Hat es Saudi-Arabien zu weit getrieben? Merkel, Nahles und Co. machen Druck
21.10.2018, 09:06
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Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien haben eine gewisse Tradition über die vergangenen Regierungsjahre hinweg – sicher, immerwieder gab es Kritik aus der Bevölkerung, Opposition und Medien. Dennoch ging die Zusammenarbeit der Rüstungsunternehmen mit den Saudis weiter.
Nachdem diese aber die Tötung des regimekritischen
Journalisten Jamal Khashoggi eingeräumt haben, kommt neuer Wind in die Diskussion. Jetzt stellt die SPD die Beziehungen Deutschlands
zum Königreich grundsätzlich in Frage – und insbesondere weitere
Waffenlieferungen in das autoritär regierte Land.
Die Parteivorsitzende Andrea Nahles sagt:
"Nach einem derart
unfassbaren Vorgang gehört das Verhältnis zu Saudi-Arabien grundsätzlich
auf den Prüfstand"
Bild am Sonntag
Dazu gehörten auch die Rüstungsexporte. "Es muss spürbare
Konsequenzen geben."
Ähnlich äußerte sich Außenminister Heiko Maas (SPD).
"Ich glaube,
solange diese Untersuchungen andauern, solange wir nicht wissen, was da
geschehen ist, gibt es keine Grundlage, auf der positive Entscheidungen
für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind"
ARD-tagesthemen
Die bisherigen Erklärungen aus
Riad zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul, wo Chaschoggi umgekommen
sein soll, seien nicht ausreichend, erklärten Maas und Bundeskanzlerin
Angela Merkel in einer gemeinsamen Stellungnahme. Die Verantwortlichen
müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Sagt Deutschland jetzt also Stopp zur Kooperation?
US-Präsident Trump will weitere Antworten
Zunächst deutete trotz des Drucks nichts daraufhin, dass Saudi-Arabien weitere
Erläuterungen abgeben würde. Auch zum Verbleib der Leiche des
Journalisten wurden keine Angaben gemacht. Die türkischen Behörden suchen unter anderem in einem Waldstück bei Istanbul nach den sterblichen Überresten.
Klare Antworten verlangte US-Präsident Donald Trump. Auf die Frage eines
Journalisten, ob er zufrieden damit sei, dass Saudi-Arabien zwei
Berater entlassen habe, sagte Trump am Samstag:
"Nein, ich bin nicht
zufrieden, bis wir nicht die Antwort gefunden haben, aber es war ein
großer erster Schritt, ein guter erster Schritt, aber ich möchte zu
einer Antwort gelangen."
Trump warnte allerdings erneut vor dem Stopp eines milliardenschweren
Rüstungsgeschäfts der USA mit Riad. "Es ist nicht hilfreich für uns, so
eine Bestellung zu streichen. Das tut uns sehr viel mehr weh als es
ihnen wehtut", fügte er hinzu. Es gebe aber "andere Dinge, die getan
werden könnten, dazu gehören auch Sanktionen".
Auf massiven Druck hin hatte Saudi-Arabien die Tötung Khashoggis im
Istanbuler Konsulat eingeräumt – demnach kam der 59-Jährige bei einer
Schlägerei um. Laut türkischen Medienberichten, die sich auf
Audioaufnahmen aus dem Konsulat stützen, wurde Khashoggi dort jedoch
gefoltert, getötet und sein Leichnam zerstückelt.
Riad zweitgrößter Waffenabnehmer für Deutschland
Die Monarchie Saudi-Arabien, in der es weder politische Parteien noch
Wahlen gibt, ist in diesem Jahr bisher nach Algerien der zweitgrößte
Kunde der deutschen Rüstungsindustrie:
Bis zum 30. September erteilte
die Regierung Exportgenehmigungen im Wert von 416,4 Millionen Euro.
Ein deutsches Patrouillenboot für Saudi-Arabien. Über 400 Millionen Euro an Waffenexporten wurden in den Wüstenstaat genehmigt.imago
Nahles sagte, darin enthalten seien vor allem Patrouillenboote, die vor
Jahren angefragt und genehmigt worden seien. "Da wir die Zusicherung
haben, dass sie im Land bleiben, sind sie vom Koalitionsvertrag gedeckt.
Leider werden nur die alten Genehmigungen veröffentlicht, die vielen,
vielen neuen Ablehnungen aber nicht." Die SPD habe dafür gesorgt, "dass
Rüstungsexporte noch nie so restriktiv gehandhabt werden wie in dieser
Regierung", betonte sie.
Auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian forderte eine
"engagierte und umfassende Untersuchung". Paris verurteile die Tötung
mit größter Entschlossenheit.
Wirtschaftliche Beziehungen schwer belastet
Der Fall hat nicht nur das politische Verhältnis zwischen dem Westen und
Saudi-Arabien schwer belastet, sondern auch die wirtschaftlichen
Beziehungen. Immer mehr Größen aus Wirtschaft und Politik sagten in den
vergangenen Tagen ihre Teilnahme an einer anstehenden
Investorenkonferenz in Riad ab, darunter US-Finanzminister Steven
Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde. Auch die Chefs von Großbanken
wie Credit Suisse oder JP Morgan reisen nicht nach Saudi-Arabien.
Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte ebenso ab wie
Airbus-Rüstungschef Dirk Hoke. Der Medienkonzern Fox Business Network
zog sich als Sponsor der Veranstaltung zurück. Am Sonntag erklärte auch
die neuseeländische Regierung, keine Vertreter zu der Veranstaltung zu
schicken.
Maas sagte in den ARD-"Tagesthemen", die Absagen seien ein richtiges
Signal. "Ich würde zurzeit ganz sicher nicht an einer Veranstaltung in
Riad teilnehmen." Ob auch Siemens-Chef Joe Kaeser diesem Beispiel folgen
solle, müsse dieser selber entscheiden. Nahles sagte: "Ich hoffe, Joe
Kaeser überdenkt das nochmal."
Röttgen: Testfall für die moralische Führungsrolle der USA
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen regte an, die Ausweisung
saudischer Diplomaten aus Deutschland zu prüfen. Und falls in Riad nicht
"ganz kurzfristig" entscheidende Konsequenzen gezogen werden, müsse es
umgehend einen Stopp aller Waffenlieferungen geben, auch der bereits
zugesagten, sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im
Bundestag der "Welt am Sonntag".
Jamal Khashoggi während eines
Interviews: Nach zwei Wochen hat das saudische Königshaus den Tod des
bekannten Regimekritikers bestätigt.dpa
Die Bundesregierung sollte aus Röttgens Sicht überdies zusammen mit
allen europäischen Regierungen den USA und dem amerikanischen
Präsidenten Donald Trump klarmachen, "dass es sich hier um einen
absoluten Testfall der moralischen internationalen Führungsrolle der USA
handelt". Er sagte: "Die Politik von Präsident Trump im Nahen und
Mittleren Osten, ganz auf Saudi-Arabien zu setzen, um den Iran zu
isolieren, dürfte den saudischen Kronprinzen ermutigt haben zu glauben,
dass es für ihn überhaupt keine Grenzen mehr gibt."
Riads Verbündete loben Erklärung
Saudi-Arabiens Regionalverbündete boten dagegen uneingeschränkte
Rückendeckung. Mehrere Staaten, darunter Ägypten, Bahrain und die
Vereinigten Arabischen Emirate veröffentlichten Mitteilungen, in denen
sie den König lobten.
Die staatliche Nachrichtenagentur Saudi-Arabiens, Spa, hatte berichtet,
18 Staatsangehörige seien festgenommen worden, zudem seien zwei Berater
des Kronprinzen Mohammed bin Salman entlassen worden: der Vizechef des
Geheimdienstes, Ahmed al-Asiri, sowie der für Medienangelegenheiten
zuständige Saud bin Abdullah al-Kahtani. Die Ermittlungen zu der
"bedauerlichen und schmerzhaften" Entwicklung liefen, hieß es weiter.
(mbi/dpa/rtr/tol)
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