Das oberpfälzische Amberg kannten bis vor wenigen Tagen die wenigsten Deutschen. Das änderte sich plötzlich, als am vergangenen Sonntag zwölf Menschen geschlagen und verletzt wurden. Die Polizei vor Ort hat schnell reagiert: Die mutmaßlichen Täter wurden gefasst, kamen in Haft und warten auf ihr entsprechendes Verfahren. Aus rechtsstaatlicher Sicht ließe sich das als Erfolg verkaufen.
Gerade im Internet aber ist die Aufregung groß. Denn die mutmaßlichen Schläger im Alter von 17 bis 19 Jahren kommen aus Afghanistan, Syrien und dem Iran. Auch Innenminister Horst Seehofer nimmt die Vorfälle zum Anlass, grundsätzlich zu werden und härtere Strafen für Asylsuchende zu fordern.
Dabei zog das Innenministerium noch am 28. Dezember, also einen Tag, bevor die Vorfälle von Amberg Grundsatzdebatten in Deutschland auslösen sollten, positive Bilanz: "Die Kriminalität liegt bei der Anzahl der verübten Straftaten auf dem niedrigsten Niveau seit 1992", twitterte man dort stolz. Das gilt ganz besonders für die Region Oberpfalz und auch Amberg selbst. Die Kriminalstatistiken der vergangenen Jahre lesen sich wie Schulzeugnisse eines Klassenbesten: Die Straftaten sind auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren und die Aufklärungsquote über dem Landesdurchschnitt. Erst im November kürte eine Studie Amberg-Sulzbach zum zweitsichersten Landkreis überhaupt.
Michael Cerny (CSU) ist Oberbürgermeister jener mittelgroßen Stadt Amberg, auf die gefühlt gerade ganz Deutschland schaut. Er hat nach den Vorfällen auf Facebook Stellung bezogen.
Das gefiel nicht jedem. Grund genug, dem Bürgermeister von Amberg ein paar Fragen zu stellen.
watson: Herr Cerny, die mediale Aufmerksamkeit ist gewaltig. Gerade war das ZDF bei Ihnen und Innenminister Horst Seehofer nimmt die Vorfälle von Amberg zum Anlass, härtere Gesetze zu fordern. Ist das noch verhältnismäßig?
Michael Cerny: Ich bin ein Freund davon, dass man die Themen auch mit Sachlichkeit betrachtet. Das, was ich gerade auch in Facebook erlebt habe, ist das Gegenteil davon. Wir können nicht jeden Asylbewerber unter Generalverdacht stellen, wenn vier Asylbewerber eine Tat begehen, die uns natürlich entsetzt. Die Betroffenen müsste man eigentlich in den Vordergrund stellen und sagen, Gott sei Dank scheint es allen wieder einigermaßen gut zu gehen. Natürlich müssen die Täter mit aller Härte bestraft werden. Den Vorfall aber reflexartig sofort auf alle zu übertragen, das würde uns in der Integrationsarbeit wieder zurückwerfen. Denn da haben wir auch gute und tolle Erfolge. Vorverurteilungen werden denen, die hier Schutz gesucht haben und sich auch gut integrieren, nicht gerecht.
Kriminalität und Gewaltdelikte sind in Amberg und Umgebung laut Statistik seit Jahren rückläufig. Offenbar reichen die bestehenden Gesetze aus…
Die Sicherheitslage in Amberg ist gut. Das ist auch ein Erfolg der Amberger Polizei. Deswegen ärgert es mich, wenn jetzt die Arbeit der Polizei in Frage gestellt wird. Was nicht heißt, dass trotzdem Gewaltdelikte vorkommen. So etwas wie in dieser Form haben wir bis jetzt allerdings noch nicht gehabt. Ich verstehe Herrn Seehofer so, dass er sagt, Aufgabe der Bundesregierung ist es, den Gesetzesrahmen so anzupassen, dass er dem Gerechtigkeitsempfinden der Bürger entspricht. Insofern greift der Minister die etwas hochkochende Diskussion auf.
Was war Ihre persönliche Motivation, via Facebook auf die Vorfälle zu reagieren?
Die Motivation war die, dass mehrere Amberger gefragt haben, wie ich das sehe. Und ich wollte den Bürgern mitteilen, dass ich auch entsetzt bin, gleichzeitig aber auch den Aspekt reinbringen, die Vorfälle bitte nicht reflexartig auf jeden weiteren Asylbewerber zu übertragen.
Waren Sie überrascht von den Reaktionen auf Ihren Post?
Ja. Wir haben im letzten Jahr ein Fest der Demokratie gehabt, da habe ich auch schon aus dem AfD-Umfeld viel negative Post bekommen. Aber was ich die letzten zwei Tage an Kommentaren bekommen habe, das war schon mehr als grenzwertig. Ich habe einen Großteil dann auch gelöscht. Darunter waren auch Gewaltandrohungen. Es ist unglaublich, wie viel Hass und Ausländerfeindlichkeit da unterwegs sind. Das hat mich schon ein bisschen geschockt.