Die Kamera fährt über gedeckte Tische, ein Mandarin-Monolog über Angst und Flucht plätschert über dramatische Musik. Es ist das glanzlose Innenleben einer Bürokratie, in der der Pathos von Parteikongressen mit der Realität von Take-out-Nudeln kollidiert.
Und irgendwo zwischen Abrechnungen und Selbstkritiksitzungen meldet sich plötzlich die CIA. Per Video, in Mandarin, mit Untertiteln.
Die Central Intelligence Agency, der Auslandsgeheimdienst der USA, hat auf seinen offiziellen Kanälen zwei Videos veröffentlicht. Beide Videos, eigentlich Kurzfilme, richten sich an zwei sehr unterschiedliche Zielgruppen, aber mit einem gemeinsamen Nenner: Enttäuschung. Das Ziel: die menschliche Informationsgewinnung des strategischen Rivalen China.
In einem der Clips spricht ein hochrangiger Parteifunktionär über die Absetzung seiner Kollegen, einer nach dem anderen sei Opfer der unermüdlichen Anti-Korruptionskampagne unter Xi Jinping. "Während ich innerhalb der Partei aufsteige, beobachte ich, wie die über mir Stehenden wie abgetragene Schuhe ausrangiert werden", sagt er, während Überwachungskräfte ihn und seine Frau beim Dinner beobachten. "Aber jetzt erkenne ich, dass mein Schicksal genauso prekär ist wie ihres."
Der Subtext: Wer loyal ist, lebt gefährlich. Wer auspackt, könnte wenigstens überleben.
Im zweiten Video folgt die Kamera einem jungen Staatsdiener durch seinen grauen Alltag: Er dient, er arbeitet, er kritisiert sich. Und merkt auf einmal, dass er das Leben der Reichen und Mächtigen nie erreichen wird. Während sein Chef im Überfluss schwelgt, kehrt er zurück in die kleine Wohnung seiner Eltern.
Zwischen billigen Mahlzeiten und politischen Selbstanklagen wächst in ihm das Gefühl, dass Loyalität sich nicht lohnt. "Der Himmel, der eigentlich allen gehören sollte, ist heute nur noch wenigen vorbehalten", sagt er schließlich und kontaktiert die CIA. "Ich habe mich geweigert, mich geschlagen zu geben."
Die CIA ist zuversichtlich, dass die Videos Chinas Internetzensur durchdringen und das beabsichtigte Zielpublikum erreichen, wie ein Beamter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters mitteilte: "Wenn es nicht funktionieren würde, würden wir keine neuen Videos machen."
Behördendirektor John Ratcliffe erklärte in einer Stellungnahme, kein Gegner habe jemals eine größere Herausforderung für die USA dargestellt als die Kommunistische Partei Chinas. "Sie verfolgt das Ziel, die Welt wirtschaftlich, militärisch und technologisch zu dominieren." Die CIA müsse dieser Bedrohung "mit Dringlichkeit, Kreativität und Entschlossenheit begegnen". Diese Videos seien "nur ein Teil unserer Strategie".
Derlei Zuwendung kommt nicht aus heiterem Himmel: Schon im Oktober hatte die CIA das nachrichtendienstliche Schaufenster hübsch hergerichtet und eine Art Anleitung zum konspirativen Flirt ins Netz gestellt. Die Zielgruppen: China, Iran, Nordkorea. Bei Russen, so heißt es vonseiten der Behörde, sei das bereits erfolgreich gewesen.
Die Botschaft ist klar: Wenn du genug hast, sind wir da. Mit Fluchtplan, Zukunft und einer Hotline. Und wenn du dich fragst, wie man uns erreicht: Wir haben ein Video gemacht. Zwei sogar.
Während die Videos westliche Medien durchlaufen, bleibt es auf den staatsgelenkten chinesischen Plattformen laut CNN bislang auffällig ruhig. Ein paar Screenshots schaffen es in die Kommentarspalten, garniert mit patriotischer Entrüstung. Ein Nutzer schreibt: "Die Imperialisten hören nie auf zu intrigieren."