Die ukrainische Armee braucht dringend neue Kräfte. Seit über drei Jahren kämpft das Land gegen die russische Invasion – doch die Zahl der verfügbaren Soldat:innen schrumpft. Jüngst ging Kiew darum neue Wege: Eine Million Hrywnja, also rund 20.000 Euro, soll junge Männer motivieren, sich freiwillig für die Front zu melden.
Die Kampagne läuft bereits seit zwei Monaten auf Hochtouren – im Militärfernsehen und auf Social Media. Adressiert werden Männer zwischen 18 und 24 Jahren, die bisher vom Wehrdienst ausgenommen waren. Wer sich meldet, bekommt die Prämie – und mehr: kostenlose Studienplätze, zinslose Wohnungskredite und einen auf ein Jahr begrenzten Dienstzeitvertrag. Danach: ein Jahr Ruhe vor dem Militär.
Laut Heorhij Mykhailowskyj, der bei der 72. Brigade für Rekrutierungen zuständig ist, steht das Geld für viele Freiwillige gar nicht im Mittelpunkt. Der eigentliche Anreiz sei Patriotismus, wird er vom "Tagesspiegel" zitiert. Und auch die begrenzte Dienstzeit sei für viele ein entscheidendes Motiv, sagt der Militär. Erst an dritter Stelle komme das Finanzielle.
Klingt gut – kommt aber nicht überall gut an.
Denn an der Front sorgt die Maßnahme für Frust. Viele Soldaten kämpfen seit Beginn der Invasion – ohne Aussicht auf Entlassung, ohne Bonus. Einer von ihnen ist Jurij, stationiert bei Kupjansk. Im Telefongespräch mit dem "Tagesspiegel" sagt der 27-Jährige:
Inzwischen hat die Regierung reagiert: Die Millionen-Prämie soll auch rückwirkend an alle gezahlt werden, die sich bereits mit unter 24 Jahren freiwillig gemeldet haben. Doch was ist mit den anderen Vergünstigungen – wie dem einjährigen Vertrag?
Jurij hat darauf keine Antwort erhalten. Er rechnet auch nicht mehr damit, denn der Soldat weiß: "Es gibt einfach niemanden, der uns ersetzen könnte."
Die neue Rekrutierungskampagne ist auch eine Reaktion auf politischen Druck aus dem Westen. Weil es an Personal fehlt, fordern internationale Partner eine Senkung des Mobilisierungsalters. Doch das wäre im Land extrem unpopulär – also setzt die Regierung lieber auf finanzielle Anreize.
Der Erfolg hält sich bisher aber in Grenzen: Laut Pawlo Palissa, Vizechef des Präsidialamts, haben bislang weniger als 500 Freiwillige den neuen Vertrag unterschrieben. "Ich würde mir wünschen, dass die Zahl höher ist", sagt Palissa.
Zum Vergleich: Im Jahr 2024 wurden monatlich bis zu 30.000 Männer zwischen 25 und 60 Jahren eingezogen. So viele braucht das Militär laut Armeechef Oleksandr Syrskyj auch weiterhin – und zwar jeden Monat.