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Interview

Linken-Vorsitzender Jan van Aken übt scharfe Kritik an Sahra Wagenknecht und BSW

Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken fordert im Gespräch mit watson ein Recht auf Wohnungstausch.
Der Linken-Vorsitzende Jan van Aken fordert im Gespräch mit watson ein Recht auf Wohnungstausch.Bild: Martin Heinlein
Interview

Jan van Aken kritisiert Sahra Wagenknecht scharf und nennt das BSW einen "rassistischen Haufen"

28.12.2024, 15:06
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Noch knapp zwei Monate bis zur Bundestagswahl. In den Umfragen liegt die Linke bei etwa drei Prozent. Um das Ergebnis zu verbessern, ziehen gerade viele Mitglieder durch ihre Wahlkreise und klingeln an Haustüren, um die Menschen persönlich von ihren Inhalten zu überzeugen.

Derweil versucht die Parteiführung mit ihrem neuen Wahlprogramm zu überzeugen. Laut den beiden Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken sind in dieses auch die Erkenntnisse aus dem Haustürwahlkampf eingeflossen.

Watson hat Jan van Aken in seinem Büro in Berlin getroffen. Hinter dem 63-Jährigen hängen gleich vier Porträts von Rosa Luxemburg.

Wir haben mit dem ehemaligen UN-Biowaffeninspekteur über seine Ziele für den Bundestagswahlkampf, Sahra Wagenknecht und seine "Drecksäcke"-Aussage gesprochen.

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Jan van Akens Armband: Ein Seitenhieb in Richtung Robert Habeck?Bild: dpa / Fabian Sommer

Watson: Herr van Aken, in der Debatte um die Rückkehr von syrischen Geflüchteten in ihre Heimat haben Sie Ihre politischen Gegner "verkommene Drecksäcke" genannt. Wollen Sie die Wahl jetzt mit Populismus von links gewinnen?

Jan van Aken: Nein, damit waren nicht meine politischen Gegner im Allgemeinen gemeint. Nur die, von denen ich schon erwartet habe, dass sie bald ankommen mit: "Jetzt abschieben, jetzt abschieben." Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch gar nicht, dass zeitgleich Jens Spahn genau das forderte. Ich habe noch gedacht, es wird nicht lange dauern, bis sie das machen. Aber es war noch am selben Tag! Ich finde wirklich: Wer am ersten Tag nach 54 Jahren Diktatur gleich über Abschiebungen redet, ist ein Drecksack. Das fühle ich, das ist kein Populismus.

Mit der "Aktion Silberlocke" setzt die Linke auf ihre Urgesteine Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow. Wie wollen Sie damit auch junge Menschen erreichen?

Wir sind eine super Mischung. Heidi Reichinnek Anfang 30, Ines Schwerdtner Anfang 30 und ich aus der Generation Silberlocke. Und das ist es, was unsere Partei im Moment ausmacht. Wir haben viele junge, aktive Mitglieder. In den letzten zwölf Monaten sind 14.000 Menschen neu in die Partei eingetreten. Ganz viele davon sind junge Frauen, die Bock haben, was zu verändern. Und auf der anderen Seite sind Ramelow, Gysi und Bartsch, die natürlich ebenfalls super sind.

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Das Team Silberlocke: (v.l.) Bodo Ramelow, Gregor Gysi und Dietmar Bartsch.Bild: imago images / Metodi Popow

Sind Sie zuversichtlich, dass Sie auch ohne die Fünf-Prozent-Hürde über das Erreichen von drei Direktmandaten in den Bundestag einziehen werden?

Der Gedanke, die fünf Prozent nicht zu schaffen, ist bei uns verboten (lacht). Natürlich schaffen wir die! Wir werden über beide Wege in den Bundestag kommen. Sowohl über die fünf Prozent als auch über die drei Direktmandate.

Sie haben gesagt, dass Sie aus dem Haustür-Wahlkampf Inhalte für Ihr Wahlprogramm gezogen haben. Was sind denn die größten Sorgen der Menschen in Deutschland?

Wir haben an über 100.000 Türen geklopft und gefragt, was die drängenden Probleme der Menschen sind. Wir haben die Haustürgespräche in ganz Deutschland statistisch ausgewertet. Ganz oben lagen dabei die hohen Mieten und das Wohnen. Als Zweites kommen die Preise im Supermarkt. Viele trauen sich kaum noch, einkaufen zu gehen, weil sie es nicht mehr bezahlen können. Die Inflation schlägt da richtig zu. Richtig viele äußerten auch das Gefühl, dass "die da oben" doch eh nur machen, was sie wollen. "Die Politik kümmert sich nicht um uns", sagen viele.

Dann reden wir doch mal über den wichtigsten Punkt: Wie wollen Sie das Wohnen für junge Menschen wieder billiger machen?

Das größte Problem für junge Menschen ist es, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Wir haben da – wie ich finde – einen richtig guten Vorschlag: Lass uns doch endlich ein Recht auf Wohnungstausch einführen. Sodass ein Vermieter nicht mehr "Nein" zu einem Wohnungstausch sagen kann. Wenn beispielsweise bei einer Familie gerade die Kinder ausgezogen sind und die Vierzimmerwohnung plötzlich viel zu groß ist, ziehen sie trotzdem aktuell wahrscheinlich eher nicht aus. Die haben vielleicht noch einen 20 Jahre alten Mietvertrag. Da wären die ja bescheuert, da herauszugehen, während überall die Mieten steigen. Gleichzeitig kommen die jungen Leute in die Stadt, wollen eine WG oder Familie gründen, können sich aber keine große Wohnung leisten.

Da soll der Wohnungstausch helfen?

Wenn man es ermöglicht, dass die Vermieter nichts dagegen sagen können, dass die beiden Parteien einfach ihre Mietverträge tauschen und die Mieten gleich bleiben, wäre das eine riesige Erleichterung. Das wäre mal ein Angebot für junge Leute. Ich sehe es als Aufgabe unserer Partei, dass wir da jetzt dauerhaft Druck aufbauen. Das mit den Mieten darf nicht so weitergehen!

Sollen also ältere Menschen raus aus den Städten?

Auf gar keinen Fall. Das soll nur komplett freiwillig sein. Oft geht es ja auch um ganz viel Emotionen. Für viele ist die Straße, in der man wohnt, auch das soziale Netzwerk. Da sind auch Heimatgefühle. Deswegen darf niemand gezwungen werden. Es geht eher darum, dass man die Möglichkeit bekommt, sich auch verkleinern zu können, wenn man das möchte.

Trotz solcher Angebote für junge Menschen scheint sich die junge Generation mehr für die AfD zu interessieren als für Sie. Woran liegt das?

Ich glaube, weil wir die letzten Jahre als Linke nicht so präsent waren. Nehmen wir etwa Tiktok, das haben alle anderen Parteien außer der AfD verschlafen. Da gibt es ja zum Beispiel den Tradwife-Trend. Das merke ich auch schon in meinem persönlichen Umfeld. Da finden plötzlich zehnjährige Mädchen das gut, ohne zu merken, dass es politisches Influencing ist. Da müssen wir dagegenhalten. Mittlerweile werden wir besser. Wir haben zum Beispiel Heidi Reichinnek, unsere Tiktok-Queen, mit mittlerweile über 260.000 Followern.

Besonders die Außenpolitik polarisiert aktuell die junge Generation. Wäre Ihnen eine Zukunft ohne Trump oder ohne Putin lieber?

Puh, das ist ja eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera …

Und wenn Sie sich entscheiden müssten?

Ich finde beide so schlimm – für die Demokratie und die Freiheit. Jetzt kann man natürlich sagen, im Moment wäre es besser, wenn Putin weg wäre, da er aktuell einen Krieg gegen die Ukraine führt. Aber dann stellt sich gleich die Frage, wer denn danach kommt. Auf der anderen Seite ist dieser Nationalismus von Trump ebenfalls brandgefährlich. Der kann auch zu Kriegen führen. Alle großen Kriege sind immer wegen Nationalismus entstanden.

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Im Entwurf für Ihr Wahlprogramm schreiben Sie, dass die Linke statt auf Waffenlieferungen an die Ukraine auf Friedensverhandlungen setzen will. Wie soll das möglich sein, wenn Putin nicht mit sich reden lässt oder absurd hohe Forderungen stellt?

Wir wissen aus anderen Kriegen, dass die kriegsführenden Parteien irgendwann bereit sind zu verhandeln, wenn ihre großen und starken Verbündeten Druck aufbauen. Im Fall von Putin ist das China. Im Mai gab es sogar ein Angebot aus China. Zusammen mit Brasilien haben sie der EU gesagt, dass sie bereit wären, Verhandlungen auszurichten. Das ist aber nicht aufgegriffen worden, weil damit eine außenpolitische Aufwertung von China einhergehen würde. Dort liegt aber der Schlüssel zu schnellen Verhandlungen. Wenn Xi Jinping und Ursula von der Leyen einladen würden, dann kommt sowohl Selenskyj als auch Putin. Zu Xi Jinping kann Putin nicht "Nein" sagen.

Vom Friedensthema im Wahlkampf scheint ja hauptsächlich das BSW zu profitieren. Wie wollen Sie sich da abgrenzen, um Wähler:innen zurückzugewinnen?

Das ist ganz einfach. Nehmen wir deren Plakate gegen Migration. Schaut man sich die an, sieht man, was das für ein rassistischer Haufen geworden ist. Bei uns kann man sich verlassen: Wir als Linke verteidigen das Asylrecht und stellen uns gegen jeden Rassismus, ohne Wenn und Aber.

Und beim Friedensthema?

Da ist es auch einfach. Mein Fokus liegt auf den Menschen in der Ukraine. Sie sollen selbst entscheiden dürfen, was für sie richtig ist. Sahra Wagenknecht hingegen nimmt die Kreml-Perspektive ein. Ihr sind die Menschen in der Ukraine egal.

Deutschland, G�ttingen, 3. Parteitages der Partei DIE LINKE., v.l.n.r. Axel Troost, Jan van Aken, Sahra Wagenknecht, Bernd Riexinger, Katja Kipping, Caren Lay, Matthias H�hn, 03.06.2012
2012 kämpften Jan van Aken (Zweiter von links) und Sahra Wagenknecht (Dritte von links) noch Seite an Seite.Bild: imago images / Christian Thiel

Ist die Linke eine bessere Partei, seitdem Sahra Wagenknecht weg ist?

Und wie!

Warum?

Ich habe ja acht Jahre mit denen zusammen im Bundestag gesessen. Ganz viele nicht nachvollziehbare und schädliche Entscheidungen kamen von denen, die jetzt beim BSW sind.

Haben Sie ein Beispiel?

Beim Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan mussten Tausende ausgeflogen werden, die von den Taliban bedroht waren, weil sie vorher mit der Bundeswehr oder mit deutschen Entwicklungshelfern zusammengearbeitet hatten. Da habe ich mich damals massiv dafür eingesetzt und gesagt, dass das – ausnahmsweise mal – ein sinnvoller Einsatz der Bundeswehr wäre. Der Wagenknecht-Flügel in der Fraktion hat damals dagegen gestimmt. Ich bin sehr froh darüber, dass die jetzt beim BSW sind. Das ist nämlich menschenverachtend.

Wo sehen Sie ihre Partei im Jahr 2029?

Mein Ziel ist es, dass wir diese Partei zur stärksten machen, die sie je war. Und das beste Ergebnis waren 11,9 Prozent im Jahr 2009.

Sie sind ja jemand, der häufig mal den Job wechselt. Wollen Sie dann immer noch Parteivorsitzender sein?

Ich habe mich jetzt erstmal für ein paar Jahre hier drauf eingelassen. Dann schaue ich mal, wie viel Spaß mir das noch macht. Mein Lebensmotto war immer: Ich möchte die Welt verbessern und gleichzeitig Spaß haben. Im Moment ist der erste Teil ziemlich anstrengend und der zweite fällt ein bisschen hinten runter. Ich bin selbst gespannt, wie sich das noch so entwickelt.

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