Russland setzt auf Tiktok: Wie Moskau die Wahl in Moldau beeinflusst
Es ist wohl die wichtigste Wahl in der Geschichte der Republik Moldau. Die Bürger:innen entscheiden am Wahlsonntag bedeutend über die Zukunft des Landes. Zur Wahl steht dabei nicht nur ein politischer Kurs, sondern eine Richtungsentscheidung: Europa oder Russland. Präsidentin Maia Sandu setzt auf eine klare Westbindung, während Kreml-nahe Parteien versuchen, die Ex-Sowjetrepublik zurück in Russlands Einflusszone zu ziehen.
Die Wahl spielt sich nicht nur klassisch auf den Straßen der Republik ab. Ein Großteil der Auseinandersetzung findet längst online statt. Dabei kommen Methoden zum Einsatz, die Beobachter:innen alarmieren. Russland setzt dabei verstärkt auf Stimmenkäufe und Tiktok.
Beeinflussung in Moldau: Stimmenkauf, Hetze – und jetzt Tiktok-Lives
Schon bei vergangenen Abstimmungen griff Moskau tief in die Trickkiste: Bis zu 140.000 Stimmen sollen beim Präsidentschafts- und EU-Referendum gekauft worden sein, Premierminister Dorin Recean sprach von bis zu 200 Millionen Euro, die dafür aus Russland geflossen seien.
Auch Präsidentin Maia Sandu warnt nun laut "ZDF heute":
Diesmal spielt bei der Verbreitung der Botschaften Tiktok eine so große Rolle wie noch nie. "Neu ist die extensive Nutzung von Tiktok-Lives", erklärt Valeriu Pasa vom moldauischen Thinktank Watchdog im "Tagesspiegel". "Dort treten Hunderte angeworbene Personen auf, die gezielt Narrative der russischen Propaganda einstreuen."
Russland-Propaganda auf Tiktok: Normale User werden zur Waffe
Anders als bei bekannten Influencer:innen setzt Russland laut Pasa auf "viele, nennen wir sie mal 'kleine Stimmen'". Sie sollen Authentizität vermitteln. Es handelt sich dabei oft um ältere Moldauer:innen, die scheinbar alltäglich über ihr Leben sprechen und dabei unterschwellig anti-europäische Botschaften verbreiten.
Investigativrecherchen der Wochenzeitung "Ziarul de Garda" zeigen, wie diese Netzwerke funktionieren: Menschen, oft Rentner:innen, wurden in Schulungen mit Facebook- und Tiktok-Strategien vertraut gemacht. "Die Aufmerksamkeit des älteren Publikums kann auf zwei Arten gewonnen werden. Die erste ist Geld, die zweite ist Angst", erklärte eine Trainerin demnach in einer dieser Sitzungen.
Das Geld dafür floss laut den Recherchen über Konten bei einer russischen Bank mit Nähe zum Verteidigungsministerium. Das Ziel demnach: die EU schlechtreden, Präsidentin Sandu diskreditieren und so Russlands Einfluss sichern.
Moldau wehrt sich: Ermittlungen, Razzien, Auslieferungen
Die moldauischen Behörden versuchen, gegenzusteuern. Immer wieder meldet die Polizei beschlagnahmte Bargeldbündel, die aus Russland ins Land gebracht wurden. Anfang der Woche gab es außerdem großangelegte Razzien, bei denen über 70 Menschen festgenommen wurden. Ermittler:innen werfen ihnen vor, Massenunruhen vorbereitet zu haben. Einige Verdächtige sollen sogar in Serbien Waffentrainings absolviert haben.
Zugleich wurde ein alter Bekannter der moldauischen Politik auf die Anklagebank zurückgeholt: Oligarch Wladimir Plahotniuc, der seit Jahren auf der Flucht ist. Er wurde aus Griechenland ausgeliefert und sitzt nun in Untersuchungshaft. Gegen ihn laufen Verfahren wegen eines milliardenschweren Bankenraubs.
Kurz vor der Wahl setzten die Behörden zudem die Aktivitäten der Partei "Herz Moldaus" für ein Jahr aus, eine enge Verbündete des exilierten Oligarchen Ilan Shor. Die Zentrale Wahlkommission schloss die Partei am Freitag ganz von der Wahl aus. Der Vorwurf: illegale Finanzierung.
Moldau: Wichtige Wahl auch für Europa
Derzeit verfügt Sandus proeuropäische Regierungspartei PAS über 63 von 101 Sitzen im Parlament. Wegen der angespannten Wirtschaftslage droht ihr aber der Verlust der absoluten Mehrheit. Koalitionen könnten nötig werden. Die galten in Moldau in der Vergangenheit jedoch oft als instabil.
Hauptgegner von PAS ist das prorussische Wahlbündnis Patriotischer Block. Chancen auf den Einzug ins Parlament hat zudem der Wahlblock Alternativa um Chișinăus Bürgermeister Ion Ceban und den Juristen Alexandr Stoianoglo, Sandus Gegenkandidat bei der Präsidentschaftswahl 2024.
Für die EU ist die Abstimmung von hoher Bedeutung: Seit 2022 ist Moldau offizieller Beitrittskandidat. Beim Referendum im vergangenen Jahr stimmten die Bürger:innen knapp für den proeuropäischen Kurs. Ende August sicherten Kanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Polens Premier Donald Tusk Sandu Unterstützung beim EU-Beitritt und der Abwehr russischer Einflussversuche zu.
Die OSZE setzt internationale Beobachter:innen bei der Parlamentswahl ein, die nach demokratischen Standards bewerten. Doch egal, wie viele von ihnen in den Wahllokalen sitzen: Den Kampf um Aufmerksamkeit auf Tiktok können sie kaum kontrollieren.