Die Auslieferungshaft ist erstmal abgelehnt. Der katalanische Ex-Regierungschef Carles Puigdemont bleibt in Deutschland auf freiem Fuß. Noch aber muss die Justiz in Schleswig-Holstein über Spaniens Auslieferungsgesuch entscheiden.
Wie es mit Puigdemont (und Katalonien) jetzt weitergeht – ein Drama in 5 Akten.
Der katalanische Politiker Carles Puigdemont wird 2016 zum Regierungschef der autonomen Region Katalonien gewählt. Das Gebiet um die Hafenstadt Barcelona fiel 1714 an Spanien. Viele Katalanen empfinden das bis heute als Fremdherrschaft.
Das freiheitliche Selbstverständnis wurde während der Diktatur von General Franco (1936-1975) bestärkt, als Katalonien im Spanischen Bürgerkrieg auf den Seiten der republikanischen Kräfte kämpfte. Im Stadion des FC Barcelona erfolgt noch heute bei jedem Spiel nach 17.14 Minuten der Ruf nach Freiheit.
Im Oktober 2017 spitzt sich die Lage zu. Nach einem Referendum ruft Puigdemont die Unabhängigkeit der Region aus. Spaniens Zentralregierung in Madrid lehnt dies ab. Sie wirft Puigdemont unter anderem vor:
In Spanien drohen Puigdemont dafür bis zu 30 Jahren Haft.
Ende Oktober 2017 setzt sich Puigdemont nach Belgien ab.
Der belgische Innenstaatssekretär Theo Francken hatte ihn indirekt eingeladen und erklärt:
Francken gehört der pro-flämischen Partei N-VA an, die für eine weitgehende Autonomie Flanderns, der niederländischsprachigen Region um die Hafenstadt Antwerpen, eintritt. Ansonsten politisch aber eher rechts steht, etwa in der Asylpolitik.
Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung genießt dort eine große Sympathie.
Die belgische Justiz lehnt im Dezember 2017 ein spanisches Auslieferungsgesuch ab.
Puigdemont bezieht ein Haus in Waterloo, das er als Zentrum der katalanischen Exilregierung ansieht. Von dort unternimmt er Vortratgsreisen, etwa nach Dänemark und Finnland.
Er reist mit dem Auto, weil er beim Umsteigen auf Flughäfen fürchten muss, dass ihn Spaniens Justiz festsetzen lässt.
Die EU-Kommission ignoriert einen Konflikt und lehnt eine Vermittlerrolle ab.
Sie fürchtet: Die Autonomiewelle könnte auf andere Regionen übergreifen. Seit Tschechien und die Slowakei sich 1992 friedlich trennten, ist Sezession kein Unwort mehr.
Ironischerweise bietet die EU gerade die Voraussetzung für das Aufkommen der Autonomiebewegungen wie in Katalonien und Flandern. Der Historiker Philipp Ther erklärt:
Die Regionen wollen vor allem eins: Steuerhoheit und Schulautonomie (um über Sprachenpolitik die Lokalsprache zu garantieren). Den Rest – Äußeres und Verteidigung – kann gerne die Zentrale machen. Glokalisierung nennt das N-VA Parteichef Bart De Wever – eine Mischung aus Globalisierung und Lokalisierung.
Auch in der Politikwissenschaft gibt es Sympathie. Die Politologin Ulrike Guérot etwa plädiert für ein Europa der Regionen. Sie sagt:
Guérots Analyse: Der Nationalstaat steckt in der Krise. Globalisierung (und EU) knabbern von oben an seiner Souveränität. Von unten fordert die Zivilgesellschaft mehr Mitsprache und Transparenz.
Ihr Vorschlag: Die EU gruppiert sich neu. 50 bis 60 Regionen, es gibt ein EU-Parlament und daneben ein Senat, in das jede Region zwei Senatoren entsendet, beide Kammern wählen die EU-Regierung.
Klingt unrealistisch? Aber in den USA funktioniert's.
Nach einem Vortrag in Helsinki wird Puigdemont im März auf der Rückfahrt mit dem Auto in Schleswig-Holstein festgenommen.
Grundlage ist ein europäischer Haftbefehl der spanischen Justiz. Das juristisch Knifflige aber ist. Der Auslieferung kann nur stattgegeben werden, wenn Puigdemont wegen der zur Last gelegten Straftat nicht nur in Spanien, sondern auch in Deutschland belangt werden könnte.
Das Gericht muss nun entscheiden, ob der spanische Vorwurf der Rebellion nach deutschem Recht einem Hochverrat gleichkommt.
Das Gericht entscheidet am Mittwoch über Puigdemonts Auslieferung an Spanien. So oder so gilt:
In Katalonien hat Puigdemont die Amtsgeschäfte an seinen Vertrauten Quim Torra ab.
Ob mit oder ohne Puigdemont. Katalonien strebt weiter nach Unabhängigkeit.
(AFP, dpa, per)