Notwendige Abschreckung? Überflüssige Provokation? 9 Fragen zum Nato-Großmanöver
25.10.2018, 07:54
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Die Nato hält von diesem Donnerstag an ihr größtes
Manöver seit Ende des Kalten Krieges ab. Um eine Minute nach
Mitternacht übernahm der amerikanische Admiral James G. Foggo
das Kommando über rund 50.000 Soldaten, die an der zweiwöchigen
Feldübung in Norwegen beteiligt sind. Hinzu kommen 10.000 Fahrzeuge
sowie mehr als 300 Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Schiffe. Sind
zusätzliche Spannungen mit Russland programmiert? Die wichtigsten
Fragen und Antworten zu "Trident Juncture":
Warum übt die Nato wieder in diesem Ausmaß?
Ziel ist es, ein Signal der Abschreckung an Russland zu senden und
für den sogenannten Bündnisfall zu trainieren. Dieser könnte
ausgerufen werden, wenn einer oder mehrere der 29 Mitgliedstaaten von
einem Gegner angegriffen würden. In der Folge müssten dann die
anderen Verbündeten Beistand leisten. "Trident Juncture wird die
klare Botschaft aussenden, dass wir bereit sind, alle Bündnispartner
gegen jegliche Gefahr zu verteidigen", sagt Nato-Generalsekretär Jens
Stoltenberg. Um glaubhaft abschrecken zu können, müsse man die Stärke
des Bündnisses zeigen.
Bild: Reuters
Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde massiv abgerüstet, jahrelang
wurde auch kaum noch für den Bündnisfall trainiert.
Seit wann wird Russland wieder als Gefahr gesehen?
Das Jahr der Wende war 2014. Damals begann der von Russland befeuerte
Krieg in der Ostukraine, den Russland auch nutzte, um sich die
ukrainische Halbinsel Krim einzuverleiben. Seit diesen Ereignissen
drängen vor allem östliche Bündnispartner darauf, sich wieder besser
für den Bündnisfall zu wappnen. Es könne nicht mehr ausgeschlossen
werden, dass Russland auch in einem Nato-Land für Unfrieden oder
sogar Krieg sorgen könnte, lautet die Argumentation.
Ist diese Gefahr wirklich gegeben?
Das ist umstritten. Während Polen sowie die Ex-Sowjetrepubliken
Lettland, Litauen und Estland von einer tatsächlichen Bedrohung
ausgehen, sind Deutschland und auch führende Nato-Militärs
entspannter. Sie sehen keine Anzeichen dafür, dass Russland einen
Angriff auf einen Nato-Staat plant. Um dennoch für den Fall der Fälle
gewappnet zu sein, wird seit 2014 allerdings wieder stark aufgerüstet
und wieder deutlich mehr geübt. Russland empfindet das als
Provokation, obwohl es selbst zuletzt riesige Manöver abhielt.
Was ist das Szenario der Nato-Übung?
In der ersten Runde von "Trident Juncture" werden von Ländern wie
Deutschland, Italien und Großbritannien gebildete "südliche Kräfte" einen Angriff von "nördlichen Kräften" abwehren. Letztere sollen
unter anderem aus Truppen der USA, Kanadas und Norwegens bestehen. In
der zweiten Runde sieht das Szenario nach Bündnisangaben dann einen
Gegenangriff der "südlichen Kräfte" auf die "nördlichen Kräfte" vor.
Bild: X03825
Wird bei "Trident Juncture" auch das Schießen trainiert?
Ja, allerdings eher am Rande und nur auf Übungsplätzen. Hauptziel ist
es, das internationale Zusammenspiel von Truppen zu trainieren. Es
soll gezeigt werden, dass die Nato Kräfte innerhalb kürzester Zeit in
Stellung bringen, einsetzen und versorgen kann. Bei den Luftübungen
geht es unter anderem darum, das Zusammenwirken von modernen
Luftstreitkräften mit Patriot-Flugabwehrsystemen zu üben.
Spielen auch offensive Cyberwaffen eine Rolle?
Also, zum Beispiel solche, die Computer- und Telekommunikationsnetze lahmlegen können?
Das ist offen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bestätigte am
Mittwoch lediglich, dass es einen Cyber-Teil in dem Manöver geben
werde. Details wollte er allerdings nicht nennen.
Deutschland ist nach den USA mit rund 10.000 Soldaten größter Truppensteller bei der Übung.
Ist das Zufall?
Nein. Für die Bundeswehr ist die Großübung eine besondere
Bewährungsprobe. Sie übernimmt im kommenden Jahr die Führung der
schnellen, im Zuge der Ukraine-Krise aufgestellten
Nato-Eingreiftruppe VJTF. In Norwegen soll sie unter Beweis stellen,
dass sie für die Aufgabe gerüstet ist.
Für Deutschland ist das
Manöver zudem eine Gelegenheit, Donald Trump zu demonstrieren, dass
es bereit ist, mehr Verantwortung für die Sicherheit Europas zu
übernehmen. Der US-Präsident fordert seit seinem Amtsantritt deutlich
höhere Verteidigungsausgaben von der Bundesregierung und hat sogar
schon mit einem Nato-Austritt gedroht, sollten die europäischen
Alliierten nicht mehr Anstrengungen in dem Bereich unternehmen.
Bild: X03825
Was sagt Russland zu der Übung?
Die Regierung in Moskau vertritt die Meinung, das Großmanöver der
Nato trage weiter zur Destabilisierung in der Region bei.
Rückendeckung bekommt sie dabei sogar aus dem deutschen Bundestag.
Die russische Seite werde es sich nicht nehmen lassen, im Gegenzug
ebenfalls aufzurüsten und Militärmanöver zu starten, kommentiert der
Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Neu.
Die gesamte Übung sei "eine einzige Provokation und Drohgebärde gegenüber Russland". Neu
verwies zudem darauf, dass die Nato-Staaten zuletzt mehr als 14-mal
so viel Geld für die Verteidigung ausgegeben hätten wie Russland. "Russland hat momentan weder die materiellen noch die finanziellen
und auch nicht die personellen Fähigkeiten, um die Nato überhaupt
erfolgreich angreifen zu können."
Militärische Übungen in RusslandBild: AP
In Deutschland gab es zuletzt viele Diskussionen um Ausrüstungsmängel
bei der Bundeswehr. Exemplarisch dafür steht ein Bericht, nach dem
Soldaten 2015 bei einem Nato-Manöver die fehlende Bewaffnung von
Transportpanzern durch schwarz angestrichene Besenstiele ersetzten.
Ist bei "Trident Juncture" Ähnliches zu befürchten?
"Besenstiele an Panzern kann ich ausschließen, Besenstiele zum
Reinigen unserer Unterkünfte nicht", sagt Brigadegeneral Michael Matz
(59). Seinen Angaben zufolge haben die deutschen Soldaten alles, was
sie für eine erfolgreiche Teilnahme am Manöver brauchen. Selbst für
den Fall, dass die Temperaturen tief unter den Gefrierpunkt fallen,
sollen sie gut ausgerüstet sein.
(sg/dpa)
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