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Um sich die besetzten und annektierten Gebiete der Ukraine zu Eigen zu machen, setzt Russland auch auf Desinformation und Umerziehungsmaßnahmen. So versucht der Kreml, das Denken von ukrainischen Kindern und Jugendlichen zu beeinflussen. Das fängt mit der Sprache an und zieht sich durch alle Bereiche des Lebens. Viel Kontrolle darüber, womit sich Kinder und Jugendliche gedanklich befassen, herrscht in der Schule.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte bereits wenige Monate nach Kriegsbeginn angeordnet, nur nach russischem Lehrplan zu unterrichten.
Der Kreml setzt laut einem aktuellen Bericht auf finanzielle Anreize, um Lehrer:innen, Kulturarbeiter:innen und Sporttrainer:innen in besetzte Gebiete der Ukraine zu locken. Das lässt sich das Regime einiges kosten.
Russland zahlt bis zu zwei Millionen Rubel – umgerechnet rund 22.000 Dollar –, wenn Lehrer:innen sich verpflichten, fünf Jahre lang in besetzten Gebieten der Ukraine zu unterrichten. Das berichtet das Center for European Policy Analysis (CEPA) in einem aktuellen Bericht vom 26. Juni. Betroffen sind die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson sowie die bereits 2014 annektierte Krim.
Die Initiative ist Teil eines Programms namens "Zemskyi Uchitel", ursprünglich gedacht, um Lehrer:innen in abgelegene Dörfer Russlands zu locken. Seit 2024 wird das Programm aktiv auf ukrainischem Boden ausgerollt, wenngleich laut CEPA bereits 2022 erste russische Pädagog:innen in den besetzten Gebieten auftauchten.
"Wir haben dokumentiert, dass Lehrkräfte und auch Direktoren bereits 2022 in der Region Saporischschja angekommen sind", sagt Kateryna Rashevska vom ukrainischen Regional Center for Human Rights laut des Berichts. "Die erste Gruppe kam aus Dagestan. Bis 2024 arbeiteten bereits 37 Lehrer:innen aus Dagestan in der Region."
Die Aufgaben der neuen Lehrkräfte sind nicht neutral: Unterrichtet werden Fächer wie Russisch, Geschichte und auch sogenannte "Grundlagen der Lebenssicherheit und Verteidigung des Vaterlandes". Letzteres klingt harmlos, ist laut Rashevska aber klar auf militärische Ausbildung und spätere Rekrutierung ausgerichtet. "Sie versuchen, ukrainische Kinder zu russischen Patrioten und künftigen Soldaten zu erziehen."
Schmackhaft gemacht wird Lehrpersonen das durch Werbung und Propaganda im Staatsfernsehen. So berichten jene, die diesen Schritt bereits gegangen sind, in Interviews offen über ihre Motivation: "Ich hatte einen Traum, das Meer zu sehen", erzählte etwa die Russischlehrerin Yulia Antonyuk laut CEPA-Bericht in einem Interview im russischen Staatsfernsehen.
Sie war von Omsk auf die Krim gezogen und begeistert: "Ich habe nicht nur meine beruflichen Ziele verwirklicht, sondern auch mein persönliches Glück gefunden: Ich habe geheiratet."
Insgesamt sollen laut ukrainischen Angaben über 100 Lehrer:innen auf die Krim umgesiedelt worden sein, viele aus Regionen wie Krasnodar, Altai, Tomsk, Saratow oder Udmurtien. Und der Strom soll auch nicht abreißen: CEPA zufolge plant Moskau, allein 2025 weitere 100 Lehrkräfte in die besetzten Gebiete zu bringen.
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Parallel zu den Umsiedlungen russischer Lehrer:innen übt der Kreml massiven Druck auf ukrainisches Schulpersonal aus, sich dem russischen System unterzuordnen. Wer nicht mitmacht, wird sanktioniert – oder gleich abgeschoben.
"In Berdiansk wurde ein Schulleiter deportiert, weil er sich geweigert hatte, die Schule unter russischen Vorgaben zu öffnen", sagt Mariia Sulialina, Leiterin der ukrainischen Menschenrechtsorganisation Almenda dem "Kyiv Independent". Lehrer:innen, die "Putin nicht genug loben", riskieren laut Sulialina ihre Entlassung.
Viele versuchen, ihren Unterricht möglichst neutral zu halten. Doch das wird schwieriger. "Lehrer:innen können bestraft werden, wenn sie 'extremistisches Verhalten' unter Schüler:innen nicht melden", sagt Sulialina. Extremistisch heißt in der Praxis oft: pro-ukrainische oder zumindest nicht pro-russische Ansichten.
Neben dem Lehrprogramm gibt es mittlerweile ähnliche Initiativen für Sportlehrer:innen und Kulturvermittler:innen. Auch sie werden mit bis zu zwei Millionen Rubel gelockt. CEPA zufolge arbeiten mittlerweile über 200 demobilisierte russische Soldaten in Schulen der besetzten Gebiete – teils als Lehrer für Sport oder Militärkunde.
Juristisch sind diese Maßnahmen hochproblematisch. "Es handelt sich um koloniale Praktiken", betont Kateryna Rashevska im Bericht. Sie verweist auf Artikel 49 der Genfer Konvention sowie Artikel 8 des Römischen Statuts: Beide verbieten die Ansiedlung von Besatzungsmächten auf fremdem Territorium.
Trotzdem fehle bisher die Konsequenz. "Es gibt mächtige Mechanismen, aber sie werden nicht genutzt", sagt Rashevska.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) priorisiere Kolonisierung bislang nicht, obwohl die Programme von Lehrkräften, Kulturschaffenden und Trainer:innen federführend vom Staat organisiert werden.
Rashevska fordert zudem gezielte Sanktionen gegen jene, die die Siedlungsprogramme orchestrieren und fördern. Auch die unabhängige UN-Kommission müsse diese Verstöße endlich dokumentieren und international anklagen.