Die Ampel ist zerbrochen, die nächste Wahl wird vorgezogen. Spitzenpolitiker:innen hetzen von Talkshow zu Talkshow, Druckwalzen rotieren im schwindelerregenden Tempo, pressen Kompetenz-Gesichter auf Plakate, Wahlkämpfer:innen bauen demnächst bei Minusgraden Stände auf, zerbrechen mitunter an der Frage, ob sie nun Glühwein oder Eierlikör ausschenken sollen.
Auch Kanzlerkandidaten haben sich in Stellung gebracht. Robert Habeck versucht es für die Grünen (Optimistisch!), Olaf Scholz für die Sozialdemokrat:innen (Hat ja schon mal geklappt!), Friedrich Merz für die Union (Schön für ihn!). Und alle faseln sich den Mund pappig, hauen Salven an Versprechen raus – mal cringe am Küchentisch, mal wutverzerrt bei Markus Lanz.
So viele Angebote es auch geben mag, bei genauem Hinschauen zeigt sich: Keiner der Kandidaten steht wirklich für progressive Politik. Und junge Menschen bleiben (mal wieder) auf der Strecke.
Nehmen wir etwa Olaf Scholz. Aktuell wanzt er sich von links an die Wähler:innen ran. 15 Euro Mindestlohn, höhere Steuern für Spitzenverdiener, stabile Renten und sichere Arbeitsplätze. "Wow! Olaf! Olaf! Olaf!", könnten die Menschen skandieren. Die Glaubhaftigkeit bröckelt nur etwas aufgrund der Tatsache, dass Olaf Scholz gerade in der Regierung sitzt.
2021 heftete er sich den Titel Respekt-Kanzler ans Revers. Während seiner Legislatur schaffte er es aber nicht, einen armutsfesten Mindestlohn einzuführen. Der müsste laut Gewerkschaftsbund 2025 bei 14,55 Euro liegen. Im April stimmte seine Fraktion im Bundestag sogar gegen eine Erhöhung auf 14 Euro – nur Linke und BSW waren dafür. Lebensmittelpreise steigen, Maßnahmen fallen flach.
Sozialpolitisch ist die Bilanz auch mau. Das Bürgergeld ist längst die Verniedlichungsform für Hartz IV, die Kindergelderhöhung von fünf Euro ab 2025 ein Witz. Sozialverträgliche Klima-Politik ist darüber hinaus inexistent, siehe Klimageld.
Eine Bafög-Reform lässt auch auf sich warten, ist wegen des Koalitionsbruchs sowieso vom Tisch. Und bei Städten und Gemeinden wächst ein Investitionsstau. Für Schulen und Kitas fehlen nach KfW-Berechnung 55 Milliarden Euro. Weiterhin rieselt der Putz auf die Aufgabenhefte deutscher Schüler:innen. Vier Jahre Kompromissbereitschaft lähmten den Fortschritt – und plötzlich soll Scholz was ändern?
Apropos Kompromissbereitschaft. Grünen-Kandidat Robert Habeck verkauft sich aktuell als Sympathie-Kanzler. Verschmitztes Lächeln, Taylor-Swift-Anspielungen, launige Tweets. Nach vier Jahren Regierungszeit ist er zurück, Charismabeck menschelt wieder!
Habecks Nähe-Distanz-Problem ist so eine Sache. Erzeugerpreise sind gestiegen, Mut zu großen Preisbremsen hatte er als Wirtschaftsminister nicht. Dass Tausende Jobs bei VW, Bosch, Continental, Ford oder auch Thyssenkrupp wegfallen, ist zudem (auch) auf eine vergeigte Industriepolitik zurückzuführen.
Unabhängig davon ist klar, dass Habeck nicht ins Kanzleramt einziehen wird. Vielmehr dürfte er auf ein Schwarz-Grün-Bündnis schielen. Der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak fordert etwa vom CDU-Chef ein Bekenntnis zu einer möglichen Zusammenarbeit. Nebenher wirbt er für eine Differenzierung im Asylrecht zwischen guten (Potential) und schlechten (kein Potential) Bewerber:innen, Lieblingsthema der Christdemokrat:innen.
Rote Linien gibt's nicht. Alles offen, alles möglich, Hauptsache regieren. Klimapolitische Vorhaben dürften entsprechend auch zurecht gestückelt werden, sozial- und bildungspolitisch sind zudem keine großen Sprünge zu erwarten.
Schwarz-Grün, das würde den Bundeskanzler Merz mit sich bringen, auf den es nach aktuellem Stand ohnehin hinausläuft. Schlecht für junge Menschen. Er will eine Kontigentwehrpflicht, bedeutet: Es werden so viele Menschen eingezogen, bis der Personalbedarf der Bundeswehr gedeckt ist. Zwang zum Dienst an der Waffe für junge Generationen.
Da er überdies das Bürgergeld abschaffen will, heißt es für Betroffene nach Abschluss ihrer Wehrzeit: Such dir schnell Arbeit, sonst bist du geliefert. Ohnehin wäre die Beschneidung des Sozialstaats furchtbar. Arbeiter:innen können so kaum bessere Arbeitsbedingungen aushandeln und Erwerbslose verarmen weiter.
Klimapolitisch setzt Merz zudem auf das dynamische Innovationspotential des freien Markts. Frei übersetzt: Probleme lösen die anderen.
Sieht nicht gut aus. Für junge Menschen bräuchte es progressive Kandidat:innen. Solche, die vorausschauend denken, die sich für einen starken Sozialstaat einsetzen; die nicht tolerieren, wenn Stellenkürzungen Tausende Menschen in existenzielle Not stürzen; die mehr Mindestlohn wollen; die junge Menschen nicht kopfüber in Bundeswehrkasernen verfrachten; die Schulen und Kitas ausbauen wollen.
Solche, die den Wohnungsbau stärker fördern; die sich für mehr Bahninfrastruktur engagieren; die sich überlegen, wie sie Menschen sozialverträglich aus der Teilzeit holen können, wenn gewollt; die Vermieter:innen Bremsklötze vor die Füße werfen, sobald sie mietentechnisch freidrehen.
Es bräuchte mutige Kandidat:innen. Doch leider läuft es wieder nur auf einen wenig flexiblen Status-quo-Verwalter hinaus.