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RSF benutzt sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe im Sudan

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Die RSF verwendet sexualisierte Gewalt laut Amnesty International als Kriegswaffe.Bild: dpa / Eva-Maria Krafczyk
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"Alle vergewaltigt" – im Sudan leiden die Frauen am meisten unter dem Krieg

Im Sudan herrscht Bürgerkrieg. Mit besonders schweren Folgen für Frauen und Mädchen. Sexualisierte Gewalt ist für sie Alltag, wie ein neuster Bericht von Amnesty International aufzeigt.
13.04.2025, 15:0013.04.2025, 15:00
Lena Schibli / watson.ch
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Seit zwei Jahren tobt im Sudan ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den regulären Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Kräften der Rapid Support Forces (RSF). Besonders gravierend ist die Situation für Frauen und Mädchen: Sie sind Opfer von Vergewaltigungen, Versklavung, sexueller Ausbeutung, Zwangsverheiratungen. Die Täter: Truppen der RSF.

Im Sudan herrscht systematische sexualisierte Gewalt, sagt Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation dokumentiert in einem neuen Bericht das Schicksal von 36 sudanesischen Mädchen und Frauen.

Triggerwarnung
In diesem Text wird sexualisierte Gewalt thematisiert. Explizite Beschreibungen von Vergewaltigungen und Gewalt kommen vor. Sie können verstörend wirken.

30 Tage lang Sklavin

Der Bericht zeigt auf, wie die RSF Frauen in Khartum der sexuellen Sklaverei unterwarf, indem sie sie mehrere Tage lang – in einigen Fällen auch mehr als 30 Tage – in willkürlich ausgewählten Häusern in der Nähe von Kontrollpunkten der RSF festhielt.

So auch "Mariam" (Name geändert), eine 34-jährige Mutter von fünf Kindern. Im Mai 2023 hielten sie RSF-Truppen 30 Tage lang in einem Haus gefangen. RSF-Soldaten vergewaltigten sie fast täglich. Wenn "Mariam" sich wehren wollte, folterten die RSF-Soldaten sie mit heißer Flüssigkeit und scharfen Klingen.

Im Haus fand "Mariam" weitere drei Mädchen, die sich nicht bewegen konnten. Die RSF-Soldaten vergewaltigten sie regelmäßig, sodass sie Gehbehinderungen entwickelten.

"Sie haben uns alle vergewaltigt"

"Suhair" erzählt gegenüber Amnesty, wie RSF-Soldaten ihr das Baby beim Stillen von der Brust gerissen haben, ihr Kind auf den Boden geworfen haben und ihr anschließend ein Messer in den Rücken rammten. Anschließend vergewaltigte ein RSF-Soldat sie vor den Augen ihrer drei Kinder.

Ende Dezember 2023 vergewaltigte ein RSF-Soldat "Amina", eine 32-jährige Mutter von sechs Kindern. Als ihr 11-jähriger Sohn versuchte, seiner Mutter zu helfen, verprügelte der RSF-Soldat den Jungen. Amina erzählt im Bericht:

"Mein Sohn Mohamed schrie sie an: 'Lasst meine Mutter in Ruhe, lasst endlich meine Mutter in Ruhe!'"
Amina über ihren Sohn

Mohamed starb 17 Tage später an seinen Verletzungen. "Amina" wurde nach der Vergewaltigung schwanger.

Ihr Mann verließ sie deswegen. Sie schäme sich, ihren Kindern die Situation zu erklären. "Amina" sagte: "Ich kann meiner Familie nicht sagen, wer dieses Kind ist. Es ist eine riesige Schande für mich. Die RSF hat mein Leben zerrüttet."

Was alle Schilderungen der Frauen gemeinsam haben: Jede Frau, die versuchte, sich gegen die Vergewaltigung zu wehren, riskierte Schläge, Folter oder gar ihr Leben.

Willkürlicher Verdacht auf Spionage

Die RSF-Soldaten vergewaltigten die Frauen oftmals mit der Begründung, den sudanesischen Streitkräften nahezustehen. Einigen Frauen warfen sie vor, dass sie Spioninnen der SAF seien.

Weibliche medizinische Fachkräfte geben an, dass die RSF-Truppen sie vergewaltigten, wenn sie zum Beispiel verwundete RSF-Soldaten nicht retten konnten.

So auch die Krankenschwester "Batul": 13 Soldaten entführten "Batul" in ein Krankenhaus in Khartum Nord und zwangen sie, schwer verletzte Männer zu behandeln. Anschließend vergewaltigte eine ganze Gruppe von Soldaten "Batul", bis sie bewusstlos war. 45 Tage lang hielten sie die Soldaten im Krankenhaus fest. In einem anderen Fall erschoss die RSF eine Ärztin, die sich der Vergewaltigung widersetzte.

Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe

Amnesty International spricht in dem Bericht von "unvorstellbarer Grausamkeit" seitens der RSF. Diese greife gezielt Frauen und Mädchen an, um Gemeinschaften zu zerstören und die Bevölkerung zu demütigen. Diese Praktiken seien nicht nur Teil eines brutalen Kriegs, sondern auch eine Methode, um die moralische und soziale Struktur der betroffenen Regionen zu zerschlagen, so Amnesty International.

Die RSF verwende sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe.

Besonders alarmierend sei, dass viele dieser Verbrechen öffentlich begangen würden – sowohl in Anwesenheit von Zivilisten als auch anderer Soldaten. Dies lege nahe, dass die Täter keine Angst vor Strafverfolgung oder Reaktionen hätten.

Die Auswirkungen der sexualisierten Gewalt sind verheerend, wie der Bericht unmissverständlich klarmacht. Die betroffenen Frauen und Mädchen erleiden nicht nur körperliche und psychische Traumata. Sie müssen oft auch mit dem Stigma und der sozialen Ausgrenzung umgehen, die mit sexueller Gewalt verbunden sind. In vielen Fällen berichten Überlebende, dass sie gezwungen waren, aus ihren Heimatorten zu fliehen, um den RSF-Truppen zu entkommen.

Kritik an der internationalen Gemeinschaft

Amnesty fordert von der internationalen Gemeinschaft, konsequente Maßnahmen zu ergreifen, um die RSF und ihre Führung zur Rechenschaft zu ziehen:

"Die Welt muss handeln, um die Gräueltaten der RSF zu stoppen, indem sie die Waffenlieferungen in den Sudan stoppt und Druck auf die Führung ausübt [...]."
Deprose Muchena, Amnesty International

Denn die Taten der RSF, darunter Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen und Versklavung, stellen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

Herausforderung der humanitären Hilfe

Was die Situation für die Opfer verschärft, ist die grundsätzlich prekäre humanitäre Lage im Land. 80 Prozent der Gesundheitsinfrastruktur sind durch die Konflikte zerstört. Hinzu kommt, dass viele Überlebende aufgrund der anhaltenden Kämpfe keine medizinische Hilfe in Anspruch nehmen oder die Verbrechen anzeigen.

Im April 2023 brach der sudanesische Bürgerkrieg zwischen den RSF und den sudanesischen Streitkräften (SAF) aus, in dessen Verlauf Zehntausende getötet wurden. Beide Seiten begehen schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Von einer Bevölkerung von 50 Millionen Menschen befinden sich rund 12,5 Millionen Menschen auf der Flucht und rund die Hälfte der Bevölkerung ist auf humanitäre Unterstützung angewiesen. 70 Prozent der Betroffenen sind Kinder.

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