Ein Mitarbeiter des LKA Sachsen demonstrierte mit Pegida, geriet mit einem ZDF-Fernsehteam aneinander. Den Mann mit Hut kennt mittlerweile fast ganz Deutschland. Nicht der erste Zwischenfall bei der sächsischen Polizei. Unter dem Hashtag #Pegizei versammelte sich Protest. Politik und Gewerkschaft der Polizei wehrt sich gegen Pauschalvorwürfe, sagt, es gebe keinen Sachsensumpf.
Oliver von Dobrowolski widerspricht. Er ist Vorsitzender von "PolizeiGrün", ein Verein grüner und Grünen-naher Polizisten. Im watson-Interview fordert er mehr Selbstkritik, eine Fehlerkultur von Innen und bessere Personalauslese.
watson: Die Vorwürfe sind knackig:
Die sächsische Polizei mache sich zur Exekutive von Pegida und AfD. Das Hashtag
#Pegizei macht die Runde.
Oliver von Dobrowolski: Generalverdacht ist nie gut. Ich würde mich persönlich jetzt nicht echauffieren, wenn Menschen #Pegizei verwenden. Ich würde es aber
auch nicht machen, weil ich ja selber Polizist bin. Aber dieses Hashtag ist
auch Ausdruck dafür, dass nicht nur die linke Szene, die ja traditionell eher
kritisch gegenüber der Polizei eingestellt ist, sondern ganz normale Bürger
sehr stark irritiert sind, weil sie immer wieder von Sachsen und diesem
mutmaßlichen Failed State hören.
Wie werden solche
Vorfälle intern diskutiert?
Als am Mittwochabend herauskam, dass der Pegida-Mann ein
Polizeibediensteter ist, war ich auch gespannt, ob es am Tag danach bei mir im
Dienst Diskussionen darüber gibt. Ich habe keine wahrgenommen.
Das LKA Sachsen
beruft sich darauf, der Pegida-Mann mit Hut sei bei dem Geschehen nicht im
Dienst gewesen, sondern habe als Privatperson an der Versammlung teilgenommen. Wie
viel private Meinung dürfen Polizisten haben?
Man muss unterscheiden zwischen Beamten und
Angestellten bei der Polizei. Nichtsdestotrotz ist so ein Vorfall für die Außendarstellung ein
Worst Case. Als Vollzugspolizist muss ich mich an bestimmte Beamtenpflichten
halten. Dazu gehört beispielsweise das Mäßigungsgebot oder die Wohlverhaltenspflicht,
die u.a. festlegt, dass ich mich nicht extremistisch äußern darf. Dies ist
allerdings nicht klar definiert. Im schlimmsten Fall müssen Richter
entscheiden, wann Polizisten über die Stränge schlagen.
Und wie sehen Sie das
in dem konkreten Fall. Darf der das?
Ich selbst bin kein Jurist. Der Pegida-Mann ist ein
Beschäftigter der Polizei Sachsen, er hat einen Dienstausweis und ist ja auch
nicht Hauswart oder Reinigungskraft, sondern arbeitet offenbar in einem kriminalistischen
Bereich und hat Einblick in Ermittlungsakten. Die Frage ist, inwiefern sind
Pegida-Anhänger, die oftmals mit Pauschalbeschimpfungen wie „Lügenpresse“
grölend durch die Straßen ziehen, inwiefern ist das nicht mehr nur radikal,
sondern extrem? Das ist eine sehr schwierige Frage. Im Falle des Pegida-Mannes hat
er es nicht im Dienst gemacht. Er hat sich wohl auch nicht gegenüber den
Polizisten als Kollege geoutet. So gesehen muss man schauen, ob da Grenzen
überschritten worden sind, z.B. wegen der Missachtung einer freien
Presseberichterstattung.
Was ärgert Sie als
Polizist eigentlich mehr: Die Tatsache, dass jemand aus den eigenen Reihen als rechter
Aktivist auftritt oder dass viele pauschal auf die Polizei einprügeln?
Ersteres. Unsere Polizei besteht aus Menschen. Die machen
Fehler, das ist ganz normal. Entscheidend ist, wie gehen wir damit um und versuchen
wir daraus zu lernen. Dieses reflexhafte Leugnen und Abstreiten von Fehlern ist
etwas, was sich eine staatliche Institution im Allgemeinen nicht leisten kann
und die Polizei im Besonderen schon gar nicht, weil sie natürlich auch die sichtbarste
und im Zweifelsfall auch die repressivste Komponente unseres Staates ist. Aber
der sächsische Ministerpräsident Kretschmer hat mit seiner Spontanäußerung ja
genau das gemacht.
Wir als Polizei haben ein echtes Problem, wenn Zweifel darüber aufkommen, dass wir erstens keine moderne Organisationskultur – zu der auch eine Fehlerkultur gehört – haben und zweitens politisch nicht so neutral sind, wie wir laut Verfassung sein müssten.
Wie könnte so eine
Fehlerkultur aussehen?
Wir sollten gerade wenn es weh tut, offen mit Fehlern umgehen
und proaktiv aufklären. Gerade in der heutigen Zeit, wo jeder mittels Smartphone
sein eigener Broadcaster ist. Darüber hinaus muss man natürlich Zeichen setzen,
wenn Vorwürfe laut werden, die Polizei hätte mit Toleranz und Weltoffenheit ein
Problem. Dann gibt es Möglichkeiten, eine bessere Personalauslese vorzunehmen,
in der Aus- und Fortbildung auf bestimmte Dinge zu achten wie
Kommunikationstrainings oder Diversity-Seminare.
Muss die Polizei
nicht besser geschult werden? Gerade mit Blick auf die teilweise gezielten
Strategien von rechts, Journalisten am Berichten auf Demos zu hindern.
Ja. Konkret muss besser aufgeklärt werden zu Rechten und
Pflichten von Pressevertretern. Die Polizeibeamten haben im Dresdner Fall auch
deswegen unglücklich reagiert, weil sie unsicher waren. Auch ist ja wiederholt der
Vorwurf laut geworden, dass die Rechten versuchen, die Polizei zu
instrumentalisieren. Das darf nicht passieren. Hier verfestigt sich der Ruf,
den sich die sächsische Polizei in den letzten eineinhalb Jahren, ja man muss
schon fast sagen, erarbeitet hat.
Sie sind sauer auf die Kollegen in Sachsen.
Ja. Es gibt eine Viertelmillion Polizisten in Deutschland.
Und die allermeisten machen eine verdammt gute Arbeit. Vertrauen ist eine
Grundessenz im Umgang mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Das wirft uns alle zurück.
Mit dieser Meinung
machen Sie sich innerhalb der Polizei sicher nicht nur Freunde.
Die Mitgliedszahlen in meinem Fanclub sind sehr bescheiden.
Wie macht sich das bemerkbar?
Vor allem über die Sozialen Medien. Von "Kollegenschwein" über "Nestbeschmutzer" bis hin zu Gewaltdrohungen habe ich schon alles erlebt.
Im Frühsommer hat mir jemand empfohlen, die Dienstwaffe in den Mund zu stecken
und mein Leben zu beenden. Das macht natürlich was mit einem. Auf der anderen
Seite bestärkt es mich auch darin, weiter zu machen. Wenn ich so fürchterlich
unrecht hätte, würden sich diese Leute nicht immer so gekitzelt fühlen. Mir
geht es aber nicht um Provokation, sondern darum, das Verhältnis Polizei und
Gesellschaft im Gleichgewicht zu halten. Ich setze mich für gegenseitigen
Respekt ein und möchte nicht, dass sich die Polizei, wie in den letzten Jahren
geschehen, immer in die Opferrolle hineindrängt, ständig über fehlenden Respekt
klagt und sich ihrerseits dann aber hochmilitarisiert und in Konflikt mit
Bürgerrechten kommt.