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Bürgergeld: Die CDU will es streichen, lässt dabei aber einiges außer Acht

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Armut, Obdachlosigkeit, Hunger: Weniger Sozialstaat bedeutet schwere Konsequenzen.Bild: imago images / Wolfgang Maria Weber
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Vorstoß zum Bürgergeld: CDU macht reine Arbeitgeber-Politik

09.08.2024, 07:58
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Es ist ermüdend, wie viel Eifer CDU, CSU, AfD, FDP, aber auch Wirtschaftsvertreter:innen und mitunter auch Journalist:innen im Kampf gegen das Bürgergeld aufbringen. Erst kürzlich forderte CDU-Generalsekretär und Miniatur-Merz, Carsten Linnemann, Sozialleistungen für all jene komplett zu streichen, die eine zumutbare Arbeit ablehnen.

Jetzt treibt die Ampel-Koalition den Sanktionsdruck bereits ohnehin bis an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit. Wer zumutbare Arbeit ablehnt, kann mit Kürzungen von bis zu 30 Prozent rechnen. So gerne die CDU einen Schritt weitergehen würde, es geht nicht. Rein rechtlich. 2019 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Grundsicherung ein menschenwürdiges Existenzminimum sichern sollte.

Doch angenommen, es wäre nicht so, die Christdemokrat:innen könnten ihr Vorhaben durchdrücken und hätten freie Fahrt, den ohnehin ausgedünnten Sozialstaat weiter mit der Axt zu bearbeiten. Die Folgen wären dramatisch – nicht nur für Erwerbslose.

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Bürgergeld-Kürzung: Wenn Menschen gebrochen werden

Gesellschaftlich würden Vollsanktionen für ein Beben sorgen. Von den rund 5,5 Millionen Bürgergeld-Bezieher:innen könnten 1,7 Millionen prinzipiell arbeiten, schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Zum Rest gehören unter anderem Kinder und Jugendliche und Menschen, die dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen – etwa wegen Erkrankungen oder weil sie bereits arbeiten, aber so wenig verdienen, dass sie aufstocken müssen.

1,7 Millionen Menschen, die ohnehin bereits unter der Armutsgrenze leben, müssten sich also sorgen. Darum, dass sich ihre Lebenssituation dramatisch verschlechtert, sofern sie sich nicht in Jobs zwingen lassen, für die sie womöglich nicht geeignet sind – sei es nun körperlich, geistig oder aus familiären Gründen.

Sind wir mal großzügig, lassen die Joblage außer Acht und gehen davon aus, dass 700.000 Menschen geeignete Stellen finden. Eine Million bleibt übrig. Um nicht in existenzielle Not zu stürzen – also nicht zu verhungern – schleppen sie sich in Jobs, die nicht zu ihnen passen. Sie leiden körperlich wie psychisch, fliegen raus und sind darauf sehr wahrscheinlich gebrochen.

Also lehnen sie die nächsten Jobs ab, verlieren damit das bisschen Geld, das ihnen der Staat zur Verfügung stellt, und landen in einer dramatischen Notsituation. Ihnen bleibt Wasser aus dem Hahn und ein knurrender Magen. Kein Geld, kein Essen.

Fehlt das Bürgergeld, drohen schlimme Folgen

Unter den Rädern der Verelendungsmaschinerie müssen sie schauen, wie sie sich anderweitig Nahrung beschaffen. Sie rutschen in die Kriminalität. Werden sie erwischt, fehlt das Geld für Strafen, also folgt der Freiheitsentzug. Nicht unbedingt eine Entlastung für den Staatshaushalt, von der noch dramatischeren Ausgrenzung und Belastung ganz zu schweigen. Zumal es Ex-Häftlinge nicht unbedingt leichter haben, Arbeit zu finden.

Auch noch schlimmere Kinderarmut wäre ein Thema. Denn Betroffene mit Kindern wären in einer verzwickten Lage. Sie müssten – weil es einfach nicht anders geht – das Geld für ihren Nachwuchs aufteilen, um irgendwie durchzukommen. Bei den ohnehin knappen Mitteln liefe es auf brutale Einschnitte hinaus. Dinge, die ohnehin in weiter Ferne lagen – seien es Vereinsmitgliedschaften, Lernmaterialien, Ausflüge – rücken darauf endgültig außer Sichtweite.

Weniger Essen wäre ebenfalls eine Folge, Entwicklungsstörungen damit vorprogrammiert. 2023 waren laut Statistischem Bundesamt 2,1 Millionen Kinder armutsgefährdet, wie es im chronisch unterkühlten Bürokratendeutsch heißt. Das Einkommen ihrer Familie liegt bei unter 60 Prozent des Medianeinkommens der Bevölkerung. Mit dem Wegstreichen des Bürgergelds wären die Betroffenen noch armutsgefährdeter oder – ehrlicher ausgedrückt: verdammt arm.

Bürgergeld-Vorstoß: CDU macht Arbeitgeber-Politik

Kinder arm, Erwachsene arm, die Christdemokrat:innen zufrieden. Nicht ganz. Natürlich ist ihr Kalkül Arbeitszwang. Und dieser lässt sich leicht durchdrücken, wenn es Erwerbslosen besonders schlecht geht. Gleichzeitig stärken sie die Seite derjenigen, die Jobs anbieten.

Ein starker Sozialstaat ermöglicht Arbeiter:innen in mies bezahlten Jobs, für sich einzustehen. Sie können sich organisieren, können höhere Löhne verlangen, bessere Arbeitsbedingungen, ohne die lähmende Angst, in existenzielle Not zu stürzen. Denn ist das soziale Netz marode, kommt kaum wer auf die Idee, zu murren. Vor allem, wenn dann die Gefahr droht, in einen noch mieseren Job gezwungen zu werden.

Schließlich gibt es für eine "zumutbare Arbeit" keine richtige Definition – ergo, kann sie auch besonders unwürdige Bedingungen vorweisen. Und daran ändert sich nichts, wenn dank mangelhafter Sozialpolitik, wie sie die CDU mal wieder fordert, stets eine Reservearmee für offene Stellen vorhanden ist. Linnemann spricht häufig im Namen der "normalen Bürger", dabei ist "normal" wohl eine Frage der Perspektive.

Was statt einer Bürgergeld-Kürzung wirklich hilft

Alle Punkte sind jedoch rein hypothetisch. Trotzdem handelt es sich um Folgen, die Bürgergeld-Gegner:innen mitbedenken müssen, wenn ihnen wieder der Kamm schwillt. Ob der Wille, gerade vonseiten der Politik, da ist, sei mal dahingestellt. Schließlich müssten Berufspolitiker:innen ihre Schwerpunkte dann neu wählen. Solche, die deutlich komplexer sind.

Da wäre zum Beispiel die Jobsituation. Diesen Juli gab es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit rund 703.000 offene Stellen. Es braucht keinen Abakus, um zu wissen, dass das bei 1,7 Millionen theoretisch arbeitsfähigen Erwerbslosen ein bisschen wenig sind. Wie ließe sich das lösen? Übrigens sind davon laut DIW nur 16.000 Personen sogenannte Totalverweigerer, eine verschwindend geringe Menge, wohlgemerkt.

Davon mal abgesehen, dass auch Faktoren wie Ausbildung, Standort und Familiensituation entscheidend sind, ob jemand in Arbeit kommt. Falscher Wohnort, falsche Qualifikation, fehlende sprachliche Kompetenz – das alles sind Gründe für ein Missmatch. Dafür Lösungen zu finden, setzt eine gut durchdachte Wirtschafts-, Sozial und Lohnpolitik voraus. Und die sind weder bei der Ampel, noch bei der CDU, derzeit zu sehen.

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