watson: Die Grünen stehen derzeit mit den Umfragewerten nicht gut da. Angesichts des Superwahl-Jahres, in dem sich Deutschland 2024 befindet, wie will die Partei ihr Image aufpolieren?
Emilia Fester: Es geht in diesem Jahr um viel mehr als nur die Parteipolitik. Es geht um unsere Demokratie. Es geht darum, vor allem Nichtwähler:innen dafür zu mobilisieren, zu einer demokratischen Wahl zu gehen. Aus der Parteibrille heraus kommt es darauf an, die Erfolge grüner Politik spürbar zu machen. Menschen soll bei den anstehenden Wahlen im Osten deutlich werden, was Politik für sie tun kann.
Siehst du die Chance auf eine Art Schulterschluss mit anderen demokratischen Parteien zugunsten des gemeinsamen übergeordneten Ziels?
Bei den aktuellen Demonstrationen zeigt sich gerade schon ganz gut, dass das geht. Aber ich erwarte als Demokratin – völlig unabhängig meiner Parteizugehörigkeit – insbesondere von der Union und von der FDP, dass sie die kommenden Wahlkämpfe mit uns gemeinsam als Demokrat:innen führen. Wir müssen zeigen, dass der Kompromiss besser ist als der Faschismus.
Gerade in den östlichen Bundesländern sind die Probleme der Menschen aber oft andere. Du setzt dich mit deiner Politik besonders für junge Menschen ein. Wie wollt ihr die dort erreichen?
Als Grüne müssen wir generell daran arbeiten, den ländlicheren Raum zu erobern. In vielen Städten sind wir bereits relativ stark. Klar wollen wir in die Landtage einziehen, aber wichtig ist mir allem voran: Wähler:innen sollen ein Kreuz bei einer demokratischen Partei machen, um möglichst wenige Faschisten in die Parlamente zu lassen. Deshalb müssen gerade junge Menschen in der Schule dafür sensibilisiert werden, was demokratische Politik für sie tun kann.
Nicht nur zur Landtagswahl in Brandenburg, auch zur Europawahl dürfen erstmals 16- und 17-Jährige wählen. Warum sollte ich als junger Mensch Grün wählen?
Weil wir die besseren Angebote für junge Menschen haben. Sie werden in unserem Parteiprogramm, im Gegensatz zu anderen Parteien, wirklich berücksichtigt. Viele junge Menschen sind bei uns Mitglied, sie gestalten aktiv unsere Politik mit. Das unterscheidet uns maßgeblich von anderen Parteien. Wir haben damit sowohl die Zukunft als auch die Gegenwart junger Menschen im Blick.
Was würdest du zugunsten der Jugend an den Grünen ändern, wenn du könntest?
Ich habe kürzlich das Wort "Youthwashing" kennengelernt, das trifft es sehr gut: Kinder werden oft als politische Symbole instrumentalisiert. Vorratsdatenspeicherung wird beispielsweise angegangen, Dinge, die aber erwiesen gegen sexualisierte Gewalt helfen würden, nicht. Teenager haben in der Regel kein Wahlrecht, dadurch fallen sie aber in der Politik immer hinten runter, das muss sich dringend ändern. Bei den Grünen finde ich es deshalb schade, dass wir uns im Grundsatzprogramm nicht auf eine fluide Altersgrenze beim Wahlrecht einigen konnten.
Viele Junge stehen gerade auf und nehmen an den Protesten gegen die AfD und gegen rechts teil. Wie blickst du darauf?
Mich ermutigen die Proteste sehr und sie geben mir Hoffnung. Dass auch so viele Menschen aus der Zivilbevölkerung verstanden haben, dass jetzt der Moment ist, auf die Straße zu gehen und laut zu sein. Ich hoffe, das Zeichen kommt auch bei allen demokratischen Fraktionen an – aber auch bei denen, gegen die die Demonstrationen gerichtet sind.
Werden die Proteste etwas verändern?
Meines Erachtens hätten sie schon früher kommen können. Ich hatte kurz Angst, dass es nach der "Correctiv"-Recherche wieder nur ein Moment der kurzen Aufregung wird, der direkt verpufft. Aber so ist es zum Glück nicht. Ich habe erstmals das Gefühl, dass der Diskursverschiebung nach rechts ein Riegel vorgeschoben wird. Denn es ist nicht nur die örtliche Antifa, die auf die Straße geht, sondern Millionen von Menschen mit unterschiedlichen politischen Ausrichtungen. Aber die Proteste stimmen mich auch nachdenklich.
Weshalb?
Weil ich mich frage, was daraus nun wird, nachdem so historische Momente geschaffen werden konnten. Einerseits politisch – natürlich versuchen wir, den Rechtsstaat besser zu schützen, wie etwa mit dem Versuch, Nazis auf der Richterbank einen Riegel vorzuschieben. Andererseits frage ich mich aber auch, wie wir die Zivilbevölkerung engagiert halten können.
Wie meinst du das?
Politische Vorgänge sind meistens sehr langsam. Das sieht man auch bei Fridays for Future. Ich bin begeistert von deren Elan, so lange durchzuhalten. Politik und ihre Bürokratie funktionieren nur leider langsamer als eine zivilgesellschaftliche Bewegung. Das macht mir Sorgen. Aber vielleicht entstehen ja aus diesem breiten Bündnis auch viele kleine engagierte Ortsgruppen, wer weiß.
Welche Rolle schreibst du Fridays for Future bei den aktuellen Protesten zu?
Eine sehr große. Fridays for Future sind Demo-Profis. Sie unterstützen die Proteste an allen Ecken mit all ihren Ressourcen – ohne es sich groß auf die Fahnen zu schreiben. Das ist ihnen definitiv zugute zu halten. Die Aktivist:innen haben hier eine gute Rolle eingenommen, weil sie verstanden haben, dass es gerade kein Klimakampf ist. Sondern ein Kampf um unsere Demokratie.
Hast du das Gefühl, dass die Generation Z protestfreudiger ist, als es die Millenials sind?
Es gab auch bei den Millennials große Proteste, zum Beispiel mit Unteilbar oder den Demonstrationen gegen Atomkraft 2011. Aber ja, sie waren seltener. Seit Fridays for Future hat die Generation Z klar gezeigt, dass sie gemeinsam mit jungen Millennials bereit ist, für eine demokratische, gerechte und lebenswerte Zukunft auf die Straße zu gehen.