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Interview

SPD: Katja Mast mit klaren Worten zur Asylpolitik und Letzter Generation

Katja Mast ist die erste parlamentarische Geschäftsführerin der SPD
Katja Mast ist die erste parlamentarische Geschäftsführerin der SPD.Bild: Carlos Valdivieso
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SPD: Katja Mast mit klaren Worten zur Asylpolitik und Letzter Generation

12.05.2023, 19:14
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Bund und Länder ringen gerade um eine gerechte Verteilung von Geflüchteten – und um die Finanzierung. Der Migrationsgipfel im Kanzleramt sollte Lösungen bringen. Kommunen, Landkreise, Länder; sie alle hatten auf Entlastungen von Seiten des Bundes gehofft.

Die Einigung: Eine Milliarde Euro mehr Beteiligung soll es bei den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr geben. Verhandeln über die Aufteilung sollen spezielle Fachgruppen, bis November. Zufrieden sind die Landesfürst:innen damit nicht.

Nicht nur das Thema Geflüchtete hält die Politik aktuell in Atem. Auch die Klimakrise und der damit weiter wachsende zivile Ungehorsam durch die Letzte Generation beschäftigt die Gesellschaft – auch Katja Mast.

Sie ist die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. Im Gespräch mit watson erklärt sie, warum sie die Protestform der Letzten Generation schlecht findet – und wie sich das Asylrecht weiter verändern muss.

Watson: Frau Mast, Sie meinten mit Blick auf die Aktionen der Letzten Generation, mit "Erpressung" lässt sich Klimaschutz nicht durchsetzen. Die Gruppe würde Wut schüren und die Gesellschaft spalten. Wie sollten Ihrer Meinung nach die Aktivist:innen nach ihrer Blockade-Pause weiter demonstrieren?

Katja Mast: Wir haben auch andere Gruppen, die Klimaschutz in den Mittelpunkt rücken. Zum Beispiel Fridays for Future, die sehr effizient ihre Belange adressieren. Die Letzte Generation macht viele Menschen wütend. Ich halte diese Form von Protest für wenig hilfreich.

Hört denn die Politik überhaupt zu?

Natürlich hören wir zu. Wenn aber erwartet wird, dass wir eins zu eins tun, was Aktivisten sagen: Nein. Ich bin gewählt, um das ganze Land voranzubringen und nicht einzelne Interessen, also Dinge auch abzuwägen.

27.04.2023, Berlin: Aktivisten der Gruppierung Letzte Generation blockieren eine Kreuzung an der Landsberger Allee. Foto: Paul Zinken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Seit über einem Jahr blockiert die Letzte Generation regelmäßig den Autoverkehr.Bild: dpa / Paul Zinken

Aber?

Wir wollen ambitionierten Klimaschutz. Den münzen wir in konkrete Politik um. Es ist ein großer Unterschied, Dinge zu fordern oder Dinge umzusetzen und den Menschen dabei ins Gesicht zu sehen und sie mitzunehmen.

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Wie meinen Sie das?

Zum Beispiel beim Kohle-Kompromiss. Da haben wir sehr erfolgreich die unterschiedlichen Interessenvertreter an einen Tisch gesetzt und aufgezeigt, wie wir mit Herausforderungen umgehen. Ich werbe um Vertrauen. Am Ende geht es eben nicht nur um ambitionierten Klimaschutz.

Sondern?

Es geht auch darum, wirtschaftliche Stärke und sozialen Ausgleich mitzudenken. In der Bevölkerung gibt es eine große Zustimmung für Klimaschutz – deswegen verstehe ich zum Beispiel auch nicht, warum die CDU aktuell eine Unterschriftenkampagne gegen den Klimaschutz fährt. Es geht darum, das Land zusammenzuhalten.

Und wie wollen Sie das schaffen?

Indem wir viel erklären und zuhören, wie beispielsweise beim Gebäudeenergiegesetz. Wenn wir bis 2045 klimaneutral werden wollen, müssen wir jetzt handeln. Und wir müssen uns überlegen: Wie bekommen wir eine sozial ausgewogene Förderung hin. Und zwar so, dass sich auch die, die am wenigsten haben, eine moderne Heizung leisten können. Darüber beraten wir jetzt im Parlament.

Wie Sie sagen: Europa will bis 2045 klimaneutral werden. Was mit der Klimakrise einhergeht, ist eine weltweite Migrationsbewegung. Der Sachverständigenrat Integration und Migration schlägt einen Klimapass und die Klimacard vor. Ist das eine sinnvolle Möglichkeit, mit der Herausforderung umzugehen?

Die Gefahren des Klimawandels sind gewaltig. Unsere Antwort ist: Wir wollen Fluchtursachen bekämpfen, damit möglichst niemand seine Heimat verlassen muss. Darum fördern wir auch viele Klimaschutzprojekte auf der ganzen Welt, gerade auch im Globalen Süden. Gleichzeitig müssen wir Migration noch besser steuern. Mit dem Entwurf zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz und der Chancenkarte haben wir auch Wege nach Deutschland eröffnet.

Die Asylpolitik der Ampel sorgt aktuell für Irritationen. Jessica Rosenthal nannte diese Politik sogar einer SPD-geführten Regierung unwürdig. Woher kommt der plötzliche harte Kurs im Umgang mit Geflüchteten?

Die Vorschläge kommen von allen Koalitionspartnern – Annalena Baerbock trägt diese als Außenministerin ebenso wie Nancy Faeser als Innenministerin mit. Es geht etwa darum, dass die Identität von Menschen direkt an der EU-Außengrenze registriert wird und damit klar ist: Wer reist nach Europa ein und wer nicht? Gleichzeitig schaffen wir viele Wege der legalen Migration nach Deutschland. Denn wir haben einen großen Bedarf an engagierten Menschen, die hier arbeiten und leben wollen. Mit der CDU wäre das nie möglich gewesen.

Inwiefern?

Wir wollen gemeinsam mit Europa das Grundrecht auf Asyl bewahren und neue geordnete Wege der Migration zulassen. Wir müssen dafür auch die Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen, und das ganz ohne Ressentiments.

Was soll ohne Ressentiments heißen?

Dass die Gesellschaft sich nicht spalten darf in "Die" und "Wir". Rassismus und Ausländerfeindlichkeit dürfen keine Chance haben.

Also anders als bei den Gastarbeiter:innen in den 50ern?

Damals haben wir vergessen, dass wir Menschen und nicht bloß Arbeitskräfte zu uns holen. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Integration ist wichtig – nicht nur von denen, die einen Arbeitsvertrag haben, sondern auch von ihren Familien. In der Pflege, im Handwerk – überall brauchen wir Köpfe und Hände. Und mit unserer demografischen Entwicklung geht es nicht ohne Zuwanderung.

Das bedeutet, dass die 180-Grad-Wende in der Asylpolitik darauf abzielt, dass weniger illegale Migrant:innen nach Deutschland kommen, auf der anderen Seite durch die Gesetze mehr legale Migration stattfindet. Manche Menschen haben aber keine Zeit, erst Anträge zu stellen – die müssen ihr Land verlassen und gehen.

Die haben dann aber einen klaren Asylanspruch. Wir haben am Beispiel der Ukraine gesehen, dass wir in besonderen Lagen handlungsfähig sind. Humanität steht absolut im Mittelpunkt. Gleichzeitig arbeiten wir auch an Migrationsabkommen. Damit wollen wir mehr legale Zuwanderungswege ermöglichen – aber diejenigen Menschen, deren Asylantrag abgelehnt ist, auch schneller wieder in ihr Heimatland zurückführen. Das ist ein Gebot der Fairness.

"Wir werden Wege finden, damit Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, weiterhin dieses Recht wahrnehmen können."

Kritiker:innen befürchten, dass durch die EU-Pläne das Recht auf Asyl beschnitten wird.

Wir müssen uns erst einmal anschauen, wie das Gesetz am Ende wirklich aussieht. Als langjährige Parlamentarierin kann ich sagen: Dinge werden im Prozess entschieden. Wir werden Wege finden, damit Menschen, die ein Recht auf Asyl haben, weiterhin dieses Recht wahrnehmen können.

Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel festgehalten, sich von Anker-Zentren zu verabschieden – die EU und Deutschland planen mit den Einrichtungen an den Grenzen aber genau das. Angela Merkel meinte 2015, dass geschlossene Grenzen niemanden von der Flucht abhalten – wie sollen Anker-Zentren das schaffen?

Sie verwenden die ganze Zeit den Begriff Anker-Zentrum, nicht ich.

Wie würden Sie das denn nennen?

Es geht nicht um den Namen. Sondern darum, dass diejenigen, die wirklich schutzberechtigt sind und einen Asylgrund haben, in ein rechtsstaatliches Verfahren kommen und schnell anerkannt werden. Auf der anderen Seite muss schnell geklärt werden, wo keine Chance besteht.

Okay.

Wir engagieren uns sehr stark in der Entwicklungspolitik. Es ist immer besser, Fluchtursachen zu bekämpfen, als Menschen auf schwierige Wege zu schicken, wo sie sich Schleppern aussetzen müssen. Das ist ein humanitäres Drama. Wir können diese Prozesse nicht isoliert betrachten, es greift alles zusammen.

Am Anfang unseres Gespräches haben wir über ambitionierten Klimaschutz gesprochen. Der schützt uns am Ende nicht nur vor Hitze und Starkregenereignissen. Er schützt die ganze Erde – und bekämpft eben auch Fluchtursachen.

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