Die Risiken der Erderwärmung lassen sich nach Ansicht des Weltklimarats IPCC durch die Begrenzung auf 1,5 Grad einigermaßen einschränken. Dies Ziel könne aber nur durch einen raschen Wandel auf allen Feldern erreicht werden.
"Eine der Kernaussagen des Berichts ist: Wir sehen derzeit bereits die Konsequenzen von einem Grad Erderwärmung wie mehr Extremwetter, steigende Meeresspiegel, schwindendes arktisches Meereis und andere Veränderungen", sagte der Co-Vorsitzende einer IPCC-Arbeitsgruppe Panmao Zhai.
"Der Sonderbericht sendet ein klares Signal an die Politik: jetzt handeln, es ist fast schon zu spät," kommentierte Niklas Höhne von der niederländischen Universität Wageningen.
Der globale Meeresspiegel würde bis zum Ende dieses Jahrhunderts bei 1,5 Grad Erwärmung um 10 Zentimeter weniger klettern als bei 2 Grad. "Das würde beinhalten, dass 10 Millionen weniger Menschen den Risiken ausgesetzt wären, wie der Versalzung von Äckern oder Überschwemmungen durch Stürme in küstennahen Gebieten", sagt IPCC-Autor Wolfgang Cramer. "Das Nildelta und andere Flussdeltas erleben schon jetzt Verluste an Landfläche durch eindringendes Meerwasser."
Einen eisfreien Arktischen Ozean im Sommer gibt es laut IPCC bei 1,5 Grad wahrscheinlich einmal pro Jahrhundert, bei 2 Grad vermutlich "mindestens einmal pro Jahrzehnt".
Auch warnen die Autoren, dass etwa 70 bis 90 Prozent der Korallenriffe verschwinden, wenn es um 1,5 Grad wärmer wird als vor der Industrialisierung. "Mit 2 Grad wären praktisch alle verloren." Bei 2 Grad Erwärmung könnten deutlich weniger Fische gefangen werden.
Einig sind sich die meisten Forscher, dass die Welt ohne zusätzliche Anstrengungen auf 3 bis 4 Grad Erwärmung zusteuert. Im Klimaabkommen von Paris hatten die Länder eine Obergrenze von deutlich unter zwei Grad Erwärmung beschlossen. Es sollte auf Drängen kleiner Inselstaaten zudem versucht werden, sie bei 1,5 Grad zu stoppen.
Nach dem neuen IPCC-Bericht kann der Mensch im Vergleich zu älteren Berichten möglicherweise etwas mehr CO2 ausstoßen, um dennoch dass 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.
Der Zeitgewinn sei aber "schon längst verfrühstückt" angesichts der geplanten und existierenden Kohlekraftwerke, die oft noch Jahrzehnte CO2 ausstießen. "Es gibt zwar keinen Grund zum Fatalismus, aber es gibt einen gewaltigen Handlungsdruck. Wenn wir global nicht bald aus der Kohle aussteigen, schlagen wir die Tür zum 1,5-Grad-Ziel ein für alle Mal zu."
Der Bericht zeigt vor allem Szenarien auf, die nicht zu einem sogenannten Overshoot führen, einer kurzzeitigen Überschreitung des 1,5-Grad-Ziels. Beim Overshoot müssten der Mensch später mehr CO2 aus der Atmosphäre ziehen als er produziert. Das kann durch sogenanntes Geoengineering geschehen. Die Techniken dazu sind im großen Maßstab jedoch noch ungeprüft. Einige könnten zudem große Risiken bergen, warnen die IPCC-Autoren.
"Dem Thema Geoengineering wird im IPCC-Report zum Glück eine deutliche Absage erteilt", sagte die Referentin für Internationale Klimapolitik bei der Heinrich-Böll-Stiftung, Linda Schneider, die an der Debatte in Incheon teilgenommen hatte. Dagegen gebe es die Möglichkeiten der CO2-Bindung durch die Wiederherstellung von natürlichen Ökosystemen, "vor allem Wäldern, die der Bericht wegen ihrer Vorteile für Biodiversität, Bodenqualität und lokaler Ernährungssicherheit" als sehr positiv bewerte, betonte Lindner.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte als Konsequenz aus dem neuen Bericht die Bundesregierung auf, schnellstmöglich die Stromerzeugung aus Kohle zu beenden. "Hitzesommer, Extremwetter, Ernteausfälle - alle Alarmzeichen stehen auf Rot", sagte er der Nachrichtenagentur AFP in Berlin.
Bis spätestens 2025 müsse der Kohleausstieg in Deutschland abgeschlossen sein, forderte Laura Weis vom Klimaschutz-Netzwerk 350.org
Der Klimaexperte der Entwicklungsorganisation Care, Sven Harmeling, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, "die Blockade für höhere EU-Klimaziele" umgehend zu beenden. Alles andere laufe auf einen Bruch des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus.
(aj/dpa/afp)