Pia Klemp ist überzeugt, dass die italienische Justiz es ernst meint. Noch im Januar gebe es eine Anhörung, sagt die 35-Jährige zu watson. Dann werde entschieden, ob Ermittler Klemps beschlagnahmtes Smartphone auslesen dürfen. Andere Daten aus ihrer Arbeit als Seenotretterin hätten Beamte längst durchforstet.
Noch im ersten Halbjahr 2019 wird die Staatsanwaltschaft in Italien wohl Anklage gegen sie erheben. Wahrscheinlich ist das, weil dem Verfahren jahrelange Ermittlungen vorausgegangen sind.
Der Vorwurf gegen Klemp und 9 weitere Seenotretter lautet: "Beihilfe zur illegalen Einwanderung."
Aktivistinnen wie Kemp, die Flüchtende auf dem Mittelmeer vor dem Ertrinken retten, befürchten seit langem solche Prozesse durch die italienische Regierung. Klemp sagt: "Italien will unsere Arbeit Stück für Stück mit Hilfe von Schikane verhindern."
Die Regierungen dort wollen die Flüchtenden erst gar nicht in Europa ankommen lassen. Innenminister und Rechtspopulist Matteo Salvini hat die Abschottung des Mittelmeers zu einem seiner politischen Hauptanliegen erklärt. Das bekommen jetzt auch die Retter selbst zu spüren.
Rettungsschiffe mit Namen wie Iuventa, Aquarius, Phoenix, Seefuchs, und neuerdings auch die OpenArms sind allesamt bereits aus dem Mittelmeer verschwunden, obwohl dort noch immer Menschen ertrinken.
Der italienische Staat bereitete deren Crews Probleme, wo er nur konnte: Mal warf er ihnen die falsche Registrierung der Boote vor, mal ging es um die falsche Landesflagge am Bug. Im Fall des "Ärzte Ohne Grenzen"-Schiffs Aquarius klingt der Vorwurf fast absurd: Die Crew habe über Jahre hinweg ihren Müll illegal auf italienischen Häfen entsorgt.
Die Rettungsschiffe werden auf diese Weise am Auslaufen, oder am Andocken gehindert. Anfang des Jahres etwa ging ein Krimi um die Sea-Watch 3 zu Ende. Sie durfte erst nach Tagen auf See in Malta anlegen, nachdem Medien über dutzende erkrankte Flüchtende an Bord berichtet hatten.
Solche Schlagzeilen zwangen Malta und Italien in der Vergangenheit immer wieder dazu, kleinbeizugeben.
Der Fall Italien gegen Klemp
Pia Klemp erfährt über die Zeitung von den Ermittlungen gegen sie. Beamte hatten die Informationen offenbar an italienische Medien durchgestochen. Es ist Sommer 2018, gerade ist Klemp selbst Kapitänin der Sea-Watch 3 und steckt mit ihrem Schiff seit Monaten im Hafen von Malta fest.
Der Zeitungsbericht spricht damals über ihre Arbeit als Aktivistin für die Organisation "Jugend rettet" auf der Iuventa. Das Schiff wurde bereits lange zuvor von den Behörden wegen angeblicher Schlepperei beschlagnahmt.
Über die Zeitung erfährt Klemp auch, dass die Iuventa über ein Jahr lang verwanzt worden war, dass ganze vier Ermittlungsbehörden offenbar die Crew-Telefone abgehört hatten. Auch, dass Undercover-Beamte sich in andere Hilfs-Organisationen eingeschleust hatten, um Aufklärungsarbeit gegen Klemp zu leisten.
Einer dieser Beamten lieferte etwa ein angebliches Beweis-Foto ab: Es soll zeigen, wie die Iuventa ein Schlepperboot zurück nach Libyen geschafft hat, damit es die Schleuser erneut verwenden können.
Ein Forensik-Team der Goldsmith University in London kann diesen Vorwurf allerdings widerlegen:
Damals kann Kremp das alles noch nicht einordnen. Sie und ihre Crew entscheiden, erst einmal abzuwarten. "Es war nicht klar, ob die Behörden uns nur einschüchtern wollten, oder ob es ihnen ernst ist", erinnert sich Kremp.
Im Herbst folgt dann aber die ofizielle Mitteilung über Ermittlungen gegen sie. Gerade hat ihre Mission auf der Sea-Watch 3 geendet. Ihr Anwalt rät ihr, das Schiff schnell zu verlassen und erst einmal nach Deutschland zu fahren. "Es wäre sonst sehr wahrscheinlich gewesen, dass ich in Untersuchungshaft komme", sagt Klemp.
"Der italienische Staat will andere Aktivisten mit dem Prozess auch abschrecken", sagt Klemp. Sie selbst hat angefangen, Spenden für ihren Prozess zu sammeln.
Es geht ihr darum, den Öffentlichkeitsspieß umzudrehen, sagt sie. "Wir müssen darüber reden, was passiert, während unsere Schiffe aus dem Verkehr gezogen werden: Menschen sterben."
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