Brasiliens Wutbürger haben gesprochen – Ultrarechter Bolsonaro gewinnt erste Wahlrunde
08.10.2018, 06:41
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Empört von
Korruption, Gewalt und Misswirtschaft haben sie den etablierten
Parteien und Politikern an der Urne einen Denkzettel verpasst und dem
ultrarechten Ex-Militär Jair Bolsonaro zum Triumph verholfen. Mit
46,21 Prozent der Stimmen gewann der Rechtspopulist am Sonntag klar
die erste Runde der Präsidentenwahl in Brasilien.
In einem Video auf Facebook sagte Bolsonaro:
"Ich bin mir sicher, dass wir auch die Stichwahl gewinnen. Bis zum Sieg – so Gott will."
An zweiter Stelle lag Fernando Haddad von der linken Arbeiterpartei
mit 28,97 Prozent der Stimmen. Der linke Bewerber Ciro Gomes kam auf
12,5 Prozent, der Mitte-Rechts-Kandidat Geraldo Alckmin auf 4,78
Prozent. Für Henrique Meirelles, Wunschkandidat des amtierenden
Staatschefs Michel Temer, stimmten sogar nur 1,21 Prozent der Wähler.
Kurzzeitig sah es sogar so aus, als könnte Bolsonaro gleich im ersten
Wahlgang den Einzug in den Präsidentenpalast schaffen. "Am 28.
Oktober gehe ich an den Strand", tönte er am Wahltag noch. Jetzt
allerdings muss er in drei Wochen gegen den Zweitplatzierten Haddad
in die Stichwahl. "Ich will alle Demokraten Brasiliens vereinen",
sagte Haddad.
"Das Ergebnis zeigt, in welcher Gefahr sich Brasilien befindet."
Fernando Haddad
Der Ex-Militär Bolsonaro spricht öfter abfällig über Minderheiten und
lobt die Militärdiktatur (1964-1985). Angesichts der ausufernden
Kriminalität kommen die Forderungen Bolsonaros, genannt "Trump
Brasiliens", nach einer Politik der harten Hand bei vielen Wählern
gut an. "Er wird den Banditen geben, was sie verdienen: Kugeln",
sagte Cássio Freire, der mit Dutzenden anderen Anhängern von
Bolsonaro zu dessen Haus in Rio de Janeiro gekommen war.
Nachdem ein geistig verwirrter Mann Bolsonaro vor einigen Wochen bei
einer Wahlkampfveranstaltung mit einem Messer verletzt hatte, war
sein Mythos sogar noch weiter gewachsen. Mit seinen frauenfeindlichen
Sprüchen und abfälligen Bemerkungen über Afrobrasilianer polarisiert
er allerdings auch sehr stark. Zuletzt hatten in mehreren Städten
Tausende Menschen gegen den umstrittenen Kandidaten protestiert.
São Paulos früherer Bürgermeister Haddad ging für die linke
Arbeiterpartei PT von Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ins
Rennen. Zunächst wollte der wegen Korruption zu zwölf Jahren Haft
verurteilte Lula selbst antreten, dann aber untersagte ein Gericht
die Bewerbung des noch immer populären Politikers. Haddad ist zwar
nicht so charismatisch wie sein politischen Ziehvater, ein bisschen
von seinem Glanz fällt aber auch auf ihn ab.
Viele stimmten wohl auch für Haddad, um den Rechtspopulisten
Bolsonaro zu verhindern. "Ich habe Haddad gewählt", sagte der
20-jährige Rafael de Jesus nach seiner ersten Wahl in São Paulo.
"Nicht, dass ich ihn gut finde, aber er ist der am wenigsten Schlechte."
Rafael de Jesus, brasilianischer Wähler, über Haddad
Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer schweren
Krise:
Zahlreiche Politiker sind in Korruptionsskandale verwickelt.
Die Wirtschaft läuft nur schleppend.
Die Gewalt nimmt immer weiter zu.
Mehr als 60.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr getötet.
In den Favelas liefern sich Drogenbanden und die Sicherheitskräfte regelmäßig stundenlange Schießereien.
Das Land ist tief gespalten. Fast religiös ist die Verehrung vieler
armer Brasilianer für Ex-Präsident Lula und seine Arbeiterpartei, die
sie mit milliardenschweren Sozialprogrammen aus der bittersten Armut
geholt haben. In der Mittel- und Oberschicht hingegen herrscht tiefes
Misstrauen gegenüber den Linken, die sich in den Boomjahren selbst
die Taschen füllten.
Bolsonaro stellt sich als Anti-System-Kandidat dar, der mit dem
Politzirkus nichts zu tun hat. "Ich werde den Saustall Brasília
ausmisten", versprach der Hauptmann der Reserve. Dabei ist der
63-Jährige selbst ein Insider: Seit fast drei Jahrzehnten mischt er
in der Politik mit, saß für neun verschiedene Parteien im Parlament.
Allerdings wurde er bislang nie mit den großen Korruptionsskandalen
in Verbindung gebracht.
(sg/dpa)
Gegen Bolsonaro gingen in der vergangenen Wochen Hunderttausende Frauen weltweit auf die Straßen:
Donald Trump dreht Anhängern Ramsch-Bibeln aus China an
Die wichtigste Währung in einer Demokratie sind Stimmen. Doch kurz darauf folgt schon das Geld. Ganz besonders gilt das in der ältesten Demokratie der Welt – den USA. Bereits vier Wochen vor dem alles entscheidenden Wahltag haben Demokraten und Republikaner Milliarden von Dollar in den Wahlkampf geschüttet.