwa der Verschleppung von ukrainischen Kindern, bereits einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten erlassen.
Diesen kann die Behörde nicht selbst vollstrecken, das müsste durch einen Staat geschehen, der Vertragspartner des IStGH ist. Putin – so viel ist klar – wird sich nicht freiwillig stellen. Allerdings könnte sich die Situation für Putin in der Zukunft ändern.
Wie Thorsten Bonacker, Professor für Friedens- und Konfliktforschung in einem früheren Interview mit watson erklärte, müssen diejenigen, die völkerrechtswidrig handeln, zur Rechenschaft gezogen werden. Das sei in der Vergangenheit schon häufig geschehen.
Werden Kriegsverbrecher nicht bestraft, könnte sich in der Weltpolitik Stück für Stück das Recht des Stärkeren statt eine geregelte Friedensordnung durchsetzen.
Viele verschiedene Akteure dokumentieren aus diesem Grund fein säuberlich mögliche russische Kriegsverbrechen. Darunter NGOs wie das staatlich finanzierte Rafael-Lemkin-Zentrum in Polen, das extra für diese Aufgabe gegründet wurde. Sie wollen dafür sorgen, dass es später nicht an Beweisen für Verurteilungen mangelt.