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Interview

Jamilia Schäfer von den Grünen im Interview

"Europathemen nehmen zu" Jamila Schäfer
"Europathemen nehmen zu" Jamila SchäferBild: Jamila Schäfer
Interview

Sind die Grünen eine westeuropäische Wohlstandspartei, Frau Schäfer?

23.11.2018, 18:3025.11.2018, 12:07
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Während die Grünen in Deutschland vor lauter Umfragehoch gar nicht wissen, wohin mit ihrem Glück, sieht es auf europäischer Ebene für grüne Parteien deutlich bescheidener aus. Vielleicht auch deshalb kommt die Europäische Grüne Partei (EGP) am Wochenende in Berlin zusammen. Einfach mal ein bisschen Höhenluft schnuppern. Eigentlich aber wollen sie darüber abstimmen, welche Doppelspitze sie in den Wahlkampf schicken. Denn: Im Frühjahr 2019 steht die 19. Direktwahl zum Europäischen Parlament an. Grund genug, um der europapolitischen Sprecherin der Grünen, Jamila Schäfer, mal ein paar Fragen zu stellen.

watson: Die Grünen in Deutschland sind gerade im Aufwind, in Europa spielen sie im Grunde kaum eine Rolle. Wie erklären Sie diese Diskrepanz?  
Jamila Schäfer: Es ist richtig, dass wir als deutsche Grüne gerade sehr starken Zulauf haben. Das liegt daran, dass wir als gestaltende Kraft wahrgenommen werden gegenüber einer Stillstandspolitik der Großen Koalition. Wir stehen für eine Politik, die sich den Problemen stellt, sie analysiert und dann auch klare Antworten geben will – ohne sich der AfD anzubiedern. Das honorieren die Leute. Die Lage der grünen Parteien in Europa ist unterschiedlich. Aber wir gewinnen auch woanders dazu: In Luxemburg oder Finnland beispielsweise, bei den Kommunalwahlen in den Niederlanden und in Belgien, lagen Grüne teilweise bei über 20 Prozent.  

In osteuropäischen Ländern oder in Italien sieht das allerdings anders aus. Sind die Grünen eine westeuropäische Wohlstandspartei?  
Nein. Selbst in Osteuropa greifen viele gesellschaftliche Initiativen grüne Themen auf. Was die Einkommensverhältnisse der Wähler betrifft, liegen wir im Durchschnitt. Die wirkliche Besservierdienerpartei ist, wenn man sich die Einkommensdurchschnitte in Deutschland anguckt, auf jeden Fall die FDP. In Hessen zum Beispiel haben uns mehr Arbeitslose gewählt als CDU oder SPD. Das hat uns selber überrascht.  

Jamila Schäfer ist...
25 Jahre alt. Sie trat mit 18 den Grünen bei, weil sie die Welt retten wollte. Das versucht sie mittlerweile von der Spitze Partei aus – seit 2018 als stellvertretende Vorsitzende und europapolitische Sprecherin.

Wie sehr frustriert es Sie persönlich, dass Europathemen in der Wahrnehmung so wenig präsent ist?  
Ich beobachte, dass Europathemen gerade wieder zunehmen. In der Berichterstattung, aber auch in der Bevölkerung. Ich habe beim Wahlkampf für die Grünen in Bayern an ganz vielen Türen geklingelt. Oft gingen die ersten Fragen um Europa: Wie geht’s eigentlich weiter in Europa? Was macht eigentlich die CSU da mit Viktor Orban?  

Da haben Sie aber an eher untypische Türen geklingelt…
Ich habe mich tatsächlich in einem eher konservativen Stadtviertel mit hoher CSU-Stammwählerschaft bewegt. Das waren Fragen, die die Leute berührt haben. Es war ein entscheidendes Motivierungsthema bei denen, die uns letztlich gewählt haben. Wir müssen uns darum bemühen, dass europäische Politik noch verständlicher und greifbarer wird. Deutlich machen, wofür wir die europäische Eben brauchen: außenpolitisch, bei der Energieversorgung, beim Klimawandel oder in der Asylfrage. Dort gibt es keine nationalen Lösungen. Der Klimawandel wurde in diesem Sommer leider schon sehr sichtbar. Auch deswegen haben die Menschen uns gewählt.  

Ich zucke immer, wenn grüne Politiker den heißen Sommer in einen direkten Zusammenhang mit dem Aufstieg der Partei bringen. Denn: Was machen Sie, wenn der nächste Sommer nicht so heiß wird? Und: Ist das nicht auch ein Spiel mit Ängsten?
Nein. Wir sind die Partei, die sich nicht einfach billig an die Angst heranwanzt und sagt, es ist alles ganz schlimm, wir wissen jetzt aber auch nicht die Lösung. Sondern wir sagen, es gibt ein Problem, aber wir wollen das zuversichtlich anpacken. Deswegen brauchen wir einen Plan für einen sozialverträglichen Kohleausstieg und müssen in ganz Europa vorangehen.  

In einem Satz: Warum ist es wichtig, im nächsten Jahr zu wählen?  
Nur wer wählt, kann aktiv mitentscheiden, ob Europa wieder zurückfällt in den Nationalismus und damit in die Handlungsunfähigkeit oder, ob wir gemeinsam kämpfen für ein ökologisches, demokratisches und soziales Europa.

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Für alle: Friseurnamen vorgelesen bekommen und dabei nicht lachen.

Video: watson/Marius Notter, Elisabeth Kochan

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