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Österreich: Mögliche FPÖ-Regierung – warnendes Beispiel für Deutschland

FILE - Herbert Kickl, leader of the Freedom Party of Austria waves to supporters, in Vienna, Austria, Sunday, Sept. 29, 2024, after polls closed in the country's national election. (AP Photo/Andr ...
Der rechtsextreme FPÖ-Politiker Herbert Kickl könnte der nächste Kanzler Österreichs werden. Bild: AP / Andreea Alexandru
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Österreich steuert auf rechtsextremen Kanzler zu – und ist ein warnendes Beispiel für Deutschland

06.01.2025, 10:0706.01.2025, 13:27
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Österreich steuert womöglich auf eine Koalition zwischen der rechtspopulistischen FPÖ und der konservativen ÖVP zu – und dient den demokratischen Parteien als warnendes Beispiel vor der bevorstehenden Bundestagswahl in Deutschland.

Nach dem Scheitern der bisherigen Koalitionsverhandlungen traf sich Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag mit FPÖ-Chef Herbert Kickl. Im Anschluss gab er bekannt, dass er Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt habe. Die ÖVP zeigte sich offen für Gespräche über eine Koalition mit der FPÖ.

"Wenn wir zu diesen Gesprächen eingeladen werden, dann werden wir diese Einladung auch annehmen", sagte der geschäftsführende ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker.

Dazu muss man wissen: Die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl sind rechtsextrem, die anderen Parteien wollten eine Regierungsbeteiligung daher eigentlich unbedingt verhindern. Und: Die FPÖ war bei der Wahl stärkste Kraft mit knapp 29 Prozent, woraus Kickl einen Anspruch auf eine Kanzlerschaft ableiten könnte.

Österreich: FPÖ-Regierung wird wahrscheinlicher

Van der Bellen betonte am Sonntag, dass nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche zwischen der ÖVP, der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen Neos sowie dem Rückzug von Karl Nehammer als Bundeskanzler und ÖVP-Chef eine neue Situation eingetreten sei.

Nehammer habe ihm berichtet, dass die Stimmen innerhalb der ÖVP, "die eine Zusammenarbeit mit einer FPÖ unter Herbert Kickl ausschließen, deutlich leiser geworden sind". Dies bedeute, "dass sich möglicherweise ein neuer Weg auftut, der so davor nicht existierte", fügte der Präsident mit Blick auf ein mögliches Bündnis zwischen ÖVP und FPÖ hinzu. Es gehe jetzt darum, "dass Österreich eine Regierung bekommt, die handlungsfähig ist".

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck warnte angesichts der Situation im Nachbarland vor einer ähnlichen Entwicklung. "Österreich ist ein Beispiel, wie es nicht laufen darf", sagte Habeck. "Wenn die Parteien der Mitte nicht bündnisfähig sind und Kompromisse als Teufelszeug abtun, hilft das den Radikalen."

FPÖ wurde in Österreich erstmals stärkste Macht

ÖVP und SPÖ versuchten nach der Wahl, den Einzug von Kickl ins Kanzleramt zu verhindern. ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos nahmen Koalitionsverhandlungen auf. Die Neos stiegen aber am Freitag aus den Koalitionsgesprächen aus, am Samstag dann scheiterten die Verhandlungen auch zwischen ÖVP und SPÖ. Nehammer kündigte an, in den kommenden Tagen als Kanzler und Parteichef zurückzutreten.

Die rechtspopulistische FPÖ war bei der Wahl im September mit 28,85 Prozent der Stimmen erstmals stärkste Kraft im Parlament geworden. Die konservative ÖVP erzielte 26,3 Prozent, gefolgt von der sozialdemokratischen SPÖ mit 21,1 Prozent.

Nach der deutschen Bundestagswahl am 23. Februar müsse es eine Regierung geben, für die jede Partei Zugeständnisse mache, sagte Habeck weiter. "Wenn wir die Bereitschaft zu demokratischen Bündnissen nicht aufbringen, drohen uns Instabilität und Handlungsunfähigkeit. Das kann Deutschland sich nicht leisten und wir können es Europa nicht zumuten."

ARCHIV - 16.12.2024, Berlin: Robert Habeck (B�ndnis 90/Die Gr�nen), Bundesminister f�r Wirtschaft und Klimaschutz, spricht bei der Sitzung zur Vertrauensfrage im Bundestag. (zu dpa: �Habeck f�r deutli ...
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat vor einem Szenario wie in Österreich gewarnt.Bild: dpa / Kay Nietfeld

Er versprach: "Ich bin bereit, Verantwortung für eine bündnisorientierte Politik zu übernehmen, die nicht sich selbst, sondern unser Land im Blick hat." Kurz vor dem Wahlkampfauftakt am Montag in Lübeck starteten die Grünen eine Kampagne, bei der sie Habeck in verschiedenen deutschen Großstädten mit dem Schlagwort "Bündniskanzler" an Fassaden projizieren. Die Grünen verstehen sich als "Bündnispartei", die zu Koalitionen über politische Lager hinweg in der Lage ist und den Dialog mit der Zivilgesellschaft sucht.

Deutschland droht ähnliches Szenario wie in Österreich

Bei der Bundestagswahl droht Deutschland ein ähnliches Szenario wie in Österreich. Aus aktuellen Umfragen geht die rechtsextreme AfD hinter der CDU als zweitstärkste Macht hervor. Für eine Regierungsbildung ohne die AfD braucht es eine Kompromissbereitschaft der demokratischen Parteien.

Habecks Aussagen sowie der Slogan der Kampagne lassen sich als Fingerzeig in Richtung der Union verstehen. CSU-Chef Markus Söder schloss eine mögliche schwarz-grüne Koalition kategorisch aus, auch CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ging zuletzt stark auf Abstand zu den Grünen und kritisierte die Partei vehement.

Österreichs Bundespräsident Van der Bellen betonte unterdessen, er werde weiterhin darauf achten, dass die "Grundpfeiler unserer Demokratie respektiert werden". Dazu zählten der "Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, Menschenrechte und Minderheitenrechte, freie und unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft".

FPÖ-Chef Kickl reagierte am Sonntag zurückhaltend. "Manches scheint heute um einiges klarer zu sein als in den letzten Tagen, manches liegt noch im Ungewissen", schrieb er im Onlinedienst X.

(Mit Material von afp und dpa)

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