In den Niederlanden ist Salo Muller, 82, so etwas wie ein Star. Als Physiotherapeut beim Fußballklub Ajax Amsterdam war er ein wichtiger Teil jener Mannschaft um Johan Cruyff, die Anfang der 70er-Jahre Europas Fußball aufmischte und aufstieg zum großen Konkurrenten des FC Bayern München.
Seit Mittwoch hat Salo Muller noch einen anderen Platz in der Geschichte sicher. Nach jahrelangem Kampf zwang er die niederländische Bahn Nederlandse Spoorwegen (NS) Verantwortung für ihre Rolle in der deutschen Vernichtungsmaschinerie während der Besatzungszeit zu übernehmen.
Für ihre Mitwirkung an der Deportation der niederländischen Juden wird die niederländische Bahn einen Entschädigungsfonds einrichten.
Salo Mullers Geschichte in 3 Akten.
Insgesamt wurden während der deutschen Besatzung in den Niederlanden während des zweiten Weltkriegs 107.000 jüdische Mitbürger deportiert, die meisten von ihnen in die deutschen Vernichtungslager Auschwitz und Sobibor. Nur rund 5.000 von ihnen überlebte.
Auf eine Entschädigung mussten sie lange warten. Bis sich Salo Muller der Sache annahm.
Salo Muller kommt 1936 in Amsterdam zur Welt. Seine Eltern Lena Blitz und Louis Muller werden 1941 von den Nazis festgesetzt, nach Auschwitz deportiert und vergast. Salo Muller überlebt als Kind im Untergrund, unter anderem verbringt er die Schreckensjahre der deutschen Besatzung in Friesland.
Mit der Schule hat Salo Muller nach 1945 wenig am Hut. Er lernt Physiotherapie und gelangt über seinen Lehrer in den 60ern zu Ajax Amsterdam. Muller ist stolz auf seinen Verein, auch, weil der sich selbstbewusst zu seinen jüdischen Wurzeln bekennt. Als Ajax 1970 den Europapokal gewinnt, sorgt Muller für die fitten Beine der Kicker um Johan Cruyff.
Muller verlässt den Klub, es geht um die Bezahlung. Aber Ajax bleibt er immer verbunden.
Später widmet sich Muller dem Kampf für Gerechtigkeit. Es geht um die Mitwirkung der niederländischen Bahn an der Vernichtung der niederländischen Juden während des Zweiten Weltkriegs.
2005 entschuldigt sich die niederländische Bahn erstmals für ihre Rolle während der Zeit der deutschen Besatzung. Umgerechnet erhielt das Unternehmen nach heutigem Wert rund 2,5 Millionen Euro für die Fahrten in die Vernichtungslager.
Später kommt eine Untersuchungskommission zu dem Ergebnis.
Nun stimmte die Bahn zu, einen Entschädigungsfonds für Überlebende oder die Anghörigen der Opfer aufzulegen.
Zuvor hatte bereits die französische Staatsbahn SNCF für ihre Beteiligung an der Deportation jüdischer Mitbürger einen Entschädigungsfonds über 60 Millionen Dollar aufgelegt.
Die Deutsche Bahn war zu Jahresbeginn in die Kritik geraten, als sie einen ihrer ICE-Züge nach der Tagebuchautorin Anne Frank benennen wollte, das Mädchen aus Amsterdam war ebenfalls von den Nazis ermordet worden.