Der Vergleich hinkt etwas. Aber Parallelen gibt es durchaus. Während Studierende zum Teil verpflichtend Vorlesungen besuchen müssen, ist es Abgeordneten in der Regel frei gestellt, an Plenarsitzungen teilzunehmen. Sie bekommen trotzdem die gesetzliche Aufwandsentschädigung bezahlt.
Dafür gibt es gute Gründe. Denn die Hauptarbeit von Bundestagsabgeordneten findet außerhalb des Plenarsaals statt, in Ausschüssen etwa.
Und Studierende? Auch sie haben nicht die meiste Arbeit im Hörsaal – sondern vor und nach der Vorlesung. Trotzdem können sie heftige Probleme bekommen, wenn sie nicht im Hörsaal auftauchen. An vielen deutschen Hochschulen dürfen Studierende nur zweimal pro Lehrveranstaltung fehlen – inklusive entschuldigter Krankheit. Sie müssen an Vorlesungen und Seminaren teilnehmen, um überhaupt zu Prüfungen zugelassen zu werden.
Studierende sind erwachsene Menschen, die sich freiwillig entschlossen haben, noch weiter eine Bildungseinrichtung zu besuchen. Aber die Uni ist trotzdem keine Schule. Und auch kein Job. Im Gegenteil: An vielen Unis müssen Studierende Gebühren zahlen.
Dabei sollte die Motivation fürs Studium intrinsisch sein – und sie sollte den Studierenden nicht durch eine Anwesenheitspflicht künstlich auferzwungen werden.
Neben den Studiengebühren müssen viele Studierende außerdem ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten, nach Ende des Kindergeldes auch die Krankenkasse bezahlen und nicht jeder kann sich dabei auf Eltern oder Bafög verlassen. 2015 mussten daher 47,3 Prozent aller Studierenden Arbeit und Studium kombinieren. Der Nebenjob muss mit dem Lehrplan koordiniert werden. Das kann nicht immer funktionieren, wenn überall Anwesenheitspflicht herrscht.
Wer sich schon mal selbst einen Lehrplan zusammenstellen musste, weiß, wie nervenaufreibend es ist, die Vorlesung von Fach X mit dem Seminar von Fach Y in Einklang zu bringen. Im schlimmsten Fall muss das gesamte Fach auf das nächste Semester verschoben werden, weil es zeitlich nicht mit einer anderen Vorlesung kombinierbar ist. Ohne Anwesenheitspflicht wäre das Termin-Problem wesentlich kleiner.
Wenn nur zwei Fehltage pro Veranstaltung/Semester erlaubt sind, bedeutet das zwangsläufig, dass Studierende ein wirklich gutes Immunsystem haben sollten – oder im Zweifel krank zur Uni gehen müssen. Was ist das für ein System, das so etwas fördern will? Nicht nur, dass das schwer gesundheitsschädlich wäre, sondern auch die Ansteckungsgefahr fördert. Die Uni, der Virenumschlagsplatz?
Manche Dozierende können nicht unterrichten. Das ist nicht ihre Schuld, weil sie meistens nicht dazu ausgebildet wurden, sondern es sich selbst beibringen müssen. Aber wenn sie ohnehin nur ihre Powerpoint-Präsentation vorlesen, können Studierende die genauso zuhause oder in der Bibliothek eigenständig durcharbeiten.
Wirklich ein Punkt, über den wir sprechen müssen: Deutsche Hörsäle sind oft überfüllt und haben schlimme Sitz- und Schreibgelegenheiten. Ich für meinen Fall kann nicht mal fünf Minuten auf einer Bierbank sitzen, ohne Nackenschmerzen zu bekommen. Ein bis zwei Stunden auf einem dünnen Hörsaal-Sitz-Klassiker ist da schon ein höheres Level an Schmerzen. Und: Zu Beginn der Vorlesungszeit, wenn alle motiviert sind, sind die Veranstaltungen meist so gut besucht, dass es nicht mal genug von diesen schlechten Stühlen gibt. Stattdessen kauern sich die Anwesenden dann auf Böden und Treppen, nicht wirklich die besten Voraussetzungen, um gut zuzuhören.