Syrer:innen feiern in Frankfurt den Sturz von Diktator Assad. Die deutsche Politik gönnt ihnen aber keine VerschnaufpauseBild: imago images / Daniel Kubirski
Meinung
Vor gut einem Monat ist das Assad-Regime gefallen. Die islamistische Miliz HTS konnte die Macht an sich reißen, eine Gruppe, die im Westen als terroristische Organisation gelistet ist. Stabilität ist noch lange nicht eingekehrt, Konfliktherde bestehen weiterhin. Und dann wäre da noch die Zukunft unter islamistischer Herrschaft. Die Extremist:innen geben sich gesittet, wollen ein Syrien für alle. Ähnlich formulierten es die Taliban für Afghanistan.
Unsicherheit, Gefahren, Instabilität, mehr als genug Gründe, syrische Flüchtlinge nicht zum politischen Spielball zu machen. Doch hierzulande ist Wahlkampf, also wird fleißig gedribbelt. SPD, Union, FDP, Grüne, sie alle reihen sich am rechten Spielfeldrand ein, klamüsern aus, wann und warum die Menschen wieder zurückverfrachtet werden können. Es ist Selbstprofilierung auf dem Rücken der Schwächsten, die ausschließlich der AfD hilft.
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Faeser macht den Anstoß – Vier-Punkte-Plan für Syrer
Bundesinnenministerin Nancy Faeser machte den Anfang. Sie stürmte los und stieß mit Karacho die Debatte an, pünktlich zum Wahlkampfauftakt. Mit maximal bürokratischer Effizienz legt sie das weitere Vorgehen mit syrischen Flüchtlingen fest. Die Möglichkeiten sind vielfältig, sie aber schaffte es, diese auf einen Vier-Punkte-Plan runterzudampfen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser liefert Vier-Punkte-BlödsinnBild: dpa / Sebastian Gollnow
Zunächst wollen Innen- und Außenministerium gemeinsam die Entwicklung in Syrien in Blick behalten und sich mit den anderen europäischen Partnern beraten. Ist es sicher, folgen Rückführungsmaßnahmen. Die Verantwortlichen haben sich für diesen Fall einen Hochsitz eingerichtet. Wer Deutsch spricht und arbeitet, darf bleiben. Alle anderen stehen zum Abschuss frei.
Wie die Grünen-Migrationsexpertin, Filiz Polat schon richtig erkannt hat, gibt Faeser nur die Rechtslage wieder. Ihre Parteikollegin Lamya Kaddor warnte bereits vor vorschnellen Schlüssen, allein wegen der unklaren Sicherheitslage. Grünen-Parteivorsitzender Robert Habeck sagte zudem: "Diejenigen, die hier nicht arbeiten, werden – wenn das Land sicher ist – wieder in die Sicherheit zurückkehren können oder auch müssen."
Es ist das wahlkampfübliche Sprechen um des Sprechens willen, denn im Grunde stimmen sie alle Faesers Vier-Punkte-Plan zu. Gilt auch für Lindner, dessen Worte zwecks Redundanz-Vermeidung hier nicht wiedergegeben werden.
Unionspolitiker will mehr
Einzig der Union geht der Plan nicht weit genug. Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei betonte, bleiben dürfe seiner Meinung nur, wer so viel verdient, dass seine Rente oberhalb der Grundsicherung im Alter liegt. Arbeit allein reiche nicht.
Frei dreht, naja, frei. Wobei Faeser nicht definiert hat, ob mit Arbeit auch Minijobs oder andere geringfügige Tätigkeiten gemeint sind. Ist aber auch egal. Letztlich lassen sich die Forderungen, ob nun von Faeser, Habeck oder Frei, auf eine Annahme herunterbrechen: Wer nicht arbeitet, will einfach nicht, deshalb Ciao!
Erstmal: Einen Job bekommen, ist keine einseitige Geschichte. Das richtet sich auch nach dem Ermessen derjenigen, die Menschen einstellen. Die Jobchancen sinken signifikant bei durchwachsenen Sprachkenntnissen und einem nicht-deutschen Nachnamen. Bürokratische Hürden bremsen Menschen mit Fluchtgeschichte ebenfalls aus.
Typisch kapitalistisches Menschenbild
Dann sind da noch individuelle Probleme, die hierzulande völlig ausgeblendet werden. Flüchtlinge erfahren kaum psychische Betreuung. Depressionen, PTBS, Angststörungen sind nicht gerade Antreiber. Gilt auch für körperliche Erkrankungen. Müssen diese Menschen etwa zurück, bloß weil sie nicht zur Schippe greifen?
Nach aktuellem Stand: Ja.
Der Fokus auf Beschäftigung ist bezeichnend. Bleiberecht gilt nur für alle, die auch Wert schaffen. Menschen werden zur Ressource verzwergt. Wenn Regierung und Opposition schon so denken, könnten sie ja wenigstens schauen, gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels, wie sie Flüchtlinge bei der Arbeitsfindung unterstützen. Mehr Geld für Migrationsberatung für Erwachsene wäre was. Die Mittel dafür kürzte die Ampel aber um ein Drittel.
Generell könnten wir uns noch fragen, inwiefern rund 972.000 Menschen (Stand 2023) ein großes Wahlkampfthema sind. Inwiefern stechen diese alle andere Themen aus? Inwiefern drängt sich das Thema auf, wenn doch ohnehin alle darauf pochen, die Sicherheitslage in Syrien zu beobachten?
Wahrscheinlich wollen sie Wähler:innen von der Anti-Migrationspartei AfD abgrasen. Dass sie alle dieser so in die Hände spielen, haben sie nach wie vor nicht begriffen. Vielleicht teilen sie aber auch ein paar AfD-Ansichten hinsichtlich Migration. Denn so oft kann man denselben Fehler doch nicht wiederholen.
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat Präsident Wladimir Putin sein Vorgehen gegen Andersdenkende in Russland verschärft. Dies zeigt sich in vielfältiger Weise, etwa durch repressive Gesetze, Verfolgung von Oppositionellen und Aktivist:innen, die Unterdrückung der Zivilgesellschaft sowie die Kontrolle der Medien.