Staatsanwälte rieben sich die Hände, als Joaquín Guzmán an die USA ausgeliefert wurde. Im Drogenkrieg gleicht er einer Jagdtrophäe, im Prozess droht ihm nun lebenslange Haft. Aber der Drogenschmuggel mit Milliardenumsatz und das Gemetzel südlich der Grenze gehen weiter.
Guzmán, der besser unter seinem Spitznamen "El Chapo" bekannt ist, harrt nun schon bald zwei Jahre im Hochsicherheitsgefängnis in New York aus. Die Einrichtung im Süden Manhattans soll härter sein als das Lager Guantánamo auf Kuba.
Bis zu 24 Stunden am Tag verbringt Guzmán in einer 15 Quadratmeter großen, fensterlosen Zelle. Ausnahmen gibt es nur unter der Woche, wenn er täglich eine Stunde ein Laufband und einen Fahrrad-Trainer benutzen darf. Depressionen und Halluzinationen seien die Folge, warnten seine Anwälte.
Mit Drogenschmuggel und anderen illegalen Geschäften verdiente der frühere Chef des Sinaloa-Kartells laut Staatsanwaltschaft Milliarden. Im Staat Sinaloa an der Westküste sitzt das Herz des mexikanischen Drogenhandels, vor allem Marihuana und Schlafmohn zur Herstellung von Heroin werden hier angebaut.
Auch das aus Kolumbien stammende Kokain wird tonnenweise vor allem über Mexiko in die Vereinigten Staaten geschmuggelt. Das Sinaloa-Syndikat zählt laut US-Drogenbehörde DEA schon lang zu den Hauptlieferanten illegaler Drogen mit Ziel USA.
Guzmán ist im blutigen Drogenkrieg, der auch ohne ihn weiter tobt, so etwas wie eine Jagdtrophäe. Sein weltweiter Ruhm lässt sich mit dem des 1993 getöteten Drogenbarons Pablo Escobar vergleichen.
Die unabhängige Chicago Crime Commission hatte ihn 2013 zum Staatsfeind Nummer Eins erklärt – ein Titel, den zuvor nur Gangsterboss Al Capone bekam. Das Magazin "Forbes" führte ihn in seinen Milliardärslisten und sprach vom "mächtigsten Drogenhändler weltweit".
Gleich ein Dutzend Staatsanwälte sitzen in New York nun an dem Fall. Auch in Chicago, Miami, San Diego an der mexikanischen Grenze und weiteren Bundesbezirken wurde Guzmán angeklagt. Dort hatten sich Strafverfolger wohl schon die Hände gerieben. Aber in Brooklyn im Bezirk "Eastern New York", wo der Fall nun verhandelt wird, sammelt sich das geballte Wissen aus einem jahrzehntelangen Kampf gegen das organisierte Verbrechen.
Entsprechend schwere Geschütze hat auch Guzmán aufgefahren. Neben den Anwälten Eduardo Balarezo und William Purpura wird er nun auch von Star-Verteidiger Jeffrey Lichtman vertreten. Zu dessen Mandanten zählte der Sohn von Mafia-Boss John Gotti, den Lichtman erfolgreich in einem Prozess um Wertpapierbetrug in Höhe von 25 Millionen Dollar verteidigt hat. In höchstem Tempo arbeiteten sich die Anwälte durch 300.000 Seiten Dokumente und massenhaft anderes Beweismaterial.
Dabei war lange nicht klar, ob der 61 Jahre alte Guzmán seine Spitzenanwälte überhaupt bezahlen kann. Die Staatsanwaltschaft hatte offengelassen, ob Zahlungen an die Verteidiger beschlagnahmt würden.
Lichtman war wegen dieser Bedenken erst nicht Teil des Teams. Er sagte der Deutschen Presse-Agentur dann aber im August, das Problem mit der Bezahlung sei "endlich gelöst". Details nennt er nicht. Von geschätzt 14 Milliarden Dollar (12.2 Mrd Euro) aus mutmaßlichem Drogenhandel fehlt den US-Behörden weiterhin jede Spur.
Von all dem Zirkus um einen der größten Drogenprozesse in der amerikanischen Geschichte lässt Richter Brian Cogan sich nicht beeindrucken. Mit ruhiger Hand hat er die Vorbereitungen für das Verfahren geleitet, das nach Auftakt mit der Jury-Auswahl am 5. November in der Woche darauf mit den Eröffnungsplädoyers offiziell beginnen und dann rund drei oder vier Monate dauern dürfte.
Bei einer Verurteilung droht Guzmán eine lebenslange Haftstrafe. Die nach Bundesrecht der USA immer noch legale Todesstrafe ist ausgeschlossen, darauf hatten sich Mexiko und die USA bei der Auslieferung verständigt.
Zwölf Geschworene sollen nun über Guzmáns Schicksal entscheiden, komplett abgeschirmt von der Presse und Öffentlichkeit. Ihre Namen und Gesichter sollen geheim bleiben. Zu groß sei die von Guzmán ausgehende Gewalt, nachdem er mutmaßlich Hunderte Menschen ermorden, angreifen und entführen ließ, meint Richter Cogan.
Die Staatsanwaltschaft hat 16 Zeugen in Stellung gebracht –vermutlich frühere Partner, Freunde und Unterstützer Guzmáns. Unter ihnen ist etwa Dámaso López, der Guzmáns Nachfolge angetreten hatte.
"Licenciado" (Der Akademiker) heißt er wegen seines Jurastudiums mit Spitznamen. Nachdem auch er im Juli an die USA ausgeliefert wurde, einigte er sich mit Ermittlern darauf, mit ihnen zu kooperieren.
2001 und 2015 waren Guzmán noch spektakuläre Gefängnisausbrüche in Mexiko gelungen, nun könnte es in seinem Drama der vorerst letzte Akt sein. "Er ist bereit für den Prozess. Er ist guten Mutes und ihm ist klar, womit er konfrontiert wird", sagte Anwalt Balarezo zuletzt. Die Chancen, dass die USA ihn als Trophäe auf Lebzeiten hinter Gitter bringen, stehen gut. Illegale Drogen fließen unterdessen weiter ins Land. Und das Gemetzel südlich der Grenze geht weiter.
(pbl/dpa)