Der Verkauf einer leerstehenden katholischen Kirche hat in der norditalienischen Stadt Bergamo einen kleinen Religionskonflikt ausgelöst – angestachelt von der rechten Lega. Der Streit begann im Oktober, als eine Gesundheitsbehörde die ehemalige Krankenhauskapelle zur Versteigerung ausschrieb.
Der Verkäufer ging davon aus, dass sich die örtliche Rumänisch-Orthodoxe Gemeinde das Gebäude sichern würde. Sie nutzte die Kirche seit drei Jahren als Leihgabe. "Als wir im August 2015 hierher zogen, hieß es, 'keine Sorge, in der Zukunft werdet ihr die Kirche direkt kaufen können'", sagte Priester Gheorghe Velescu der Deutschen Presse-Agentur.
Aber es lief nicht alles nach Plan: Im letzten Moment schnappte der Verband der Muslime in Bergamo der Rumänisch-Orthodoxen Gemeinde das Gebäude für rund 450.000 Euro vor der Nase weg. Der Verkauf schockierte nicht nur die Rumänen. Die Vorstellung, die kleine katholische Kirche in der Stadt am Alpenrand könne zu einer Moschee umfunktioniert werden, galt Kritikern als Beweis einer muslimischen "Invasion".
Italien war über Jahrzehnte ein Auswandererland. Die wachsende Zahl von Migranten, die in jüngerer Zeit aus muslimischen Ländern nach Italien gekommen sind, hat zu Spannungen in der Bevölkerung geführt und der rechten Lega gute Wahlergebnisse beschert. Lega-Chef Matteo Salvini wurde Innenminister und Vize-Ministerpräsident in Rom.
Derzeit leben in Italien mehr als 5.1 Millionen legal gemeldete ausländischer Bürger – ein 27-prozentiger Anstieg seit 2012. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt rund 8,5 Prozent. Zudem leben in Italien Hunderttausende Migranten ohne Papiere.
"Allah wirft Jesus hinaus", titelte die rechte Boulevardzeitung "Libero" zu der Kirchen-Auktion. Ihr Herausgeber Vittorio Feltri stammt selbst aus Bergamo. "Der Tempel wurde den Hassern des Westens zugeschlagen", schrieb Feltri in einem Leitartikel.
Der lombardische Präsident Attilio Fontana von der Lega hat versprochen, die Versteigerung wieder rückgängig zu machen, damit die orthodoxen Gläubigen die Kirche weiter nutzen können. Fontana zufolge könnte die Region von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen. "Die Kirche der Brüder von Bergamo, ein Symbol des Christentums, wird erhalten bleiben», sagte Fontana in einer Stellungnahme Ende Oktober. Er selbst habe dies Pfarrer Velescu telefonisch zugesichert.
Der mitte-links ausgerichtete Bürgermeister von Bergamo, Giorgio Gori, hält Fontanas Vorschlag bestenfalls für zweifelhaft und von anti-muslimischen Vorurteilen geprägt. "Sie wollen den Verkauf nur rückgängig machen, weil ihnen der Käufer nicht gefällt", sagt Gori der dpa.
Der ehemaliger TV-Manager im Medienimperium von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi satgt: "Ich denke, es handelt sich um eine sehr klare Form von Diskriminierung von Muslimen."
Dennoch verstehe er die öffentliche Verärgerung über das Ergebnis der Auktion. Denn die Kirche habe sentimentalen Wert für die Einwohner der lombardischen Stadt. Dort hätten sie ihre neugeborenen Babys getauft oder für die Kranken gebetet, die im Hospital behandelt wurden.
Zuvor hatte Gori die Situation als "sensationelles Eigentor" für ein regionales "Anti-Moscheen"-Gesetz bezeichnet, das die Eröffnung neuer nicht-katholischer Gotteshäuser stark einschränkt. Das Gesetz war von der Lega auf den Weg gebracht worden.
Die Einrichtung neuer Moscheen ist so gut wie unmöglich – es sei denn, sie befinden sich an einem Ort, der schon als Gotteshaus ausgewiesen ist, wie etwa die ehemalige Krankenhauskapelle, erklärt Gori. Als diese zum Verkauf angeboten wurde, sei das eine Gelegenheit für die Muslime gewesen. "Solange wir nicht jedem einen angemessenen Platz zum Beten zur Verfügung stellen, werden wir immer wieder solche Probleme haben", sagt Gori.
Der Verband der Muslime wollte sich auf Anfrage der dpa nicht zu der Sache äußern. Den örtlichen "Bergamo News" hatte Verbandssprecher Joussef Ait Abboudel aber gesagt, seine Gemeinde suche "mehr Autonomie, Stabilität und Würde". Rund 400 Muslime versammeln sich derzeit in einem ehemaligen Lager für Tischlereibedarf unter einer Straßenbrücke zum regelmäßigen Gebet. Im Fastenmonat Ramadan sind es bis zu 2.000 Menschen. "Wenn wir beten, wackelt der ganze Raum wegen der Lkw, die über uns her fahren", klagt der Sprecher.
Doch Pfarrer Velescu, dessen Gemeinde der Rauswurf droht, hat wenig Mitgefühl mit den Muslimen. "Mit allem gehörigen Respekt, weil sie ja auch Menschen sind wie wir – das ist eine Kirche. Ich würde nie eine Moschee kaufen und sie in eine Kirche verwandeln. Aus brüderlicher Sicht hätten sie nie an der Auktion teilnehmen sollen", sagt er.
(tl/dpa)