
Harte Arbeit, geringer Lohn: Hach, Marktwirtschaft.Bild: imago / NurPhoto
Meinung
Endlich ist er da, der Vorschlag zur Mindestlohn-Erhöhung von der zuständigen Kommission. Leider ist er mal wieder mehr als enttäuschend.
27.06.2025, 13:0727.06.2025, 13:58
14,60 Euro die Stunde. Das sollen Mindestlohn-Malocher:innen ab 2027 bekommen. Im kommenden Jahr gibt es einen Zwischenschritt von 13,90 Euro, in diesem bleibt alles wie es ist. Den Vorschlag hat die Mindestlohnkommission kürzlich vorgelegt. "Einstimmig" sei er beschlossen worden, hob Vorsitzende Christiane Schönefeld hervor.
Nach den Streitigkeiten mit anschließender Intervention bei der letzten Verhandlung ist das doch samtweiches Futter fürs Harmoniebedürfnis. Blöd nur, dass der Konsens mal wieder nicht der europäischen Mindestlohn-Richtlinie gerecht wird – und Millionen Menschen verhöhnt.
Woran die EU-Mindestlohn-Richtlinie scheitert
Die Richtlinie formuliert ein Ziel: "armutsfeste" Mindestlöhne. Was genau "armutsfest" bedeutet, ist allerdings Interpretationssache. Eine klare Definition steuert die EU nicht bei, stattdessen gibt es Referenzwerte. 60 Prozent des Bruttomedianlohns eines Mitgliedsstaats ist einer davon. In diesem Jahr entspräche das einem Mindestlohn von 15,12 Euro die Stunde, wie die Verdi berechnet hat.
Da lag die SPD mit ihrem Wahlkampfversprechen, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben, zumindest für dieses Jahr in Nähe der EU-Empfehlung. Wenngleich die Sozialdemokrat:innen schneller davon abgerückt sind als man Machterhalt sagen kann. Wer den Wahlkampf zur Legislaturperiode davor beobachtet hat, erlebte mindestens ein kleines Déjà-vu.
Dass sie dem aktuellen Vorschlag zustimmen wird – und dass die empfohlenen Sprünge erneut zu kurz greifen – überrascht nach den bisherigen Debatten kaum.
Die SPD knickt angesichts der Lobby-Arbeit, sowohl von Arbeitgeber-Verbänden als auch von ihnen nahestehende Ökonom:innen wie Veronika Grimm und Lars Feld, regelmäßig bei der Mindestlohnfrage ein. Zudem fehlt Gewerkschaften aktuell der Eifer (und die Schlagkraft) härteren Widerstand zu leisten, um durch Reibung wirklichen Reformwillen zu erzeugen. Hat ja bisher auch nicht geklappt.
Dabei sollte sich bei Arbeitnehmenden wie auch ihren Vertreter:innen enorme Wut breit machen. Ein höherer Mindestlohn kann schließlich auch allgemein in höheren Löhnen resultieren, schlicht aufgrund des Wettbewerbs zwischen Unternehmen.
Darüber hinaus ist der Mindestlohn angesichts der Preissteigerungen deutlich zu gering; er ermöglicht kaum ein Leben in Würde; kaum eine soziale Teilhabe – trotz zermürbender Jobs in Gastro-, Bau- und Industrie-Sektor. Und klar, staatliche Instrumente wie das Wohngeld sollen Betroffene entlasten. Wirklich hilfreich ist das aber nicht.
Nicht nur, dass die Leistungen finanziell ein schmaler Ausgleich sind, sie lassen sich auch als Subvention für unterirdische Löhne lesen. Geschäftsführer:innen, Manager:innen und Aktionär:innen können weiter von geringen Lohnausgaben profitieren, und der Staat unterstützt sie dabei. Ein wenig ironisch ist das schon.
Warum Unternehmen sich ins eigene Fleisch schneiden
Niedrige Löhne mögen zwar Profit bringen, das gilt aber auch für den Abverkauf von Waren. Kann sich die schiere Überzahl an Menschen, die diese produzieren, sie auch in größerem Umfang leisten, kommt das natürlich der Unternehmerseite zugute. Als Nebeneffekt wird der Haushalt entlastet, was gerade marktliberalen, stets Sparsamkeit fordernden Ökonom:innen genauso schmecken sollte.
Die warnen aber lieber vor den angeblich dramatischen Folgen zu starker Mindestlohnerhöhungen. Ihr Favorit: Massenarbeitslosigkeit. Das längst müffelnde Argument buddeln sie zu jeder Mindestlohn-Debatte aus. Dafür gab, gibt und wird es vermutlich keine Evidenz geben. Nicht mit der ohnehin schmalbrüstigen EU-Richtlinie. Wie wissenschaftlich die Wissenschaftler:innen also argumentieren, ist Auslegungssache.
Wahrscheinlich werden sie bei dem Vorschlag wieder meckern. Veronika Grimm empfahl erst kürzlich, den Mindestlohn überhaupt nicht zu erhöhen.
Kleiner Transparenzhinweis: Grimm verdient laut LobbyControl jährlich etwa 120.000 Euro.
Die SPD bleibt Meisterin der Rückwärtsrolle
Nur die SPD jubelt. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas freut sich für die sechs Millionen Menschen, die von der Erhöhung profitieren würden. Von den 15 Euro spricht sie überhaupt nicht mehr, genauso wenig davon, dass die 14,60 Euro erst übernächstes Jahr fällig werden. Bis dahin steigt das Preisniveau gewohnt weiter und der Mindestlohn hechelt dem hinterher. Noch mehr Hohn geht nicht.
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