Geiseln nach 738 Tagen freigelassen – ein Hoffnungsschimmer im Nahost-Konflikt
Was die israelischen Geiseln in den vergangenen zwei Jahren im Gazastreifen erlebt haben müssen, ist wohl kaum vorstellbar: Lebenszeichen von ihnen gab es nur wenige. Und wenn, dann waren sie für die Angehörigen kaum auszuhalten. Videos zeigten häufig flehende Menschen, abgemagert und verletzt.
Am Montagmorgen wurden schließlich alle noch lebenden Geiseln von der Hamas freigelassen. Sie befinden sich mittlerweile in der Obhut der israelischen Armee.
In Tel Aviv haben sich Menschenmassen versammelt, um diesen historischen Moment mitzuerleben.
Auf dem "Platz der Geiseln" im Zentrum der Stadt feiern Tausende, als sich die Nachricht verbreitet. Viele weinen, umarmen sich, halten Plakate mit Fotos der Verschleppten in die Höhe. Nun sind die ersten Fotos der friegelassenen Geiseln aufgetaucht.
Israel: Die ersten sieben Geiseln sind in Sicherheit
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden die Freigelassenen dem Roten Kreuz übergeben und anschließend in israelische Obhut gebracht. Einige von ihnen besitzen neben der israelischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie sind bereits wieder in Israel.
Im Militärlager Reim am Rand des Gazastreifens sind medizinische Untersuchungen und erste Treffen mit Angehörigen geplant. Danach sollen die Freigelassenen in Krankenhäuser gebracht werden.
Wie das Militär mitteilt, ist jedoch unklar, ob die Hamas auch die Leichname von 28 getöteten Geiseln innerhalb der vereinbarten 72-Stunden-Frist übergeben kann.
Das Abkommen: Trump vermittelt, Israel gibt 2000 Häftlinge frei
Die Freilassung ist Teil eines von US-Präsident Donald Trump vermittelten Abkommens, das seit Freitag gilt. Im Gegenzug soll Israel rund 2000 palästinensische Häftlinge entlassen, darunter etwa 250, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.
Trump bezeichnete den Moment als historischen Durchbruch: "Der Krieg ist zu Ende", sagte er an Bord der Air Force One auf dem Weg nach Israel. Er gehe davon aus, dass die Waffenruhe halte. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu äußerte sich dagegen zurückhaltender: "Der Kampf ist noch nicht vorbei. Es liegen große Sicherheitsherausforderungen vor uns."
Während seines weniger als vierstündigen Besuchs in Israel sollte Trump voraussichtlich mit Geiselangehörigen zusammentreffen und in Jerusalem eine Rede vor der Knesset, dem israelischen Parlament, halten. Zudem sollte Trump nach Angaben von Staatschef Herzog die israelische Ehrenmedaille des Präsidenten verliehen bekommen, die höchste zivile Auszeichnung des Landes.
In einer Videoansprache sprach Netanjahu von einem "historischen Ereignis", das zugleich "ein Tag der Freude und der Trauer" sei. Freude über die Rückkehr der Entführten, Trauer über die Freilassung von Menschen, die "unsägliches Leid über unser Land gebracht haben".
Feier in Israel – Skepsis im Hintergrund
Trump will im Laufe des Tages in Israel Angehörige der Geiseln treffen und vor der Knesset sprechen. Am Nachmittag soll in Scharm el-Scheich eine "Nahost-Friedenszeremonie" stattfinden, mit über 20 Staats- und Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzler Friedrich Merz.
"Alle jubeln gleichzeitig. Das ist noch nie zuvor passiert", sagte Trump kurz vor dem Abflug. "Normalerweise jubelt einer, während der andere das Gegenteil tut."
Doch trotz des Jubels bleibt die Lage instabil. Israel kontrolliert weiterhin rund die Hälfte des Gazastreifens. Ob die Waffenruhe hält, ist offen, ebenso wie die Umsetzung zentraler Punkte des Friedensplans: die Entwaffnung der Hamas und ein vollständiger Abzug der israelischen Truppen.
Gaza: Zwischen Zerstörung und Aufatmen
Im Gazastreifen ist die humanitäre Lage katastrophal. Nach UN-Angaben dürfen seit Beginn der Waffenruhe täglich etwa 600 Lastwagen mit Hilfsgütern einfahren – das Minimum, um die Bevölkerung mit Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten zu versorgen. Israelische Sicherheitskreise sprechen zudem von ersten Reparaturen an Wasserleitungen, Abwassersystemen und Bäckereien.
Gleichzeitig bleibt die Region ein Trümmerfeld: weite Teile sind zerstört, Blindgänger liegen in den Straßen, hunderttausende Menschen sind obdachlos.
Ob dieser Tag den Beginn eines dauerhaften Friedens markiert, bleibt ungewiss. Zwei Jahre nach dem schlimmsten Massaker in Israels Geschichte ist der Schmerz noch immer allgegenwärtig. Sowohl in Israel als auch bei der Bevölkerung im Gazastreifen. Die Freilassung der ersten Geiseln bringt Hoffnung. Doch die Wunden des Krieges sind tief, und die Frage bleibt, ob sie sich jemals schließen lassen.