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Interview

Trump-Zölle: Experte erklärt, was die Folgen für China sind

ARCHIV - 02.04.2025, USA, Washington: US-Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses. (zu dpa: «Zweite Stufe von Trumps Zoll ...
US-Präsident Donald Trump sprach während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen HausesBild: AP / Mark Schiefelbein
Interview

"Die Zölle sind für China keineswegs tödlich"

John Lee, ein führender Experte für chinesische Außenpolitik, erklärt, weshalb China eine wirtschaftliche Abkoppelung von den USA verkraften kann, chinesische Elektroautos keine Gefahr für Europa sind und warum wir wieder mit China sprechen müssen.
10.04.2025, 07:1110.04.2025, 07:11
Philipp Löpfe / watson.ch
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Wir hatten den Chip War und jetzt haben wir den Handelskrieg. Welcher ist schlimmer?

John Lee: Der Handelskrieg.

Weshalb?

Den Chip War konnten wir eingrenzen, er spielte sich vor allem zwischen den USA und China ab. Der Handelskrieg betrifft alle. Dazu kommt, dass es für den Handelskrieg keine rationale Basis gibt. Die Formel, welche die Amerikaner für die Festlegung der Zölle benutzen, spottet jeglicher Vernunft. Die höchsten Zölle betreffen Lesotho, ein mausarmes Land in Afrika.

Sogar Pinguine werden mit Zöllen belegt.

Das mag lustig tönen. Doch die meisten Länder können sich nicht gegen diese Zölle zur Wehr setzen, vor allem die kleineren und ärmeren, die nicht die Mittel haben, über die China verfügt.

John Lee
John Lee ist neu ernannter TOY Senior Fellow bei Asia Society Switzerland.Bild: watson.ch

China will nun heftig zurückschlagen – und Trump hat die Strafzölle noch weiter in die Höhe geschraubt. Gibt es da noch eine Lösung?

Wenn die Drohungen wahr gemacht werden, können wir jetzt von einem "hard decoupling" sprechen, von einem vollständigen Bruch der Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern.

Kann China es verkraften, wenn es von seinem größten Exportmarkt ausgeschlossen wird?

Derzeit gehen nur noch rund 15 Prozent aller chinesischen Exporte in die USA. China ist weit weniger von Exporten abhängig als beispielsweise Deutschland. In Deutschland wandern rund die Hälfte der produzierten Güter und Dienstleistungen in den Export. In China sind es mittlerweile bloß 20 Prozent. Ja, die Zölle werden China weh tun, aber sie sind keineswegs tödlich.

Hier im Westen haben wir in den letzten Jahren immer wieder mitgeteilt bekommen, wie mies es der chinesischen Wirtschaft geht. Überalterung der Bevölkerung, Immobilienkrise, Jugendarbeitslosigkeit, etc. Was ist davon zu halten?

Es ist nicht ganz falsch, doch weit übertrieben. Die Immobilienkrise ist tatsächlich ein Problem, doch inzwischen scheint das Schlimmste überstanden zu sein. China hat derzeit keine unüberwindbaren Probleme mehr. Das Überalterungs-Problem beispielsweise können wir lösen, indem wir das Rentenalter erhöhen und die Automatisierung vorantreiben. Auch die Jugendarbeitslosigkeit können wir überwinden.

Alles im grünen Bereich, also?

Nicht ganz. Die Deflation bleibt noch ein Problem.

"Nach wie vor erzielt BYD 90 Prozent seines Umsatzes in China."

Das "Wall Street Journal" und der "Economist" haben China bereits zum Gewinner des Handelskriegs ausgerufen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wenn Sie unter "Gewinnen" verstehen "weniger als die anderen verlieren", dann ja. Aber natürlich exportiert China immer noch in bedeutendem Ausmaß. Aber es ist, wie bereits erwähnt, weniger exportabhängig als die meisten anderen Nationen.

China ist inzwischen der grösste Player im Bereich der Elektroautos geworden.

Ja, BYD hat Tesla überholt.

FILE - Elon Musk attends the finals for the NCAA wrestling championship, Saturday, March 22, 2025, in Philadelphia. (AP Photo/Matt Rourke, file)
Musk und Tesla liegen hinter dem chinesischen Autobauer BYD.Bild: AP / Matt Rourke

Und gerade eben in Zürich eine Filiale eröffnet.

Nach wie vor erzielt BYD 90 Prozent seines Umsatzes in China. Das widerspricht auch dem oft gehörten Vorurteil, wonach der Binnenkonsum in China viel zu schwach sei. Auch was Unterhaltungs-Elektronik und Robotik betrifft, stammt der weitaus größte Anteil des Konsums aus dem Inland.

Weil der US-Markt geschlossen bleibt, befürchtet man jetzt in Europa, von chinesischen Importen überflutet zu werden. Zu Recht?

Es gibt tatsächlich Überkapazitäten, vor allem im Stahl-Bereich. Das ist jedoch seit einiger Zeit der Fall.

Jetzt hat man im Westen Angst vor billigen chinesischen Elektroautos, vor allem in Deutschland.

Nochmals, bloß ein kleiner Teil der chinesischen Elektroautos werden exportiert. Zudem verkaufen die europäischen Hersteller bisher nur eine geringe Anzahl von Elektroautos. Die EU hat ja bereits Strafzölle auf chinesische Elektroautos verfügt und verschafft den eigenen Herstellern so Zeit, ihren Rückstand aufzuholen. Aus der Sicht der Konsumenten kann ich keine chinesische Überkapazität erkennen. Bisher stammen weniger als 20 Prozent der in Europa verkauften Elektroautos aus China, und diese werden zudem absichtlich teurer als nötig verkauft, um den Eindruck zu vermeiden, man wolle die Märkte fluten.

Es gibt auch die Angst, dass man via Elektroautos Daten der Menschen abzapfen könnte. Was ist davon zu halten?

Die USA nehmen dies bereits als Vorwand, um chinesische Elektroautos zu verbannen, übrigens schon vor Trump. Im Vergleich können Sie von einem Smartphone viel mehr Daten abzapfen als von einem Elektroauto.

Wie sieht es in puncto Qualität aus? Ist ein BYD so gut wie ein Tesla?

Na ja, blickt man auf die Anzahl der Rückrufe wegen Mängeln, dann ist die Qualität von Tesla nicht über jeden Zweifel erhaben. Generell hat die Qualität der chinesischen Elektroautos massiv zugenommen, auch was das Design betrifft. Vor zehn Jahren haben sie nicht wirklich toll ausgesehen. Das hat sich geändert. So hat der Chef von Ford vor zwei Jahren China besucht, war danach zutiefst erschüttert und sprach von einer "existenziellen Bedrohung", die er gesehen habe.

FILE - Visitors check the China made BYD ATTO 3 at the IAA motor show in Munich, Germany, on Sept. 8, 2023. (AP Photo/Matthias Schrader, File)
Können mit den Besten mithalten: die Elektroautos von BYD.Bild: AP / Matthias Schrader

Was macht die chinesischen Autos so gut?

Die Fabriken sind zu einem hohen Grad automatisiert, deshalb ist die Qualität hoch. Ich habe selbst kürzlich ein Auto von BYD getestet und konnte, was das Handling betrifft, keinen Unterschied zu deutschen oder japanischen Modellen feststellen.

Nach wie vor gibt es bei uns jedoch das Vorurteil, chinesische Technik sei zwar billig, aber auch lausig.

Dieses Vorurteil gab es einst auch gegen japanische und südkoreanische Autos. Doch Konsumenten lieben es, wenn sie Geld sparen können.

China hat natürlich nach wie vor ein Image-Problem. Die ganze Menschenrechts-Problematik, etc.

Ich bin skeptisch, ob der durchschnittliche Konsument daran denkt, wenn er ein Auto kauft. Allen Unkenrufen zum Trotz werden ja bereits chinesische Smartphones und Flachbildschirme gekauft. Wenn er Jeans kauft, zerbricht sich der durchschnittliche Konsument auch nicht den Kopf über die Arbeitsbedingungen in Bangladesch.

In Europa zumindest zerbricht sich der durchschnittliche Konsument jedoch den Kopf, weil er Angst um seinen Arbeitsplatz hat. Auch in der Schweiz, die Zulieferer zur deutschen Autoindustrie ist.

Wirklich? Wer direkt davon betroffen ist, vielleicht. Aber sonst? Volkswirtschaftlich gesehen ist es zwar aus verschiedenen Gründen sinnvoll, die Autoindustrie zu schützen, vor allem in Deutschland. Aber wird dies das Verhalten des durchschnittlichen Konsumenten beeinflussen? Ich bin mir da nicht sicher.

"Man kann China nicht ignorieren, es ist mittlerweile die größte Handelsnation der Welt geworden."

Der Handelskrieg befeuert einen neuen Anti-Amerikanismus. Hilft das China?

In Deutschland ist der Verkauf von Tesla bereits massiv eingebrochen. Ob dies dazu führt, dass jeder, der jetzt ein Elektroauto erwerben will, sich sagt, ich kaufe ein chinesisches Modell, das weiß ich nicht.

Die europäischen Hersteller holen auf.

Ja, aber sie müssen immer noch mit einem Rückstand kämpfen. Chinesische Modelle haben deutlich mehr zusätzliche Dinge. Wie wichtig das für die Europäer ist, kann ich nicht abschätzen.

Der Erfolg des KI-Unternehmens DeepSeek hat das Image der chinesischen Technologie massiv erhöht. Hat China damit den Anschluss an die USA gewonnen?

DeepSeek ist keine Revolution, sondern eine Evolution. Die Technik, die benutzt wurde, ist bereits bekannt. Aber es passt ins Bild, wonach sich die chinesische Technologie Schritt für Schritt verbessert. Die Lücke zu den USA und dem Westen schließt sich schnell, schneller als bisher erwartet.

Es ist ja ein erklärtes Ziel der Regierung, China zur führenden Macht auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zu machen.

Nicht die alleinige Führung wird angestrebt, aber man will weltweit mit den Besten mithalten können.

ARCHIV - 28.01.2025, Brandenburg, Sieversdorf: Das Logo des chinesischen KI-Start-ups DeepSeek ist auf einem Smartphone zu sehen. Nun wurde der Chatbot in S�dkorea aus Bedenken des Datenschutzes vor�b ...
Dank DeepSeek kann China auch in Sachen künstlicher Intelligenz mithalten.Bild: dpa / Patrick Pleul

Wird der Handelskrieg dazu führen, dass Europa und Japan sich China annähern?

China hat soeben mitgeteilt, dass Japan und Südkorea die Verhandlungen über Handelsbeziehungen wieder aufgenommen haben, und zwar als direktes Resultat der neuen amerikanischen Zölle. Sollte dies zutreffen, dann können wir zumindest davon ausgehen, dass man mit China wieder über vermehrte Handelsbeziehungen spricht. Aber man kann China nicht ignorieren, es ist mittlerweile die größte Handelsnation der Welt geworden. Sich auf die USA verlassen, ist angesichts der Wankelmütigkeit von Trump keine Strategie mehr.

Wie wird dies alles enden?

Das lässt sich nicht generalisieren. Europa ist in einer ganz anderen Lage als die Länder in Südostasien. Die Europäer verlieren in diesem Handelskrieg weniger als andere. Sie haben immer noch reiche und mächtige Volkswirtschaften und können auch noch viele Barrieren in ihrem Binnenmarkt aufheben. Sie können den Amerikanern daher direkt Paroli bieten. Ein Land wie Vietnam kann dies nicht. So gesehen ist es nicht verwunderlich, dass man wieder beginnt, mit den Chinesen zu sprechen.

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