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Ukraine: Netze, Käfige und Schrotflinten als Waffen gegen Drohnen

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Notdürftig schützen Käfige Fahrzeuge vor Drohnenangriffen.Bild: X / praisethesteph
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Improvisierte Verteidigung: Ukraine setzt auf Käfige als Waffe gegen Drohnen

Russlands Drohnenkrieg trifft nicht mehr nur die Front, sondern auch das ukrainische Hinterland. Kiew muss improvisieren: mit Gitternetzen, Schrotflinten und Fahrzeugen wie aus einem Endzeitfilm.
19.07.2025, 10:4919.07.2025, 10:49
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Während sich der russische Präsident Wladimir Putin unbeeindruckt vom 50-Tage-Ultimatum durch US-Präsident Donald Trump zeigt, sterben in der Ukraine täglich Zivilist:innen bei russischen Drohnen- und Raketenangriffen. Besonders im Osten des Landes geraten zunehmend auch ukrainische Rückzugsorte und logistische Zentren ins Visier.

Gleichzeitig läuft die internationale Waffenhilfe auf Sicht. Zwar sollen neue Patriot-Flugabwehrsysteme in die Ukraine gelangen, doch der Zeitplan ist unklar, die Koordination zwischen Nato-Staaten komplex, die Finanzierung längst nicht abgesichert.

In dieser Gemengelage setzt die rasante Ausweitung des Drohnenkriegs durch Russland Kiew unter Druck. Zwar entwickelt sich auch die Ukraine mit kreativen Lösungen weiter. Doch im Front-Alltag müssen Ukrainer:innen teils auf improvisierte Lösungen zurückgreifen, wie die ARD-Korrespondentin Rebecca Barth im NDR-Podcast "Streitkräfte und Strategien" berichtet.

"Schreckliche Entwicklung": Drohnen treffen vermeintlich sichere Orte

"Was wir dort aktuell erleben, ist eine unglaublich schnelle Entwicklung, was den Drohnenkrieg angeht", sagt sie. Russland setze zunehmend FPV-Drohnen (First Person View) ein, die mit Videobrillen ferngesteuert werden und sich wie Kamikazedrohnen auf ihre Ziele stürzen.

Barth berichtet etwa aus Dobropillja, einem Ort über 20 Kilometer hinter der Frontlinie, der bisher als sicherer Knotenpunkt für Versorgung und Erholung galt: "Ich kann mich erinnern, wir waren dort im Februar oder März. Da habe ich noch zu meinen Kollegen gesagt: Das ist das neue Pokrowsk."

Wenige Wochen später sei eine Gleitbombe mitten im Zentrum von Dobropillja eingeschlagen. Dass nun auch diese Orte gezielt mit FPV-Drohnen und Gleitbomben angegriffen werden, bezeichnet Barth als "eine wirklich schreckliche Entwicklung". Zivilist:innen, Soldaten, Journalist:innen – alle seien betroffen. Sicher sind diese Orte weit hinter der eigentlichen Front nicht mehr.

Netze, Käfige, Schrotflinten als Waffen gegen Drohnen

Die Ukraine reagiert mit einem Verteidigungskonzept, das mancherorts improvisiert ist. Die ARD-Korrespondentin Barth beschreibt im NDR-Podcast eine Vielzahl an Maßnahmen, die entlang der Front und in rückwärtigen Versorgungsgebieten zum Einsatz kommen – von einfachen Netzen bis zu bizarren Fahrzeugumbauten.

Ein zentrales Element sind demnach Fahrzeuge mit selbst geschweißten Drahtkäfigen. "Manche fahren wie in einem Kasten", sagt Barth und erklärt: "Da ist ein großes Militärfahrzeug, und drumherum ein noch viel größerer Drahtkasten gebaut."

Die Konstruktion soll Drohnen am direkten Einschlag hindern. Ziel ist es, dass sie am äußeren Gitter explodieren – möglichst ohne das Fahrzeug fahrunfähig zu machen. "Man kriegt vielleicht ein paar Splitter ab, aber man kann weiterfahren, man bleibt nicht liegen", erklärt Barth. Denn: Wer liegen bleibt, wird handlungsunfähig und wird zum leichten Ziel.

Daneben kommen elektronische Störsender – sogenannte Jamming-Systeme. Sie kommen meist auf Autodächern montiert zum Einsatz. Auffällig seien dabei große Antennen, die die Steuerung der FPV-Drohnen stören sollen. Auch diese Technik wirke oft provisorisch – zusammengebaut aus dem, was vorhanden ist. Ihr Fazit: "Die absurdesten Fahrzeuge, die man mittlerweile sieht."

Ein drittes provisorisches Verteidigungsmittel: Schrotflinten. Ukrainische Soldaten versuchen damit, Drohnen im Nahbereich vom Himmel zu holen. Ergänzt wird das durch kilometerlange Tarnnetze, die über besonders gefährdete Nachschubstraßen gespannt sind – "das sieht fast ein bisschen aus wie Netze über Obstplantagen", so Barth. Der Krieg zwingt die Ukraine dazu, aus der Not eine Waffe zu machen.

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Wettlauf der Technologien: Ukraine hinkt laut Barth hinterher

Die ukrainische Bevölkerung reagiert der Korrespondentin zufolge zunehmend kritisch auf die schleppende Entwicklung von Abwehrsystemen. "Seit 2022 werden wir mit Drohnen angegriffen. Warum ist die Entwicklung von Abfangdrohnen erst jetzt ein Thema?", zitiert Barth Stimmen aus der Gesellschaft. Die Regierung habe zu lange gezögert, heißt es, während Russland seine Drohnenproduktion zentralisiert und massiv ausgeweitet habe.

Der "Wettlauf der Technologien" sei voll entbrannt, so Barth. Doch aktuell habe Russland klar die Nase vorn. Der Krieg hat sich verändert: Frontlinien verschwimmen, Nachschubwege werden zu Todeszonen, und der Schutz vor Waffen aus der Luft ist oft nur notdürftig zusammengebaut.

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