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Böllerverbot: Politik lehnt Petition ab – Fakten widersprechen Aussagen

ARCHIV - 28.12.2023, Brandenburg, Cottbus: Ein Kunde eines Supermarktes nimmt Feuerwerk aus einem Regal. Am heutigen Tag beginnt der Verkauf von Silvesterfeuerwerk. Bis zum kommenden Samstag werden Bö ...
So, erstmal schön Geld verbrennen. Bild: dpa / Frank Hammerschmidt
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Silvester: Warum ein Böllerverbot alternativlos ist

06.01.2025, 18:52
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Silvesternacht 24/25, 23.40 Uhr. Ich gehe mit einem Freund die Schönhauser Allee in Berlin-Prenzlauer Berg entlang. An den Arcaden steht eine Gruppe Jugendlicher und richtet eine Rakete vom Gehsteig direkt auf das wenige Meter entfernte Einkaufszentrums. "Das ist schon ehrenlos", sagt einer zu dem anderen. Ja, finde ich auch, hätte ich am liebsten gesagt.

Aber angetrunkene Menschen mit Böllern in der Hand möchte ich lieber nicht reizen. Nachher werde ich zur Zielscheibe, nicht das Gebäude. Allein in Berlin gab es bei diesem Jahreswechsel mindestens 400 Festnahmen – auch, weil Einsatzkräfte oder andere Menschen mit Feuerwerk angegriffen wurden.

Die Bilanz der Silvesternacht ist wieder einmal vernichtend: zahlreiche Verletzte, fünf Tote.

Böllern ist nicht nur gefährlich, es ist schlecht für die Umwelt, Tiere geraten in Panik, Kriegsgeflüchtete können retraumatisiert werden. Es gibt wirklich viele gute Gründe, Menschen besser keine Silvesterböller in die Hand zu drücken, besonders, wenn in diesen Händen vorher Alkohol war.

Millionen Menschen unterzeichnen Petition für Böllerverbot

Nicht nur ich würde mir deshalb wünschen, dass die Silvesterböllerei im privaten Bereich einfach verboten wird. In den vergangenen Tagen sind die Unterschriften für eine von der Gewerkschaft der Polizei initiierte Petition auf der Plattform "innn.it" in die Höhe geschossen.

Rund 1,5 Millionen Menschen (Stand: 6.1.25, 15 Uhr) fordern darin ein Böllerverbot. Am Montag wurde die Petition an das Bundesinnenministerium unter Ministerin Nancy Faeser (SPD) überreicht, zeitgleich mit einer Petition der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Zusammen kommen die Petitionen auf mehr als 1,9 Millionen Unterschriften.

Ob sie tatsächlich Erfolg haben werden, hängt natürlich auch davon ab, wie die Politiker:innen zu einem Böllerverbot stehen. Oh, oh. Das verspricht nichts Gutes. Also wenn man pro-Böllerverbot ist.

Gehen wir doch direkt mal rein...

Innenministerin Faeser lehnt Böllerverbot ab

...und schauen zunächst, was Petitionsadressatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) davon hält. Kurz: Sie lehnt ein bundesweites Böllerverbot ab. Stattdessen fordert sie, dass die Kommunen vor Ort mehr Handlungsmöglichkeiten bekommen sollten.

30.12.2024, Berlin: Ein illegaler Böller explodiert während einer Pressevorführung der Berliner Feuerwehr in der Hand einer Puppe. Die Feuerwehr informierte während der traditionellen Pressekonferenz  ...
Die Berliner Feuerwehr zeigt an einer Puppe, was ein illegaler Böller anrichten kann.Bild: dpa / Soeren Stache

"Hinsichtlich der Gefährlichkeit gibt es große Unterschiede zwischen dicht bewohnten Städten und dem Land – und innerhalb von Städten zwischen einzelnen Brennpunkten und Stadtteilen, in denen friedlich gefeiert wird", schiebt sie nach.

Um es mal klar zu stellen: Feuerwerk ist immer gefährlich. Ganz egal, wo es gezündet wird. Dem Sprengstoff ist herzlich egal, ob er in einer Groß- oder Kleinstadt gezündet wird. In diesem Jahr passierten vier der fünf tödlichen Unfälle nicht in einer Großstadt.

Corona-Pandemie zeigte: Verbot hat viele positive Effekte

Weiter geht's mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Im WDR spricht er davon, dass zur Kontrolle eines generellen Böllerverbots an jeder Ecke ein:e Polizist:in stehen müsste. "Das schaffen wir ja nicht mal im Fußballstadion." Die Forderung eines generellen Böllerverbots sei ein bisschen zu einfach. "Das Problem ist komplizierter."

Aber ist es wirklich so kompliziert?

Ich finde mit einem Verbot kann man schon viele Probleme des Silvester-Feuerwerks aus der Welt schaffen. Das zeigt auch die Erfahrung aus dem Böllerverkaufsverbot in den ersten beiden Pandemie-Jahren, das erlassen wurde, um die Krankenhäuser nicht noch mit Silvester-Verletzungen zu belasten.

Und siehe da: Es hat funktioniert. Die Gefahren hätten deutlich reduziert werden können, schreibt die Bundesärztekammer. In Hamburg zum Beispiel hätte es nur etwa ein Drittel der Noteinsätze gegeben.

Auch Brände durch Feuerwerkskörper scheinen zurückgegangen zu sein. Den Versicherern seien in den Vorjahren rund 1000 Brände kaskoversicherter Autos gemeldet wurden. Beim Jahreswechsel 2020/21 seien es 210 Brände gewesen, schreibt der Gesamtverband der Versicherer.

Könnte es also sein, dass Einsatzkräfte in der Silvesternacht eher weniger zu tun haben, Herr Reul? Insbesondere, wenn damit auch ein Verkaufsverbot einher gehen würde? Naja, ich frag' ja nur.

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Das Verkaufsverbot in der Coronazeit hatte übrigens noch einen weiteren positiven Effekt: Die Feinstaubbelastung entsprach laut Umweltbundesamt etwa einem durchschnittlichen Tag.

Böllerverbot "irgendwie komisch" – Herr Scholz, also bitte..

Und was hält unser lieber Herr Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) davon. Sein Statement im Magazin "Stern": "Ein Böllerverbot finde ich irgendwie komisch." Joa, also ich finde diese Aussage irgendwie komisch, Herr Scholz. Böllern finde ich auch irgendwie komisch.

"Ich bin dafür, dass wir ordentliche Regeln haben für das Zeug, das da hergestellt wird", sagt Scholz außerdem. Eine vagere Aussage hätte er kaum treffen können, aber Hauptsache, man hat sich irgendwie geäußert, ne. Es sei ihm verziehen, der Wahlkampf beansprucht seine Zeit.

Die Zeichen beim Böllerverbot stehen also weiterhin auf Stillstand und in einem Jahr werden wir die Diskussion so oder so ähnlich wieder führen. Es wird wieder Verletzte geben, vielleicht auch Tote.

Wieder könnten Geflüchtete aus Kriegsgebieten, die hier Schutz suchen, retraumatisiert werden. Die Feinstaubkonzentration wird in die Höhe schießen. Haus- und Wildtiere werden Panik haben – und andere Menschen, wie ich, werden uns kaum raus trauen.

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