Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien haben eine gewisse Tradition über die vergangenen Regierungsjahre hinweg – sicher, immerwieder gab es Kritik aus der Bevölkerung, Opposition und Medien. Dennoch ging die Zusammenarbeit der Rüstungsunternehmen mit den Saudis weiter.
Nachdem diese aber die Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi eingeräumt haben, kommt neuer Wind in die Diskussion. Jetzt stellt die SPD die Beziehungen Deutschlands zum Königreich grundsätzlich in Frage – und insbesondere weitere Waffenlieferungen in das autoritär regierte Land.
Dazu gehörten auch die Rüstungsexporte. "Es muss spürbare Konsequenzen geben."
Die bisherigen Erklärungen aus Riad zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul, wo Chaschoggi umgekommen sein soll, seien nicht ausreichend, erklärten Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Zunächst deutete trotz des Drucks nichts daraufhin, dass Saudi-Arabien weitere Erläuterungen abgeben würde. Auch zum Verbleib der Leiche des Journalisten wurden keine Angaben gemacht. Die türkischen Behörden suchen unter anderem in einem Waldstück bei Istanbul nach den sterblichen Überresten.
Klare Antworten verlangte US-Präsident Donald Trump. Auf die Frage eines
Journalisten, ob er zufrieden damit sei, dass Saudi-Arabien zwei
Berater entlassen habe, sagte Trump am Samstag:
Trump warnte allerdings erneut vor dem Stopp eines milliardenschweren Rüstungsgeschäfts der USA mit Riad. "Es ist nicht hilfreich für uns, so eine Bestellung zu streichen. Das tut uns sehr viel mehr weh als es ihnen wehtut", fügte er hinzu. Es gebe aber "andere Dinge, die getan werden könnten, dazu gehören auch Sanktionen".
Auf massiven Druck hin hatte Saudi-Arabien die Tötung Khashoggis im Istanbuler Konsulat eingeräumt – demnach kam der 59-Jährige bei einer Schlägerei um. Laut türkischen Medienberichten, die sich auf Audioaufnahmen aus dem Konsulat stützen, wurde Khashoggi dort jedoch gefoltert, getötet und sein Leichnam zerstückelt.
Die Monarchie Saudi-Arabien, in der es weder politische Parteien noch Wahlen gibt, ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte Kunde der deutschen Rüstungsindustrie:
Bis zum 30. September erteilte die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro.
Nahles sagte, darin enthalten seien vor allem Patrouillenboote, die vor Jahren angefragt und genehmigt worden seien. "Da wir die Zusicherung haben, dass sie im Land bleiben, sind sie vom Koalitionsvertrag gedeckt. Leider werden nur die alten Genehmigungen veröffentlicht, die vielen, vielen neuen Ablehnungen aber nicht." Die SPD habe dafür gesorgt, "dass Rüstungsexporte noch nie so restriktiv gehandhabt werden wie in dieser Regierung", betonte sie.
Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte eine "engagierte und umfassende Untersuchung". Paris verurteile die Tötung mit größter Entschlossenheit.
Der Fall hat nicht nur das politische Verhältnis zwischen dem Westen und Saudi-Arabien schwer belastet, sondern auch die wirtschaftlichen Beziehungen. Immer mehr Größen aus Wirtschaft und Politik sagten in den vergangenen Tagen ihre Teilnahme an einer anstehenden Investorenkonferenz in Riad ab, darunter US-Finanzminister Steven Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde. Auch die Chefs von Großbanken wie Credit Suisse oder JP Morgan reisen nicht nach Saudi-Arabien.
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte ebenso ab wie Airbus-Rüstungschef Dirk Hoke. Der Medienkonzern Fox Business Network zog sich als Sponsor der Veranstaltung zurück. Am Sonntag erklärte auch die neuseeländische Regierung, keine Vertreter zu der Veranstaltung zu schicken.
Maas sagte in den ARD-"Tagesthemen", die Absagen seien ein richtiges Signal. "Ich würde zurzeit ganz sicher nicht an einer Veranstaltung in Riad teilnehmen." Ob auch Siemens-Chef Joe Kaeser diesem Beispiel folgen solle, müsse dieser selber entscheiden. Nahles sagte: "Ich hoffe, Joe Kaeser überdenkt das nochmal."
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen regte an, die Ausweisung saudischer Diplomaten aus Deutschland zu prüfen. Und falls in Riad nicht "ganz kurzfristig" entscheidende Konsequenzen gezogen werden, müsse es umgehend einen Stopp aller Waffenlieferungen geben, auch der bereits zugesagten, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag der "Welt am Sonntag".
Die Bundesregierung sollte aus Röttgens Sicht überdies zusammen mit allen europäischen Regierungen den USA und dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump klarmachen, "dass es sich hier um einen absoluten Testfall der moralischen internationalen Führungsrolle der USA handelt". Er sagte: "Die Politik von Präsident Trump im Nahen und Mittleren Osten, ganz auf Saudi-Arabien zu setzen, um den Iran zu isolieren, dürfte den saudischen Kronprinzen ermutigt haben zu glauben, dass es für ihn überhaupt keine Grenzen mehr gibt."
Saudi-Arabiens Regionalverbündete boten dagegen uneingeschränkte Rückendeckung. Mehrere Staaten, darunter Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate veröffentlichten Mitteilungen, in denen sie den König lobten.
Die staatliche Nachrichtenagentur Saudi-Arabiens, Spa, hatte berichtet, 18 Staatsangehörige seien festgenommen worden, zudem seien zwei Berater des Kronprinzen Mohammed bin Salman entlassen worden: der Vizechef des Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri, sowie der für Medienangelegenheiten zuständige Saud bin Abdullah al-Kahtani. Die Ermittlungen zu der "bedauerlichen und schmerzhaften" Entwicklung liefen, hieß es weiter.
(mbi/dpa/rtr/tol)