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Ikea-Anschlag in Europa: Wie Russland junge Ukrainer rekrutiert

Silhouette junger Mann mit Kapuze
Geflüchtete werden mit falschen Versprechen zu Sabotageakten verleitet. (Symbolbild)Bild: Imago images / Chromorange
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Russlands Schattenkrieg: Wie junge Ukrainer zu Saboteuren gemacht werden

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Eine Ikea-Filiale in Flammen, Sprengstoff und ein Jugendlicher, der mit Brandsätzen erwischt wird; Spuren von solchen Anschlägen führen zu Russlands Militärgeheimdienst. Besonders brisant: Die mutmaßlichen Täter sind teils junge Geflüchtete aus der Ukraine.
11.04.2025, 12:3411.04.2025, 12:34

Ein BMW und 11.000 Dollar in bar – so begann das vermeintliche Glück von Daniil Bardadim. Der damals 17-jährige Ukrainer war aus dem Kriegsgebiet nach Polen geflüchtet und erhielt dort das Angebot eines mysteriösen Jobs. Was ihn erwartete, war kein Neuanfang, sondern ein direkter Weg in eine Terrorzelle – und schließlich ins Gefängnis.

Bardadim sitzt heute in Litauen in Haft. Die Behörden werfen ihm vor, einen Brandanschlag auf eine Ikea-Filiale in Europa verübt zu haben. Und das ist offenbar nur ein Teil eines größeren Netzwerks, wie aktuelle Berichte zeigen.

Jugendlicher mit Verbindung zum russischen Geheimdienst

Am 9. Mai 2024, dem russischen Feiertag zum Sieg über Nazi-Deutschland, ging in Vilnius eine Ikea-Filiale in Flammen auf. Ausgelöst durch einen Brandsatz, der laut Ermittlern von Bardadim in der Bettenabteilung versteckt worden war. Der Zeitpunkt des Anschlags soll gezielt gewählt worden sein. Nur wenig später wurde Bardadim in einem Bus auf dem Weg nach Lettland festgenommen. Bei ihm: weitere Brandsätze – vermutlich für ein geplantes Attentat in Riga.

Der Anschlag in Vilnius war kein Einzelfall. Nur drei Tage später brannte das größte Einkaufszentrum Warschaus – auch hier vermuten polnische Ermittler russische Hintermänner. In Leipzig, Birmingham und bei einem polnischen Kurierdienst explodierten Pakete, die zuvor aus Vilnius verschickt worden waren. In allen Fällen wird Russland verdächtigt.

Russland als Drahtzieher: Zahlreiche Anschläge in Europa

Litauische Ermittler sprechen von einer Welle verdeckter Angriffe in ganz Europa – unter anderem auf Einkaufszentren, Lagerhallen, Bahnstrecken und sogar auf Unterseekabel. Laut dem Center for Strategic and International Studies (CSIS) hat sich die Zahl solcher Sabotageakte von 2023 auf 2024 fast verdreifacht.

Darius Jauniskis, bis vor Kurzem Chef des litauischen Geheimdienstes, spricht laut "New York Times" eine Warnung aus: "Wir befinden uns bereits in einer Kriegszone in Europa." Das Ziel Russlands sei es, "Chaos, Misstrauen und Panik zu stiften" – und damit die Unterstützung für die Ukraine zu untergraben. Seine drastische Einschätzung: "Willkommen im Dritten Weltkrieg."

Die litauischen Behörden sind sich sicher: Auch Bardadim war Teil eines russischen Netzwerks, gesteuert vom Militärgeheimdienst GRU. Der Kontakt zu seinen Auftraggebern lief über Telegram und die chinesische App Zengi. Der mutmaßliche Koordinator der Operation kommunizierte unter dem Pseudonym "Q" – eine Anspielung auf den Technikchef aus den James-Bond-Filmen.

Die Dimensionen sind erschreckend: In einem Schließfach am Bahnhof von Vilnius fanden Ermittler eine Tasche mit Sprengstoff, sechs Handys, vier Zündern – und zwei Vibratoren. Wofür diese dienen sollten, ist unklar.

Litauens Geheimdienstchef Jauniskis betont: "Das war nicht nur ein Versuch, Matratzen abzufackeln." Es gehe um etwas viel Größeres: "Wir reden über Sabotage – in Wahrheit ist das staatlich unterstützter Terrorismus."

Herkunft egal: Russland rekrutiert Saboteure offenbar mit Geld

Dass junge Geflüchtete wie Bardadim im Dienste von Putins Sabotageoperationen stehen, sorgt in Litauen, Lettland und Polen für Fassungslosigkeit. Schließlich haben gerade diese Länder besonders viele Ukrainer:innen aufgenommen – und sich für westliche Hilfe an Kiew starkgemacht. Die Antwort auf das "Warum" ist laut "New York Times" Geld. "Es handelt sich um junge Menschen ohne Lebenserfahrung", erklärte der zuständige Staatsanwalt Arturas Urbelis im März.

Viele befänden sich in einer finanziellen Notlage – und seien anfällig für dubiose Angebote. Von politischer Überzeugung fehle jede Spur: "Es gibt keine Hinweise, dass der Angeklagte prorussische Ansichten hegt", teilte auch die litauische Generalstaatsanwaltschaft zu Bardadim mit.

Russlands Agenten interessieren sich offenbar weder für Alter noch Herkunft. Im litauischen Siauliai – einer Stadt mit Nato-Stützpunkt – wurde im vergangenen Jahr ein 82-jähriger Rentner festgenommen. Bei ihm fand die Polizei Spionageausrüstung. Auch in Polen und Bosnien kam es zu Festnahmen: Ein Russe, ein Belarusse und ein weiterer Ukrainer sollen Anschläge geplant oder durchgeführt haben.

"Für Russland zählen weder Alter noch Ideologie", sagt Marius Cesnulevicius, Sicherheitsberater des litauischen Präsidenten, laut "New York Times". Wichtiger sei das Ziel, "uns einzuschüchtern und von der Unterstützung der Ukraine abzuhalten."

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