
Seit Wochen wird der Kampf ums Kanzleramt in der Primetime ausgetragen. Bild: imago images / Dominik Butzmann
Meinung
20.02.2025, 19:5820.02.2025, 20:03
Es ist eine Hassliebe, die man als Journalist:in zum Nachrichtengeschehen dieser Welt hegt, wenn man tagtäglich damit konfrontiert ist. Diese führt letztlich sogar dazu, dass man sich bei jedem der insgesamt sieben (!) TV-Duelle zur Bundestagswahl vor dem Bildschirm wiederfindet – teilweise sogar freiwillig. Unweigerlich stellt sich da aktuell die Frage: wozu das alles?
2002 hatten die Öffentlich-Rechtlichen das US-amerikanische Modell des öffentlichen Duellierens übernommen und damals Edmund Stoiber und Gerhard Schröder miteinander ins verbale Gefecht geschickt. Ich war damals vier Jahre alt. Inständig hoffe ich, dass meine Eltern mich hierfür nicht vor dem Fernseher geparkt hatten (wobei das meine Berufswahl erklären würde).
In diesem Jahr wird es gleich siebenmal die Möglichkeit geben, zumindest Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU) im Debattierklub der Elite zu beobachten. Je nach Sender schickte man auch Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) mit in den Ring.
TV-Duelle vor der Wahl: nichts Neues für Politik-Junkies
Was dabei herauskam, war für Politikinteressierte einigermaßen erwartbar. Hauptthema bleibt in diesem Wahlkampf die Migration, hinzu kommen Klagerufe und Genesungsideen zum "kranken Mann Europas". Nur so viel: Vordergründig wird hierbei über die schwächelnde Wirtschaft gewettert, nur selten ein Lösungsvorschlag unterbreitet.
Vor allem Friedrich Merz hatte in den TV-Duellen die Möglichkeit, seine altbekannten Phrasen zum "klaren" CDU-Plan für Deutschland herunterzubeten. Olaf Scholz wiederum verteidigte – mal mehr, mal weniger erfolgreich – die Errungenschaften der vergangenen Legislatur.

Wiedersehen macht Freude.Bild: dpa-Pool / Michael Kappeler
Von Robert Habeck erlebte man gewohnten Enthusiasmus in eigentlich allen Themen. Alice Weidel gab sich hingegen angriffslustig und gleichzeitig ausweichend wie eh und je. Schnarch.
Warum die TV-Duelle so wichtig sind
Die TV-Duelle oder Wahlarenen, wie sie wahlweise genannt werden, haben grundsätzlich eine absolute Daseinsberechtigung. Vor allem für Unentschlossene erfüllen sie eine wichtige demokratietheoretische Funktion.
Zwar ist klar: Wer in Robert Habeck verliebt ist, wird auch seine inhaltlich teils dünne Performance in den TV-Kämpfen nicht stören. Durch die parteipolitische Brille betrachtet, wird immer der Kandidat gewonnen haben, den man ohnehin favorisiert.
Viel Neues gibt es also nicht für "Campaign Junkies", wie Politikwissenschaftler:innen jene Menschen nennen, die sich ohnehin leidenschaftlich für Politik interessieren. Für die anderen aber bringen die TV-Duelle wichtigen Wissenszuwachs in Bezug auf die Positionen der einzelnen Parteien.
Das Problem im TV: die Themen
Entscheidend ist hier, was Expert:innen als "Priming" bezeichnen und aktuell im Bundestagswahlkampf mit dem Migrationsthema stattfindet: "Je häufiger über ein bestimmtes Thema berichtet wird, desto wichtiger wird dieses Thema aus Sicht der Bevölkerung", erklärte Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider bereits vor Jahren in einem Bericht für die Konrad-Adenauer-Stiftung zu den TV-Duellen.
Jetzt könnte man also sagen, wir, "die Medien", sind schuld, dass wir aus den Aufreger-Themen Schlagzeilen produzieren. Das stimmt sicherlich zu einem bestimmten Maße. Das grundlegende Agenda-Setting hätte aber vor allem vonseiten der Sender erfolgen müssen.
Gerade wenn es so viele Duelle gibt, müssen wir eben nicht siebenmal gebetsmühlenartig über Migration und Wirtschaft sprechen. Wie wäre es beispielsweise mit dem Thema Wohnen gewesen? Von einer Thematisierung der Klimakrise kann man ja mittlerweile sowieso nur noch träumen.
Einen Schritt in die richtige Richtung hat hier die Sendung "klartext" in der ARD gemacht. Statt Scholz, Merz und Co. wieder die gleichen Fragen aus dem Medienkosmos herauszustellen, kamen hier Bürger:innen mit individuellen Fragen und Sorgen zu Wort.
Wo bleiben die Fakten im TV-Duell?
Was hier dennoch fehlte, war der Live-Faktencheck im Bild. Klar gibt es die Überprüfungen mittlerweile immer online. Aber seien wir mal ehrlich: Die schauen selbst wir Journalist:innen selten an.
Denkbar wäre hier auch ein Einhaken der Moderator:innen gewesen, die sich in diesem Jahr aber allzu sehr darauf konzentrierten, die AfD in ihre Schranken zu weisen. Das ist richtig und wichtig, aber leider ist Alice Weidel eben nicht die einzige, bei der hier und da ein Faktencheck nötig ist – wenn auch in geringerem Ausmaß.
Erstaunlich solide zeigt sich hier die Sonderausgabe von "hart aber fair" in der ARD. Nicht nur treffen hier Bürger:innen auf Spitzenpolitiker:innen, deren Meinung sie gar nicht teilen. Auch erscheint hier direkt während der Sendung ein Faktencheck auf dem Bildschirm.
Wer also hat diesen Wahlkampf aus Sicht der TV-Duelle gewonnen? Von den Kandidat:innen sicher niemand, denn überraschen konnte von ihnen keiner in einer einzigen der bisher fünf Sendungen.
Betrachtet man die Sender, kommen ARD und ZDF definitiv seriöser rüber als RTL oder Welt. Bei letzterem wurde mit lockeren Fragen zu Liebe und Supermarkt zwar immerhin versucht, eine gesunde Mischung zu bieten. Mit Fragen zum Dschungelcamp wie bei RTL wiederum mag man die Zuschauer:innen kurzfristig zum Lachen gebracht haben. Hängen bleibt davon aber nichts.
Spätestens nach dem dritten gesehenen Duell ist die eigene Wahrnehmung aber ohnehin ziemlich getrübt.
Wenn man einen in der Parfümerie einen neuen Duft sucht, soll man zwischendurch zur Neutralisierung an frischem Kaffee riechen. Manchmal hätte ich mir im Wahlkampf auch so eine Kaffee-Note für mein Gehirn gewünscht, etwa in Form einer Dokumentation ohne Stimmenfang.
Oder meinetwegen auch das Dschungelcamp. Wobei, vielleicht bleibe ich dann doch lieber bei Duell-Sendung Nummer 6 heute Abend. Aber wenn ich ehrlich bin, freue ich mich einfach, wenn das alles vorbei ist.
Wo zahlt Alice Weidel ihre Steuern? Im RTL-Quadrell zur Bundestagswahl ließ Moderator Günther Jauch die AfD-Chefin bei dieser Frage nicht so leicht vom Haken. Hartnäckig befragte er sie zu ihrer Wohnsituation in Deutschland und der Schweiz und der davon abhängigen Zahlung von Steuern.